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Quelle:
http://www.bpb.de/die_bpb/ZQPA46.html


Informationen zur politischen Bildung

Ziele und Aufgaben des Jugendstrafrechts


Heribert Ostendorf
Kurzbeschreibung:
Jugendlichen begegnet der Staat mit größerer Nachsicht. Mit Rücksicht auf dieses Entwicklungsstadium wurde ein spezielles Jugendstrafrecht geschaffen. Dieses unterscheidet darüberhinaus in Jugendliche von 14 bis 17 Jahren und Heranwachsende von 18 bis 20 Jahren. Das erste Jugendgerichtsgesetz datiert aus dem Jahre 1923.
Inhalt

Einleitung

Zielsetzung

Verfahrensgestaltung

Jugendstrafrechtliche Sanktionen

Einleitung

Jugendlichen begegnet der Staat mit größerer Nachsicht. Mit Rücksicht auf dieses Entwicklungsstadium wurde ein spezielles Jugendstrafrecht geschaffen.

Für Jugendliche (14- bis 17jährige einschließlich) und Heranwachsende (18- bis 20jährige einschließlich) gilt ein spezielles Jugendstrafrecht. Dies ist im Jugendgerichtsgesetz (JGG) geregelt. Das erste Jugendgerichtsgesetz datiert aus dem Jahre 1923, dessen Entwurf von dem damaligen Reichsjustizminister Gustav Radbruch eingebracht wurde. Mit dem JGG 1923 wurde die Strafbarkeitsgrenze auf 14 Jahre – vorher 12 Jahre – festgelegt, das heißt, frühestens ab 14 Jahren durfte mit Strafgewalt gegen Jugendkriminalität vorgegangen werden, wobei die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Einzelfall geprüft werden mußte. Diese Grenze gilt in Deutschland auch heute noch. In anderen Ländern gibt es abweichende Regelungen, wobei in Europa die Strafbarkeitsgrenze überwiegend bei 14 Jahren liegt. Strafbarkeitsgrenzen stehen in Abhängigkeit von dem jeweiligen Jugendhilferecht, das heute bei uns in dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) vom 26. Juni 1990 geregelt ist. Vormals galt insoweit das Jugend wohlfahrtsgesetz, ebenfalls aus dem Jahre 1923.

Mit der Änderung des Jugendgerichtsgesetzes im Jahre 1943 wurde die strafrechtliche Verantwortlichkeit wiederum auf 12 Jahre herabgesenkt, "wenn der Schutz des Volkes wegen der Schwere der Verfehlung eine strafrechtliche Ahndung fordert". Auch war das allgemeine Strafrecht, damit in vielen Fällen auch die Todesstrafe, auf Jugendliche anzuwenden, wenn diese in ihrer Entwicklung über 18 Jahre alten Tätern gleichgestellt wurden und "wenn das gesunde Volksempfinden es wegen der besonders verwerflichen Gesinnung des Täters und wegen der Schwere der Tat fordert" (§ 20 Abs. 1). Die nationalsozialistische Strafideologie zeigt sich auch in Absatz 2 dieser Bestimmung, wonach das allgemeine Strafrecht anzuwenden war, "wenn der Jugendliche" – so die damalige für die gesamte Lebenszeit abstempelnde Formulierung – "ein charakterlich abartiger Schwerverbrecher ist und der Schutz des Volkes diese Behandlung fordert."

Diese Bestimmungen wurden mit dem Jugendgerichtsgesetz aus dem Jahre 1953 wieder rückgängig gemacht. Gleichzeitig wurden die sogenannten Heranwachsenden mit in das Jugendstrafverfahren hineingenommen. Trotz der (zivilrechtlichen) Volljährigkeit ab 18 Jahren kommen alle Angeklagten, die zum Tatzeitpunkt noch keine 21 Jahre alt waren, vor ein Jugendgericht. Dieses muß dann entscheiden, ob bei Heranwachsenden jugendstrafrechtliche Sanktionen oder das Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung kommen. Während bei Jugendlichen die strafrechtliche Verantwortlichkeit im Einzelfall geprüft werden muß, sind Heranwachsende wie Erwachsene – von ausnahmsweiser Schuldunfähigkeit abgesehen – immer strafrechtlich verantwortlich.

