Begraben: Kirche Enger
Sohn des N.N.
Lexikon des Mittelalters: Band IX Spalte 74
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Widukind, westfälischer Adliger
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777-785 Führer des sächsischen Widerstands gegen
die fränkische Expansion unter KARL DEM GROSSEN.
Die spärlichen zeitgenössischen Nachrichten über Widukind,
aus der Perspektive der fränkischen Sieger im Urteil negativ ("rebellis",
"perfidus"), stehen im auffallenden Gegensatz zur breiten späteren
mittelalterlichen Traditions- und Mythenbildung (dynastische Anknüpfung,
Heroisierung, Ansätze einer Kulttradition an der [vermeintlichen?]
Grablege Enger) wie zur neuzeitlichen Stilisierung
Widukinds
als Prototyp des sächsisch-germanischen Helden.
Erstmals wird Widukind 777
erwähnt ("unus ex primoribus Westfalorum"), als er, angeblich
als einziger führender Sachse, nicht auf dem Hoftag KARLS
in Paderborn erschien und zum Dänen-König Siegfried
flüchtete;
in Widukinds Umgebung ragt sein 'gener'
Abbi(o)
hervor. Im Gegensatz zu den sächsischen Adligen, welche die Frankisierung
durch Annahme der Taufe und Aufstieg im Königsdienst mit trugen, führte
Widukind
die sächsisch-heidnische Opposition und errang 778, dem Jahr des verlustreichen
spanischen Feldzugs
KARLS, militärische
Erfolge gegen fränkische Verbände, um dann für drei Jahre
zu verschwinden. 782 blieb Widukind erneut
einer Versammlung an den Lippequellen fern und organisierte im Gefolge
fränkischer Maßnahmen zur stärkeren Einbindung Sachsens
("Capitulatio de partibus Saxoniae", Ernennung von Grafen) den Widerstand,
der in der Schlacht am Süntel einen bedeutenden Erfolg über die
Franken erzielte und auch durch
KARLS Strafgericht
in Verden nicht gebrochen wurde. Widukindskonkrete
Rolle bei den militärischen Auseinandersetzungen bleibt freilich dunkel
(783 Schlachten bei Detmold und an der Haase). 784 ging er ein Bündnis
mit den Friesen ein, doch konnte sich KARL
784/85 in Winterfeldzügen durchsetzen und Widukind
und Abbi ins Gebiet nördlich der Elbe verdrängen. Im Bardengau
wurde 785 ihre Unterwerfung unter KARL mit
Zusicherung der Unverletztlichkeit/Straffreiheit (Annales regni Francorum:
"in laesi"; Annales q. d. Einhardi: "inpunitatis sponsio")
und fränkische Geiselstellung förmlich verabredet, besiegelt
in der Annahme der christlichen Taufe durch Widukindund
seine Gefährten in de karolingischen
"Festpfalz" Attigny. Obwohl die Sachsenkriege KARLS
in Schüben noch bis 804 andauerten, verdeutlichten die Reichsannalen
mit ihrer Notiz, damals sei ganz Sachsen unterworfen worden, die führende
Rolle Widukinds der sächsischen
Opposition. Indem KARL in Attigny als
Taufpate fungierte und den Täufling durch wunderbare Geschenke ehrte,
übernahm er Verpflichtungen zur christlichen Unterweisung und trat
in eine geistliche Verwandtschaft mit Widukindein
(Angenendt), die dem Ausgleich von 785 den Charakter eines politischen
Bündnisses verlieh und entscheidende Unterschiede zur Behandlung anderer
Gegner wie König Desiderius oder
Herzog Tassilo III. deutlich machte.
Ob Widukinds sofortiges
Verschwinden aus den Quellen die Tragfähigkeit der Abmachungen wie
eventuell die Übernahme einer Amtsträgerfunktion in Sachsen unterstreicht
oder nur durch den (zwangsweisen?) Eintritt ins Kloster Reichenau erreicht
wurde, kann nicht sicher entschieden werden, weil die ansprechende Identifizierung
eines Reichenauer Mönchs Widukind mit dem Sachsenführer
(Althoff) bestritten wird (Freise, Balzer). Die (spätere, fehlerhafte)
Tradition lokalisierte das Grab Widukinds
in Enger, wo man um 1100 seine Grabplatte mit Umschrift fertigte und einen
Widukind-Kult
propagierte. In die dortigen Bemühungen fügte sich ein Besuch
Kaiser
KARLS IV. 1377 ein, der freilich eher der Verehrung KARLS
DES GROSSEN als der Memoria Widukindsgalt.
Widukindwar in der
schriftlichen Überlieferung (seit dem 9. Jh. bemüht um die Bewältigung
des Traumas von fränkischer Eroberung und Zwangschristianisierung)
längst zur sagenhaften Figur, zum Grafen, Herzog, gar König der
Sachsen, geworden, schließlich zum Stammvater europäischer Herrscherhäuser.
Das Bewußtsein der Herkunft von Widukind,
erstmals Mitte des 9. Jh. für den Sohn Wikbert und den Enkel
Waltbert
im Zusammenhang mit der Fundation Wildeshausen formuliert, in der Sachsengeschichte
seines vermutlichen Nachfahren Widukind von Corvey auf Königin
Mathilde und damit auf das ottonische
Königshaus
bezogen, blieb freilich bei den Nachkommen (Schmid) unterschiedlich präsent
und bedarf noch genauerer Analyse. Der Name Widukind war im frühen
Mittelalter weder Leitname seines Geschlechts noch sonderlich beliebt,
was den differenzierten Umgang mit dem (heidnischen) Sachsenführer
kennzeichnet. Erst mit zunehmendem zeitlichen Abstand wurde das Bekenntnis
zu Widukind immer populärer, dann aber in Zusammenhängen,
die eher die Instrumentalisierung von Geschichte als die frühmittelalterlichen
Befunde kennzeichnen.
