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02.08.2010

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Gräber-Skandal auf US-Nationalfriedhof Arlington
Gräber-Skandal in Arlington

Heilloses Durcheinander auf US-Nationalfriedhof

Wer das Grab von Präsident Kennedy besucht, kann sich sicher sein: wo JFK draufsteht, liegt der 1963 erschossene Präsident tatsächlich begraben. Doch in einigen Sektionen des Arlington National Cemetery vor den Toren Washingtons herrscht ein heilloses Durcheinander. Hatte eine Untersuchung der Army zunächst ergeben, dass in 211 Fällen die Grabsteine nicht zu den Bestatteten passen, gab eine Senatskommission nun bekannt: Mehr als 6000 Grabsteine sind mit falschen oder gar keinen Namen versehen.

Von Silke Hasselmann, MDR-Hörfunkstudio Washington

Freitagnachmittag, Arlington Cemetery vor der Sektion 54. Sie ähnelt vielen anderen Friedhofsabschnitten: auf leicht hügeliger Grünfläche, die eifrig gemäht wird, stehen weiße Grabsteine in Reih und Glied. Doch derzeit ist diese Sektion eingezäunt. Einige Steine liegen neben Erdlöchern. Man sieht, dass sie vorher darin gestanden haben. Der 17-jährige Shaun kommt aus Ohio und ist zum ersten Mal hier. Er hat von dem Durcheinander gehört. Doch er zuckt mit der Schulter: "Menschen machen Fehler." Es sei nicht entschuldbar. "Aber was willst Du machen? Du kannst nicht jeden wieder ausbuddeln."

Kaum ein Stein passt zum angegebenen Namen

Arlington Nationalfriedhof bei Washington (Foto: AP) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: "Du kannst nicht jeden wieder ausbuddeln:" Der Skandal um falsch beschriftete Gräber auf dem Nationalfriedhof bei Washington beschäftigt die US-Amerikaner. ]
Wrent Curlis steht vor dem Zaun. Der 55-Jährige aus Maryland kann es nicht fassen: "Unverzeihlich. Das hier ist ein nationaler Schrein." Ein entfernter Familienangehöriger von ihm liege hier. Eigentlich. Denn in diesem Bereich passt kaum ein Stein zum angegebenen Namen. Genau wie in den Friedhofsabschnitten 65 und 66. "Das schreit zum Himmel", empört sich Curlis." Bis hoch zum Chefinspekteur hatte doch niemand in der Friedhofsleitung eine Ahnung von dem, was sie hier taten. Sie gaben Abermillionen von Dollar aus, um die Akten und Namenskarten in eine Computerdatenbank zu speisen, bekamen aber nichts organisiert."

Organisierte Inkompetenz

Die Friedhofsleitung: Das waren 19 Jahre lang zwei Armeeveteranen, die einen Privatkrieg gegeneinander führten. Die Folge: Missmanagement und eine miserable Mitarbeitermoral. Dann stieg ab dem Jahr 2000 die Zahl der Beerdigungen erheblich, denn Amerika führte Kriege im Irak und in Afghanistan. Zudem begann die Generation der Welt- und Koreakriegskämpfer dahinzusterben.

Leider erreichte die organisierte Inkompetenz nun die kritische Masse: Die überfällige Umstellung der Aktenführung von Papierkarten auf Computer gelang nicht. Die in IT-Dingen unbeleckten Chefs spielten sich gegenseitig aus und ließen sich von privaten Auftragnehmern über den Tisch ziehen. Am Ende gab es zwar keine verwendbare Datenbank für die Namen der Begrabenen und ihre Liegeplätze. Doch 5,5 Mio Dollar waren verpulvert, etliche Papierakten durcheinander gewürfelt und die Übersicht, wer wo begraben liegt, verloren.

Arlington Nationalfriedhof bei Washington (Foto: AP) Großansicht des Bildes [Bildunterschrift: In Reih und Glied: Doch stimmen die Namen auch mit den Bestatteten überein? In mehr als 6000 Fällen in Arlington ist das nicht der Fall. ]

Ein Ehrenplatz wie dieser

Doch während sie in Kongress, Regierung und Medien einhellig von "Skandal!" sprechen, begegnet man auf dem Arlingtoner Friedhof vorrangig Besuchern wie Debbie McNeal aus Conncecticut. Der Mutter eines Irak-Soldaten tut es um die betroffenen Familienangehörigen leid. Aber bei der Masse an Neuzugängen, die zu bewältigen seien, könne so etwas schon mal passieren. "Ich hoffe, dass die Familien das größere Bild sehen: Das wichtigste ist doch, dass es einen Ehrenplatz wie diesen gibt."

Nicht so schlimm oder nationale Blamage?

Das sieht auch Herr Brettschneider aus Regensburg so, der seinen Enkeltöchtern die Gräber von Präsident Kennedy und Boxer Joey Lewis gezeigt hat und zu den 6000 falsch oder gar nicht markierten Grabstätten der Soldaten meint: "Was unter dem Gedenkstein liegt, ist ja letztlich doch anonym." Wichtiger sei das Gedenken an sich und der Personen, die zum Teil in drei verschiedenen Kriegen gewesen sind: im Zweiten Weltkrieg, im Koreakrieg und in Vietnam. "Die Gräber, die ich mir vorhin angeschaut habe, waren zum Beispiel von 1967. Also: die Identität der Einzelnen ist für mich nicht so wichtig. Aber es könnte natürlich sein, dass die Familienangehörigen irritiert sind."

Derweil hat Wrent Curtis beobachtet: Es regen sich nur die auf, die ihre Angehörigen hier haben. "Die allgemeine Öffentlichkeit sieht es zwar als nationale Blamage, aber ich bezweifle, dass das ein Gesprächsthema beim Grillen ist."

Audio: Skandal um US-Nationalfriedhof Arlington

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AudioSilke Hasselmann (MDR), ARD Berlin
 31.07.2010 03:04 | 3'35
Download Download des Audios: mp3-Format, Ogg Vorbis-Format
Stand: 31.07.2010 04:08 Uhr
 

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