Das Jugendstrafrecht wird angewandt, wenn der Täter nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung zur Tatzeit einem Jugendlichen entsprach oder die Tat als eine "Jugendverfehlung" eingeordnet werden kann.

Zielsetzung

Das Jugendstrafrecht mißt der Erziehung eine zentrale Bedeutung bei, da die Straftaten junger Menschen meist entwicklungsbedingt sind und oft aus Konfliktsituationen ihres Alters resultieren." So lautete die Begründung des ersten JGG-Änderungsgesetzentwurfs 1989.

Dementsprechend gilt das Jugendstrafrecht traditionell als Erziehungsstrafrecht. Dem oder der Jugendlichen soll in Abweichung vom Erwachsenenstrafrecht im Hinblick auf die Entwicklung zum Erwachsenen jugendadäquat begegnet werden, was sowohl ein pädagogisch befähigtes Personal, ein besonderes Verfahren als auch entsprechende Reaktionen erfordert. Abschreckende Wirkungen dürfen mit dem Jugendstrafrecht nicht verfolgt werden.

Kritiker des Erziehungsstrafrechts sprechen demgegenüber von einer im Gesetz angelegten und von der Praxis verfolgten Erziehungsideologie, mit der der strafende Charakter des jugendgerichtlichen Verfahrens sowie der jugendrichterlichen Sanktionen geleugnet werde. Dies habe unter dem "Deckmantel" der Erziehung teilweise zu einer Benachteiligung Jugendlicher beziehungsweise Heranwachsender gegenüber erwachsenen Straftätern geführt. So sind beispielsweise die Rechtsmittelmöglichkeiten für Jugendliche aus "erzieherischen Gründen" eingeschränkt.

Übereinstimmung besteht darin, daß das Ziel staatlicher Strafmaßnahmen nicht der "gute Mensch" als Idealtypus sein darf, sondern daß alle Maßnahmen und somit auch die erzieherischen darauf gerichtet sein müssen, zukünftige Straftaten zu verhindern. Schädigende Wirkungen für die Entwicklung des Jugendlichen beziehungsweise Heranwachsenden sollen vermieden werden. Aus diesem Grunde sind die Dauer des Freiheitsentzuges im Jugendstrafrecht eingeschränkt und die Anordnung einer Untersuchungshaft an engere Voraussetzungen geknüpft, insbesondere müssen zuvor andere Maßnahmen ausgeschöpft sein.

Einigkeit besteht auch, daß gegen jugendliche Straftäter möglichst mit pädagogischen Sanktionen vorgegangen werden sollte, um sie so von weiteren Straftaten abzuhalten.

Verfahrensgestaltung

Das Jugendstrafverfahren ist wesentlich anders gestaltet als das allgemeine Strafverfahren:

  • So sollen nur erzieherisch befähigte und in der Jugenderziehung erfahrene Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte eingesetzt werden. Da es sich bei dieser Regelung jedoch – wie der Wortlaut schon verrät – nicht um eine zwingende Vorschrift handelt, entspricht die Wirklichkeit nicht immer dem Willen des Gesetzgebers.


  • Im gesamten Verfahren, insbesondere in der Hauptverhandlung ist die Jugendgerichtshilfe (in Sozialarbeit und Sozialpädagogik geschultes Fachpersonal des Jugendamtes sowie Vereinigungen der Jugendhilfe) heranzuziehen. Sie soll möglichst frühzeitig beteiligt werden, um an der Erforschung der Persönlichkeit des Jugendlichen mitwirken zu können und sich zu den zu ergreifenden Maßnahmen zu äußern.


  • Die Eltern und gesetzlichen Vertreter haben ein weitgehendes Mitwirkungsrecht.


  • Die Hauptverhandlung ist grundsätzlich nicht öffentlich.


  • Die Untersuchungshaft ist nur beschränkt zulässig und soll möglichst durch andere Maßnahmen ersetzt werden.


  • Die Pflichtverteidigung ist ausgeweitet; insbesondere muß für Jugendliche – hier bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres – bei Untersuchungshaft ein Verteidiger oder eine Verteidigerin bestellt werden.


  • Die Rechtsmittelmöglichkeiten sind im Jugendstrafverfahren reduziert, um das Verfahren zu einem schnellen Abschluß zu bringen.


  • Sanktionen in der Form von Erziehungsmaßnahmen und Zuchtmitteln (siehe unten) werden nicht in das Zentralregister und dementsprechend nicht in das Führungszeugnis aufgenommen; sie werden in ein sogenanntes Erziehungsregister eingetragen.


