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22.10.2010

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FERNSEHEN: Der Alles-Wissen-Woller

Rolf Basedow, Drehbuchautor, recherchiert das Innenleben von Mafia und Polizei wie kein Zweiter

BERLIN - Es geht um die Details, sagt Rolf Basedow. Wie die Bewegungen, die Worte, die Gedanken in einer bestimmten Situation fießen. In langen Sitzungen mit Polizisten wie mit Kriminellen fragt der Drehbuchautor noch die letzte Geste ab. Die Realität kommt vor der Fiktion. „Ich möchte zuerst genau wissen, worüber ich schreibe.“ Rolf Basedow, 63, ein großer, freundlich schauender Mann mit grauen Locken, hat das Drehbuch geschrieben für „Im Angesicht des Verbrechens“. Der Zehnteiler (Regie: Dominik Graf) ist ab heute im Ersten zu sehen.

Basedow, ein langer, freundlich schauender Mann mit grauen Locken, wurde also von seinen Kontaktmännern in einen ukrainischen Wald geführt, und im Wald, das weiß ein erfahrener Fernsehmann, passiert selten Gutes. Es passierte dann aber gar nichts, außer einem langen, schönen Gespräch, von dem er heute noch gerne erzählt.

Wir sprechen in einem Lokal in Berlin-Charlottenburg. Um die Ecke liegen einige Schauplätze der Serie und Basedows Hotel. Er ist aus München angereist, wo er wohnt, um seine Berliner Polizeikontakte für ein neues Projekt zu nutzen. Kontakte hat er viele in der Stadt, spätestens seit dem Film „Hotte im Paradies“ von 2002. Regie, natürlich: Dominik Graf. Der Film über einen Berliner Zuhälter basierte auf dem Fachwissen der Charlottenburger Kiezgröße Steffen Jacob. Basedow hat ihn über ein Jahr getroffen und auch bei den Dreharbeiten betreut, wo Jacob sich in einer Nebenrolle selbst spielte. Die Hauptrolle übernahm Mišel Maticevic, der auch bei „Im Angesicht des Verbrechens“ in einer Hauptrolle als Restaurant-Betreiber und Mafia-Boss Mischa zu sehen ist.

„Hotte im Paradies“ war Rolf Basedows Eintrittskarte in die Szene. „Ohne diesen Film hätten wir nicht mit dir geredet“, sagten seine Gesprächspartner. Basedow, begleitet von einem Russisch-Dolmetscher, begab sich auf Feldforschung in einer unbekannten Welt. „Ich sauge mich quasi voll wie ein Schwamm“, sagt er, „und dann verarbeite ich alles zur Fiktion.“ Eine Fiktion übrigens, die auch bei der Mafia gerne geschaut wird: „Es war einmal in Amerika“ von Sergio Leone hätten seine Gesprächspartner geliebt. „Ehre bis in den Tod, das war sehr wichtig für sie.“

Das russische und russisch-jüdische Milieu in Berlin hat Basedow fasziniert – die Feste, „das war gleich wie großes Kino“. Der Rechercheur gerät ins Schwärmen: „Ein Freund hat mich mitgenommen zu einem Fest, da habe ich die russische Lebensfreude erlebt, ihre Herzlichkeit, die Gefühlswelt, die Melancholie, den Wahnsinn und ihre Verbundenheit.“ Der „Dreiklang von Erde, Himmel und Seele“, den er aus den Klassikern des russischen Kinos kannte, den Satz über Banditen, die „außen wie Geschosse und innen wie Blumen“ seien, alles das wollte er zum großen deutschen Mafia-Epos verdichten.

Eine Geschichte, deren Ursprünge in den 1990er Jahren liegen, als in Berlin das Geld zirkulierte, als die Stadt „mit großer krimineller Energie angefüllt“ war. Insofern ist „Im Angesicht des Verbrechens“ schon fast wieder ein historisches Produkt, eine Geschichte aber, die Dominik Graf kompromisslos ins Heute gesetzt hat. Eine Serie, die eigentlich ein Acht-Stunden-Film ist. Der in Mäandern und Verirrungen erzählt, der massenhaft lose Enden baumeln lässt und manche wieder zusammenbringt. „Man hat eine Vielzahl von Figuren, nicht alle brauchen ein Happyend“, sagt Rolf Basedow. „Einige von ihnen schaffen es, sich zu behaupten, andere straucheln. Es geht rauf und runter wie im Leben auch.“ Er nennt es die Befreiung aus den Handschellen der Dramaturgie des 90-Minuten-Films, hin zur Dramaturgie des Lebens. Wobei der Zuschauer oft erst einmal verwirrt sein mag, wenn er mehr Klischees als Geschichte erkennt.

Für Rolf Basedow aber ist „Im Angesicht des Verbrechens“, bei dem die Drehbücher fertig waren, bevor die produzierenden ARD-Sender einstiegen, ein Sieg über die „Erzählbürokratie“ der Fernseh-Apparate. Früher, sagt er, waren TV-Redakteure Mittler und Mutmacher. „Ich sehe wenige Gründe, warum sie es heute nicht sein sollten.“

Das ist, von diesem freundlichen, zurückhaltend sprechenden Mann, ein Angriff auf die Redaktions-Apparate, die alles in ihr Schema pressen wollen. Die Anstalten aber kennen die Kritik. ARD-Programmdirektor Volker Herres sagte bei der Vorstellung der Serie: „Wir trauen uns Ungewöhnliches zu, und wir haben den Mut zum langen Atem.“

Einer, der diesen Mut auf jeden Fall hat, ist Rolf Basedow, der nun ruhig und gelassen die Frage beantwortet, wie man sich bei Recherchen im kriminellen Milieu eigentlich absichert? „Man muss immer wissen, wer man selber ist“, lautet seine Grundregel. „Wenn man den Versuchungen dort erliegt, dann kann es heikel werden. Man muss seinem Gegenüber den nötigen Respekt zollen, aber wissen, dass man jemand von außen ist. Ich profitiere von ihren Geschichten und zahle auch dafür. Umsonst ist nur der Speck in der Mausefalle.“ (Von Jan Sternberg)


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