Vertrag
zwischen dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein e.V., der Jüdischen
Gemeinschaft Schleswig-Holstein
(nachfolgend - bei Nennung beider - "die Verbände")
und dem Land Schleswig-Holstein
über die Förderung jüdischen
Lebens in Schleswig-Holstein


Gl.-Nr.: 2224.4

Fundstelle: Amtsbl. Schl.-H. 2005 S. 162


Bekanntmachung des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur

vom 1. Februar 2005 - III 324 - 3442 –



Das Land Schleswig-Holstein, vertreten durch die Ministerpräsidentin, diese vertreten durch die Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur,

der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein e.V. ,

und

die Jüdische Gemeinschaft Schleswig-Holstein ,

vertreten durch die satzungsmäßigen Vertreter,

schließen

•in dem Bewusstsein, für das jüdische Leben in Schleswig-Holstein eine besondere Verantwortung zu tragen, die aus der Geschichte Deutschlands erwachsen ist,

•in dem Bewusstsein des unermesslichen Leides, das die jüdische Bevölkerung in Deutschland und Europa erdulden musste, insbesondere der Vernichtung des jüdischen Lebens auch in Schleswig-Holstein,

•in dem Bestreben, das kulturelle Erbe des Judentums im Land zu wahren und zu pflegen,

•in dem Wunsch, das jüdische Gemeindeleben in Schleswig-Holstein zu fördern,

nachstehenden Vertrag:



Artikel 1
Glaubensfreiheit

Das Land gewährt der Freiheit, den jüdischen Glauben zu bekennen und auszuüben, im Rahmen der geltenden Gesetze staatlichen Schutz.



Artikel 2
Jüdische Feiertage

(1)
Folgende jüdische Feiertage sind kirchliche Feiertage im Sinne des § 2 Abs. 3 des Gesetzes über Sonn- und Feiertage:
1. Rosch Haschana - Neujahrsfest - 2 Tage - am 1. und 2. Tischri
beginnend am Vortage des 1. Tischri um 16.00 Uhr
2. Jom Kippur - Versöhnungstag - 1 Tag - am 10. Tischri
beginnend am Vortage um 16.00 Uhr
3. Sukkot - Laubhüttenfest - 2 Tage - am 15. und 16. Tischri
beginnend am Vortage des 15. Tischri um 16.00 Uhr
4. Schemini Azeret und Simchat Thora - Schlussfest und Thora-Freudenfest - am 22. und 23. Tischri
beginnend am Vortage des 22. Tischri um 16.00 Uhr
5. Pessach - Fest der ungesäuerten Brote/Überschreitungsfest
a)
2 Tage am 15. und 16. Nissan
beginnend am Vortage des 15. Nissan um 17.00 Uhr
b)
2 Tage am 21. und 22. Nissan
beginnend am Vortage des 21. Nissan um 17.00 Uhr
6. Schawuot - Wochenfest - 2 Tage - am 6. und 7. Siwan
beginnend am Vortage des 6. Siwan um 17.00 Uhr
(2)
Die Daten der Feiertage nach Absatz 1 beziehen sich auf den jüdischen Mondkalender unter Beachtung der allgemein geltenden Kalenderregeln.

Artikel 3
Friedhöfe

(1)
Das Land gewährt jüdischen Friedhöfen im Rahmen der geltenden Gesetze im gleichen Maße staatlichen Schutz wie Friedhöfen, die sich in kommunaler oder kirchlicher Trägerschaft befinden. Die Jüdischen Gemeinden der beiden Verbände sind berechtigt, nach Maßgabe der Gesetze neue Friedhöfe anzulegen und bestehende zu erweitern.
(2)
Das Land trägt weiterhin im Rahmen der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern neben den Leistungen nach Artikel 4 anteilige Kosten für die Pflege und Erhaltung der geschlossenen jüdischen Friedhöfe.