  • Der Vollzug der Jugendstrafe erfolgt in gesonderten Anstalten und soll jugendspezifisch gestaltet sein (siehe Kapitel "Strafvollzug"). Die Entlassung auf Bewährung ist frühzeitig möglich.

  • Jugendstrafrechtliche Sanktionen

    Das Jugendstrafrecht sieht im Unterschied zum Erwachsenenstrafrecht spezielle Sanktionen vor, mit denen erzieherisch auf jugendliche Straffällige eingewirkt werden soll. Um Jugendliche durch das Hauptverfahren möglichst wenig zu belasten, hat der Gesetzgeber die Einstellungsmöglichkeiten vor der Hauptverhandlung erweitert. Dies gilt insbesondere, wenn die Taten Bagatellcharakter haben und erzieherische Maßnahmen von anderer Seite bereits eingeleitet wurden. Zusätzlich kann das Verfahren in der Hauptverhandlung ohne eine Verurteilung eingestellt werden (vgl. hierzu auch "Diversion", S. 29). In erster Linie soll auf eine "Jugendstraftat" mit Erziehungsmaßnahmen reagiert werden. Zu diesen gehören zum Beispiel die Erbringung von Arbeitsleistungen, die Betreuung und Aufsicht durch einen Betreuungshelfer, die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs oder Verkehrsunterricht sowie Bemühungen um einen Täter-Opfer-Ausgleich. Auch kann die Weisung erteilt werden, bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen.

    Erst wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen, können sogenannte Zuchtmittel angewendet werden. Zuchtmittel sind insbesondere die Auflage der Schadenswiedergutmachung und die Zahlung einer Geldbuße. Daneben kann ein Arrest, das heißt Freiheitsentzug in einer besonderen Arrestanstalt von einem Wochenende bis maximal vier Wochen angeordnet werden.


    Jugendstrafrechtliche Sanktionen

    Die Effizienz des Arrestes ist angesichts einer Rückfallquote von 60 bis 70 Prozent umstritten. Dementsprechend wird heute den pädagogischen Sanktionen Vorrang vor repressiven Sanktionen eingeräumt. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes aus dem Jahre 1989 heißt es: "Es hat sich weiterhin gezeigt, daß die in der Praxis vielfältig erprobten neuen ambulanten Maßnahmen (Betreuungsweisung, sozialer Trainingskurs, Täter-Opfer-Ausgleich) die traditionellen Sanktionen (Geldbuße, Jugendarrest, Jugendstrafe) weitgehend ersetzen können, ohne daß sich damit die Rückfallgefahr erhöht." In empirischen Untersuchungen wurde eine geringere Rückfallgefahr festgestellt.

    Die Jugendstrafe ist die eigentliche Kriminalstrafe im Sinne des Jugendstrafrechts und bedeutet Freiheitsentzug in einer Jugendstrafanstalt. Bei Verbrechen, für die nach dem Erwachsenenstrafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, beträgt hier das Höchstmaß zehn Jahre. Eine Jugendstrafe von bis zu zwei Jahren soll grundsätzlich bei guter Prognose zur Bewährung ausgesetzt werden.

    Im Jugendvollzug werden die von den Jugendgerichten angeordneten Jugendstrafen vollzogen, auch dann, wenn die Verurteilten mittlerweile im Erwachsenenalter stehen. Allerdings sind hiervon Ausnahmen möglich. Eigenständige Regeln für den Jugendvollzug finden sich im Jugendgerichtsgesetz. Nach einer verbreiteten Ansicht genügen diese Bestimmungen nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an eine gesetzliche Ausgestaltung des Vollzugs; dementsprechend ist ein Jugendstrafvollzugsgesetz in Vorbereitung.