Quellen:
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Annales regni Francorum, ed. F. Kurze, MGH SRG (in us.
schol. 6), 1895, 48-71.
Literatur:
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ADB 42, 364-369 - S. Abel-B. v. Simson, JDG K. d Gr.
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W. HZ 155, 1937, 233-277, 475-505 - H. Hartwig, W. in Gesch. und Sage,
I, 1951 - K. Schmid, Die Nachfahren W.s, DA 20, 1964, 1-47 - Die Eingliederung
der Sachsen in das Frankenreich, hg. W. Lammers, 1970 - M. Last, Der Besuch
Karls IV. am Grabmal W.s in Enger, BDLG 114, 1978, 307-341 - Die Ausgrabungen
in der Stiftskirche zu Enger, I, 1979 - H.-D. Kahl, Karl d. Gr. und die
Sachsen (Politik, Gesellschaft, Geschichtsschreibung, hg. H. Ludat-R. Schwinges,
1982), 49-130 - Westfäl. Gesch., I, hg. W. Kohl, 1983, 298ff. [E.
Freise] - G. Althoff, Der Sachsenhz. W. als Mönch auf der Reichenau,
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207-212 - E. Freise, W. in Attigny (1200 Jahre W.s Taufe, hg. G. Kaldewei,
1985), 12-45 - K. Schmid, Zum Q.nwert der Verbrüderungsbücher
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513-540 - R. Köhn, Kirchenfeindl. und antichristl. MA-Rezeption im
völk.-nationalsoz. Geschbild: die Beispiele W. und Stedinger (MA-Rezeption,
hg. P. Wapnewski, 1986), 581-609 - M. Balzer, W. Sachenhzg. - und Mönch
auf der Reichenau?, Westfäl. Heimatbund. Rundschreiben 11-12, 1987,
1-6 - H. Beumann, Die Hagiographiie "bewältigt", Unterwerfung und
Christianisierung der Sachsen durch Karl d. Gr. (Ders., Ausgew. Aufsätze,
1987), 289-323.
Widukind war der Anführer
der Sachsen im Kampf gegen die Franken und das Christentum, unterlag KARL
DEM GROSSEN
und ließ sich 785 in Attigny taufen, wobei
KARL
sein
Taufpate war. Über die Zeit danach gibt es keine gesicherte Überlieferung,
wobei aber sehr wahrscheinlich ist, dass er anschließend auf der
Reichenau in Klosterhaft gehalten wurde. König
HEINRICHS I. Frau
Mathilde stammte
von Widukind ab.
Königin Mathilde,
die Gemahlin HEINRICHS I. und Ur-Ur-Enkelin
Widukinds,
gründete in den Jahren 947/48 das Stift Enger.
Quellen zur Genealogie der WIDUKINDE
a) Widukind, unus e primoribus Westfalorum
(Einh.
Ann. 777, MG. SS. I, p. 157; Ann. Lauriss., p.
156 und 158; Ann. Lauriss. minor;
Ann. Einhard. Fuld., MG.. SS. I, p. 349; Ann. Lauriss. maj.);
Aufstand 782 (Einh. Ann.); Unterwerfung
785 (Einh. Ann. MG. SS. I, p. 167) (Ann. Quedlinburg.,
MG SS. III, p. 38; Fragm. Vindob.,
MG. SS. XIII, p. 31); dux Saxonum (vita S. Liutgeri I, c. 18,
MG. SS. XV, p. 284); comes
vel dux (Synode zu Koblenz 922, Jb. Heinrich I., p. 65, Anm. 4.
Kinder:
Wigbert
-
827
Bruno
-
Literatur: www.mdr.de
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Althoff, Gerd:
Der Sachsenherzog Widukind als Mönch auf der Reichenau. Ein Beitrag
zur Kritik des Widukind-Mythos. - DEUTSCHE FÜRSTEN DES
MITTELALTERS. Fünfundzwanzig Lebensbilder. Edition Leipzig 1995 Seite
62,113 - Die Reichsannalen mit Zusätzen aus den sogenannten
Einhardsannalen. Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte Band V Wissenschaftliche
Buchgesellschaft Darmstadt 1974 Seite 36,42,44,48 - Diwald
Helmut: Heinrich der Erste. Die Gründung des Deutschen Reiches.
Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach 1987 Seite 75-94 - Hlawitschka
Eduard: Stirps Regia. Forschungen zum Königtum und Führungsschichten
im frühen Mittelalter. Ausgewählte Aufsätze. Festgabe zu
seinem 60. Geburtstag. Verlag Peter Lang Frankfurt am Main - Bern - New
York - Paris Seite 355,358,374 - Offergeld Thilo: Reges pueri. Das
Königtum Minderjähriger im frühen Mittelalter. Hahnsche
Buchhandlung Hannover 2001 Seite 572 - Schmid Karl: Gebetsgedenken
und adliges Selbstverständnis im Mittelalter. Ausgewählte Beiträge.
Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1983 Seite 59,313,588 - Schnith
Karl: Frauen des Mittelalters in Lebensbildern. Verlag Styria Graz Wien
Köln 1997 Seite 10,12,15,16,17,18,21,25 - Schnith Karl Rudolf:
Mittelalterliche Herrscher in Lebensbildern. Von den Karolingern zu den
Staufern. Verlag Styria Graz Wien Köln 1990 -