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Dr. W. Blankenfeldt
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AG Dr. W. Blankenfeldt

Strukturgestützte Untersuchungen zur Phenazin-Biochemie

In der modernen Strukturbiologie sind derzeit zwei Trends zu beobachten: auf der einen Seite werden immer komplexere Biomakromoleküle mit ständig wachsendem experimentellen Aufwand bearbeitet, auf der anderen Seite werden mit Hochdurchsatz-Methoden die räumlichen Strukturen von „einfachen“ Proteinen bestimmt, die sich nach standardisierten Verfahren untersuchen lassen.

Beide Richtungen gehen in der Regel von unterschiedlichen Voraussetzungen aus und unterscheiden sich in ihren experimentellen Unwägbarkeiten und der Erkenntnis, die aus einer Struktur gewonnen werden kann. Bei den komplexen Molekülen ist häufig die Funktion aus Untersuchungen mit anderen Methoden bekannt und kann mit Hilfe der Struktur erklärt werden. Der experimentelle Aufwand und damit die Gefahr des Scheiterns bei der Strukturanalyse sind jedoch hoch. Bei den Hochdurchsatz-Methoden ist die Situation meistens umgekehrt: zwar werden viele Strukturen bestimmt, oft ist jedoch die Funktion des Makromoleküls unbekannt, so dass die Struktur nur oberflächlich, z.B. anhand von Ähnlichkeiten zu anderen Makromolekülen, interpretiert werden kann.

Mit unserer Arbeit wollen wir einen Mittelweg zwischen beiden Welten beschreiten. Wir beschäftigen uns dazu mit einer Gruppe von bakteriellen Virulenzfaktoren, den Phenazinen. Obwohl die Beobachtung bakterielle Phenazinproduktion bereits in der wissenschaftlichen Literatur der 1850er Jahre beschrieben wurde und Phenazine eine wichtige Funktion für die Schwere von Infektionskrankheiten besitzen, sind Details ihrer Biosynthese und deren Regulation sowie molekulare Mechanismen zur Resistenz gegen diese Verbindungen nicht bekannt.

Wir versuchen, sowohl die räumlichen Strukturen als auch die chemische bzw. biologische Funktion der an diesen Prozessen beteiligten Proteine zu bestimmen. Dabei kommen neben der Proteinkristallografie viele andere analytische Methoden wie z.B. Massen- oder Kernresonanzspektroskopie zum Einsatz. Ziel unserer Arbeiten ist es, einen klaren Einblick in die molekularen Geschehnisse der untersuchten Fragestellungen zu erhalten und zu lernen, wie verschiedene Techniken optimal miteinander kombiniert werden können.

Phenazine

Phenazine sind stickstoffhaltige aromatische Verbindungen, die von vielen Mikroorganismen synthetisiert und in die Umwelt abgegeben werden. Fast 100 in der Natur vorkommende Phenazinderivate sind mittlerweile identifiziert, eine Auswahl ist in Abb. 1 gezeigt. Da Phenazine aufgrund ihrer Redoxeigenschaften Sauerstoff zum toxischen Superoxidradikal reduzieren können, haben sie auf andere Zellen eine antibiotische Wirkung. Die phenazinproduzierenden Bakterien erhalten dadurch einen kompetitiven Vorteil bei der Besiedlung ihres Lebensraums. Auch beim Menschen können Phenazine Gewebeschädigungen hervorrufen, wie z.B. das von Pseudomonas aeruginosa hergestellte Pyocyanin. P. aeruginosa ist ein opportunistisches Humanpathogen und führt bei fast allen Mukoviszidosepatienten zu chronischen Infektionen der Lunge. Diese Infektion ist häufig die Ursache für die geringe Lebenserwartung der betroffenen Personen, und es konnte kürzlich an Mäusen gezeigt werden, dass das Immunsystem P. aeruginosa besser bekämpfen kann, wenn die Pyocyanin-Produktion gestört ist.




Einige in der Natur vorkommende Phenazinderivate




Phenazin-Biosynthese

Die Phenazin-Biosynthese ist ein Nebenzweig der Biosynthese aromatischer Aminosäuren und wird in Pseudomonaden von den sieben Enzymen des phz-Operons (PhzA-G) katalysiert. Während die Funktion von PhzC, PhzD und PhzE aufgrund von Sequenzverwandtschaften bekannt ist, sind die Enzyme PhzA, PhzB, PhzF und PhzG nicht charakterisiert. Wir (und andere) konnten mit Hilfe der Röntgenstrukturanalyse und biochemischen Experimenten zeigen, dass PhzF eine Isomerase ist und die Verbindung trans-2,3-Dihydro-3-hydroxyanthranilat (DHHA) zu einem Keton (2) umlagert, das dann dimerisieren und so das Phenazingerüst (3) aufbauen kann.

Gegenwärtig arbeiten wir an Struktur und Funktion von PhzA, PhzB und PhzG. Unser momentanes Bild des Biosyntheseweges von Phenazinen ist in Abb. 2 gezeigt, eine Galerie der von uns bestimmten Phz-Enzyme bietet Abb. 3.




Momentanes Bild der Phenazin-Biosynthese


Strukturen, die in unserem Labor bestimmt worden sind


Dieses Projekt wird in Zusammenarbeit mit Dmitri V. Mavrodi und Linda S. Thomashow (Washington State University, Pullman, USA) sowie mit Rolf-Peter Breinbauer an der Universität Leipzig durchgeführt.

Phenazin-modifizierende Enzyme

Die gemeinsame Vorstufe aller in der Natur vorkommenden Phenazine ist bei Pseudomonaden Phenazin-1-Carboxylsäure (PCA), bei anderen Mikroorganismen auch Phenazin-1,6-Dicarboxylsäure (PDC). PCA oder PDC werden anschließend durch weitere Enzyme zu stammspezifischen Phenazinderivaten umgesetzt. Wir beschäftigen uns mit der Methyltransferase PhzM und der FAD-abhängigen Monooxygenase PhzS, die im humanpathogenen Pseudomonas aeruginosa PCA zu Pyocyanin derivatisieren (Abb. 4). Da Pyocyanin zu einer Schädigung menschlichen Gewebes führt und nachgewiesen wurde, dass das Immunsystem P. aeruginosa-Infektionen besser bekämpfen kann, wenn die Pyocyanin-Produktion eingeschränkt ist, könnten spezifische Inhibitoren gegen PhzM und PhzS als unterstützende Antiinfektiva verwendet werden.




Biosynthese von Pyocyanin


Dieses Projekt wird in Zusammenarbeit mit Dmitri V. Mavrodi und Linda S. Thomashow (Washington State University, Pullman, USA) durchgeführt.

Phenazin-Resistenz

Da Phenazine die Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies anregen und somit eine relativ unspezifische Zelltoxizität besitzen, müssen sich die phenazin-herstellenden Mikroorganismen selbst schützen. In Pseudomonaden ist wahrscheinlich eine besonders aktive Superoxid-Dismutase für den Schutz verantwortlich, das pflanzenbesiedelnde Bakterium Pantoea agglomerans hingegen besitzt auf seinem Phenazin-Operon ein Gen, das für die Resistenz verantwortlich ist. Wir arbeiten an der Struktur dieses Proteins EhpR, um den Mechanismus der Resistenzerzeugung zu verstehen (Abb. 5).




Struktur von EhpR im Komplex mit Griseoluteat


Dieses Projekt wird in Zusammenarbeit mit Khris Mahanty (University of Canterbury, Neuseeland) durchgeführt.

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© 2008, Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie, Dortmund