     

    Quellentext
    Entwicklung der Jugendkriminalität

    Zwei möglichen Mißverständnissen muß an dieser Stelle [...] vorgebeugt werden. Zum einen wäre es falsch zu glauben, daß die steigende Gewaltkriminalität unter Jugendlichen die Erwachsenen direkt bedroht. Diese Kriminalität bleibt nämlich in der Regel unter den Jugendlichen und Heranwachsenden, dort sind sowohl die Täter als auch die Opfer zu finden. Und nicht selten ist ein Täter ein anderes Mal das Opfer. Die Gefährdung älterer Menschen ab 60 Jahren etwa ist mit Ausnahme des Raubes (hierfür düfte der Handtaschenraub verantwortlich sein) bei allen Gewaltdelikten nach wie vor gering und auch beim Raub liegt sie noch unter dem Opferrisiko der Jugendlichen und der Erwachsenen bis 60 Jahre. Dennoch ist bei den älteren Menschen die größte Kriminalitätsfurcht vorhanden. Die Kriminologie hat dieses sogenannte Kriminalität-Furcht-Paradoxon wiederholt bestätigt. Daran wird deutlich, wie weit man sich vom tatsächlichen Kriminalitätsbild entfernen kann, wenn man in der Politik meint, man müsse sich nach der subjektiven Kriminalitätsfurcht in der Bevölkerung richten, anstatt verstärkte Bemühungen zu unternehmen, über Kriminalität sachlich aufzuklären. Vielleicht wäre es auch einmal an der Zeit, eine Debatte über unsere Kriminalitätswahrnehmung und den gesellschaftlichen Diskurs über Kriminalität zu führen. Zum anderen ist trotz des Problems steigender Jugendgewalt der Eindruck unzutreffend, es werde alles immer schlimmer. 1997 waren auch Erfolge zu verzeichnen: So ging die polizeilich erfaßte Gesamtkriminalität um 0,9 Prozent zurück (auf insgesamt 6586165 Straftaten), während gleichzeitig die Aufklärungsquote (das heißt der Anteil der aufgeklärten Taten an den bekanntgewordenen Delikten) mit 50,6 Prozent den besten Wert seit 1969 erreichte.

    Wegen der vielfältigen Umstellungen in der Erfassung der Kriminalität nach der Wende ist ein Vergleich der Daten über mehrere Jahre hinweg noch nicht möglich. Insofern kann die Darstellung nicht viel mehr als eine Momentaufnahme sein. Dabei zeigt sich, daß die Tatverdächtigenbelastungszahlen bei den ostdeutschen Jugendlichen und Heranwachsenden in etwa gleichem Maße zwischen 1994 und 1996 zugenommen haben wie die ihrer westdeutschen Altersgenossen, allerdings auf deutlich höherem Niveau. Die ostdeutschen Jugendlichen und Heranwachsenden sind relativ, das heißt bei Umrechnung auf die Bevölkerungsanteile, stärker mit Tatverdächtigen belastet, nämlich um etwa ein Drittel, [...] vor allem bei der Gewaltkriminalität fast durchgehend etwa doppelt so hoch wie die der westdeutschen Altersgenossen.

    Frank Neubacher, ",Trau' keinem unter 30!' – Wie bedrohlich ist die Jugendkriminalität wirklich?", in: Zeitschrift für Rechtspolitik 1998, S. 429 ff.


    Härtere Strafen?

    Angesichts des Anstiegs der Jugendkriminalität, gerade auch der Gewaltkriminalität wird zunehmend nach härteren Strafen gerufen. Auf den ersten Blick scheint dies die unverzichtbare Antwort auf diese gesellschaftliche Entwicklung zu sein: Mit Härte vor weiteren Straftaten abschrecken. Unabhängig von einer Relativierung der polizeilichen Zahlen (siehe oben Seite 6, 7) wird in den Fachwissenschaften eine solche Abschreckungswirkung verneint und statt dessen werden negative Folgen durch häufigeren und längeren Freiheitsentzug prognostiziert. In einer Resolution aus dem Jahre 1998, die von 55 Jugendstrafrechtsprofessorinnen und -professoren sowie Kriminologinnen und Kriminologen unterschrieben wurde, heißt es: "Härte als Antwort nutzt im Zweifel nichts". Auch die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage "Jugendstrafrecht und Präventionsstrategien" im Jahre 1997 unter anderem ausgeführt:

    "Der Bundesregierung liegen keine empirischen Erkenntnisse vor, daß durch eine härtere Bestrafung von Gewalttätern eine erhöhte generelle Abschreckungswirkung des Jugendstrafrechts gegenüber jungen Menschen erzielt werden kann". [...] "Der aktuelle Anstieg (der Kriminalität, Anm. des Verf.) kann nicht auf ein vermeintlich zu mildes strafrechtliches Vorgehen zurückgeführt werden". Jugendliche handeln gerade in Konfliktsituationen weniger vernunftbestimmt als gefühlsorientiert; sie denken nicht an die drohende Strafe, sie glauben vielmehr, daß sie nicht erwischt werden. Nur die Erhöhung des Entdeckungsrisikos kann offensichtlich abschrecken. Zuvorderst sind präventive Maßnahmen zu ergreifen.