Artikel 4
Landesleistung

(1)
Das Land beteiligt sich an den Ausgaben des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein e.V. und der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein, die ihnen für in Schleswig-Holstein lebende Juden durch die Erfüllung von religiösen und kulturellen Bedürfnissen, durch die soziale Integration von jüdischen Zuwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion sowie durch Verwaltungsaufgaben entstehen, mit jährlich mindestens 357.900 € ab dem Haushaltsjahr 2005, vorbehaltlich der Zustimmung des Schleswig-Holsteinischen Landtages zum jeweiligen Haushaltsgesetz. Bei wesentlicher Änderung der Verhältnisse werden die Parteien über eine Anpassung der Landesleistung verhandeln.
(2)
Einen Anspruch auf die Landesleistung haben nur die genannten Verbände. Unmittelbare Ansprüche von jüdischen Gemeinden gegen das Land werden durch diesen Vertrag nicht begründet. Soweit eine jüdische Gemeinde vom Land beanspruchen sollte, dass es sich an den Ausgaben im Sinne des Absatzes 1 dieser Gemeinde beteiligen sollte, sind die beiden Verbände verpflichtet, das Land von diesen Ansprüchen freizustellen. Die Feststellung, wer eine Jüdische Gemeinde im Sinne des Vertrages ist, obliegt einvernehmlich den genannten Verbänden.
(3)
Die Landesleistung wird mit je einem Viertel des Jahresbetrages jeweils am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November gezahlt.
(4)
Die Landesleistung ist keine Zuwendung nach §§ 23, 44 der Landeshaushaltsordnung.
(5)
Die Landesleistung teilt sich folgendermaßen auf: der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein e.V. und die Jüdische Gemeinschaft Schleswig-Holstein erhalten je einen Sockelbetrag in Höhe von 10 Prozent der zur Verfügung stehenden Landesleistung. Der verbleibende Betrag wird zwischen den Verbänden im Verhältnis der ihnen zugehörigen Gemeindemitglieder aufgeteilt. Maßgebend ist die Gesamtzahl (jeweils auf 100 auf- bzw. abgerundet) der den Verbänden jeweils angehörenden Mitglieder der einzelnen Gemeinden, soweit sie ihren Hauptwohnsitz in Schleswig-Holstein haben, zum 31. Dezember des Jahres, das dem Jahr der Bezuschussung vorausgeht. Die Verbände sind zur Bekanntgabe der durch den Zentralrat der Juden in Deutschland schriftlich bestätigten maßgeblichen Mitgliederzahl an das Land verpflichtet. Bei wesentlicher Veränderung in der Relation der Mitgliederzahlen beider Verbände werden sich die Parteien auf eine angemesse Anpassung der Sockelbeträge verständigen.
Für das erste Vertragsjahr 2005 gilt folgende Regelung: Der Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein e.V. erhält 87.950 €, die Jüdische Gemeinschaft Schleswig-Holstein erhält 269.950 €.
(6)
Die Verbände legen jährlich, spätestens mit Ablauf des ersten Halbjahrs des neuen Geschäftsjahres, einen Geschäftsbericht vor, der auch die Verwendung der Landesleistung ausweist.
(7)
Dem Landesrechnungshof wird über die Verwendung der Landesleistung ein Prüfungsrecht eingeräumt.

Artikel 5
Zuwendungen für Baumaßnahmen

Bei der Errichtung von Gebäuden, die Kultus- und Seelsorgeaufgaben dienen, sowie bei wesentlichen baulichen Maßnahmen an solchen Gebäuden kann das Land im Rahmen seiner haushaltsmäßigen Möglichkeiten Zuwendungen gewähren, soweit die Verbände nicht in der Lage sind, die erforderlichen Mittel aufzubringen.



Artikel 6
Sonstige Zuwendungen

(1)
Für ihre Zwecke als Wohlfahrtsverbände wird den Verbänden die gleiche Förderung wie den anderen Trägern der Wohlfahrtspflege gewährt.
(2)
Zuwendungen an die Verbände zur Unterstützung ihrer NS-verfolgten Mitglieder bleiben von diesem Vertrag unberührt.

Artikel 7
Zusammenwirken

(1)
Die Vertragschließenden werden regelmäßige Gespräche zur Intensivierung ihrer guten Beziehungen führen.
(2)
Sie werden sich außerdem vor der Regelung von Angelegenheiten, die die gegenseitigen Interessen berühren, miteinander ins Benehmen setzen und sich jederzeit zur Besprechung solcher Fragen zur Verfügung stellen.
(3)
Die beiden Verbände werden regelmäßig Gespräche führen mit dem Ziel, über einen Zusammenschluss der Verbände zu einer einheitlichen Vertretung des jüdischen Lebens in Schleswig-Holstein zu kommen.

Artikel 8
Laufzeit

Der Vertrag hat eine Laufzeit von fünf Jahren. Er verlängert sich jeweils um drei Jahre, wenn er nicht von einem der Vertragsschließenden mit einer Frist von einem Jahr zum Ende des nächstfolgenden Kalenderjahres gekündigt wird.



Artikel 9
Geltungsbereich; Rechtsnachfolge

(1)
Die Beziehungen zwischen dem Land, dem Landesverband der jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein e.V. und der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein werden durch diesen Vertrag abschließend geregelt.
(2)
Werden den Verbänden jeweils die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen, so treten diese anstelle des jeweiligen Vereins, dem die Körperschaftsrechte verliehen worden sind, in die aus diesem Vertrag sich ergebenden Rechte und Pflichten ein.
(3)
Schließen sich die beiden Verbände zu einem zusammen, so tritt dieser anstelle der bisherigen Verbände in die aus diesem Vertrag sich ergebenden Rechte und Pflichten ein. Artikel 4 Abs. 5 ist in diesem Fall nicht anzuwenden.

Artikel 10
Schlussbestimmungen

Der Vertrag tritt am 1. Januar 2005 in Kraft. Er wird im Amtsblatt für Schleswig-Holstein bekannt gemacht.

Kiel, 25. Januar 2005



Für das Land Schleswig-Holstein

Für die Ministerpräsidentin

Ute Erdsiek-Rave

Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur



Für den Landesverband der Jüdischen
Gemeinden von Schleswig-Holstein e.V.



Walter Blender



Ljudmila Budnikov





Für die Jüdische Gemeinschaft

Schleswig-Holstein



Prof. Dr. Rolf Verleger



Igor Wolodarski





1. Protokollnotiz zu Artikel 4 Abs. 5:

Die Vertragspartner sind sich einig, dass Doppelmitgliedschaften in beiden Verbänden ausgeschlossen sein sollen.

2. Protokollnotiz zu Artikel 4 Abs. 5:

Die Vertragspartner sind sich einig, dass die erstmalige Feststellung der Mitgliederzahlen beider Verbände zum 30.06.2005 erfolgen soll.