    Prävention hat Vorrang

    Wir unterscheiden drei Arten von Prävention: Die Primärprävention, die Sekundärprävention und die Tertiärprävention. Die Primärprävention ist die Verinnerlichung von Werten und Normen, wie sie durch die Erziehung im Elternhaus, im Kindergarten oder in der Schule erfolgt, aber auch durch Jugendhilfemaßnahmen wie soziale Trainingskurse und sozialpädagogische Einzelbetreuung. Die Sekundärprävention ist die Veränderung von Gelegenheitsstrukturen. Hierzu zählt gerade auch die technische Prävention, aber auch die bessere Ausleuchtung von Straßen und Plätzen, die Einrichtung von Diskothekenbussen sowie von kostengünstigen Nachttaxis zur Verhinderung von Überfällen.

    Die Tertiärprävention ist die Gegensteuerung durch strafjustizielle Maßnahmen, das Einwirken auf den erwischten Täter zur Verhinderung einer Straftatwiederholung. Während bislang ganz überwiegend auf diese tertiäre Prävention gesetzt wurde, wird heute zunehmend Wert auf die Primär- und Sekundärprävention gelegt, weil die Effizienz der tertiären Prävention durch Strafrecht begrenzt ist:

  • Strafjustiz muß immer dem einzelnen Straftäter gerecht werden, darf nicht stellvertretend den einzelnen für die anderen, für die Nichterwischten bestrafen. Dies ist im sogenannten Schuldprinzip begründet.>/li>

  • Strafjustiz kommt immer zu spät. Die eingetretenen Verletzungen, Beschädigungen können nur zum Teil wieder beseitigt werden; Tote können nicht wieder lebendig gemacht werden.


  • Strafjustiz kann nicht die sozialen Probleme lösen, die hinter den Straftaten stehen; sie wird erst mit den Ergebnissen dieser sozialen Probleme konfrontiert.


  • Vorrang müssen somit die Primär- und die Sekundärprävention haben. Zur Primärprävention gehört auch die Medienerziehung. Wenn in dem zunehmenden Medienkonsum von Gewalt eine Ursache für die zunehmende Gewaltbereitschaft gesehen wird, müssen wir lernen, mit diesem Gewaltangebot umzugehen. Ein wichtiger Ansatz für Primärprävention liegt in den Schulen, zumal hier, auf dem Weg zur Schule bzw. von der Schule nach Hause sowie auf dem Schulhof zunehmend Gewalt ausgeübt wird. Gewalt muß zum Thema im Schulunterricht werden. Die Schulen müssen sich aber auch organisatorisch auf Gewalt und deren Verhinderung einstellen. Hier ist Pausenaufsicht gefragt, hier sind Vertrauenslehrkräfte gefordert. Wenn Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zur Schule belästigt oder erpresst werden, müssen im Zusammenwirken mit der Polizei und den Verkehrsbetrieben Schulbusbegleitungen organisiert werden. Sichtbare Erfolge vermittelt vor allem die Sekundärprävention, weil es leichter ist, die Umstände zu verändern als die Menschen. Hier bieten sich mit der technischen Prävention viele Möglichkeiten. Die elektronische Warensicherung in den Kaufhäusern bewährt sich zunehmend. Die elektronische Wegfahrsperre bei PKW hat zu einem erheblichen Rückgang des Autodiebstahls geführt. Allein von 1994 auf 1995 wurden 15,2 Prozent weniger Autodiebstähle registriert. Diese Bemühungen um Prävention müssen vor Ort, in der jeweiligen Kommune, anfangen. Obwohl die reisenden Täter zunehmen, kommen zirka zwei Drittel aus der jeweiligen Kommune. Fast alle jugendlichen Straftäter sind bereits im Kindergarten oder in der Schule aufgefallen. Hier müssen die Problemfälle erkannt und durch eine Aktivierung von Familien- und Jugendhilfe aufgefangen werden. Hierbei sind die Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel durch eine Wiederbelebung der Nachbarschaftshilfe mit einzubinden.
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