Die Explosion muss kilometerweit über den Golf von Mexiko zu hören gewesen sein: Elf Männer der 126-köpfigen Besatzung der Ölbohrinsel "Deepwater Horizon" starben nach Angaben des Betreibers Transocean vermutlich sofort durch die Druckwelle und den Feuerball. Der Rest der Bohrmannschaft konnte evakuiert werden, viele davon allerdings zum Teil schwer verletzt.
Nach der menschlichen Tragödie droht nun eine Umweltkatastrophe: 36 Stunden später sank die Horizon am Donnerstag trotz der Löschversuche mehrerer Schiffe. Nun steht zu befürchten, dass sie eine gewaltige Ölpest verursacht, denn auf der Bohrinsel befanden sich rund 2,6 Millionen Liter Diesel als Treibstoff. Bereits gestern bildete sich ein Ölteppich mit einer Fläche von etwa acht mal eineinhalb Kilometer. Zu einer Katastrophe, die mit den schlimmsten Tankerunglücken vergleichbar ist, würde der Untergang der Deepwater Horizon aber erst, wenn sich herausstellt, dass die Ölquelle in 1500 Metern Tiefe undicht ist. Dann würden rund 1.500 Tonnen Öl pro Tag ausströmen.
Zum Vergleich: Beim Untergang der Exxon Valdez vor Alaska gelangten 1989 rund 40.000 Tonnen Öl ins Meer. Diese Menge wäre bei einem Leck am Meeresgrund nach etwa einem Monat erreicht. Gestern gab es widersprüchliche Angaben dazu, ob am Bohrloch Öl austritt, zuletzt zitierte der US-Sender CBS einen Admiral der Küstenwache, der sagte, im Augenblick trete kein Öl aus. Derzeit schwebe die Bohrinsel noch knapp unter der Wasseroberfläche. Versinkt sie, könnte sie beim Aufschlag auf den Meeresboden die Ventile beschädigen.
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Bohrinsel explodiert und versinkt
Noch ist weitgehend unklar, wie es zu dem Unglück kommen konnte. Beim britischen Ölgiganten BP, der die Plattform gemietet hat, tappt man noch im Dunkeln. Ein Sprecher in London sagte, es handele sich um einen "extrem unwahrscheinlichen Vorfall, dessen Ursache wir noch nicht kennen". Entgegen erster Meldungen sei das Unglück nicht beim Anbohren geschehen, sondern beim Verschließen des Bohrlochs nach einer Probebohrung.
Dabei geschehe es häufig, dass der Druck plötzlich stark zunehme. Doch für diesen Fall gebe es Notventile, die verhindern, dass das Öl- und Gasgemisch aus dem Bohrloch durch das Gestänge nach oben steigt. "Das Ventil hat offenbar versagt", so der Sprecher. Das Resultat war ein gefürchteter "Blow-Out", das herausspritzende Gemisch hat sich offenbar sofort entzündet. Bei BP bereitet man sich auf das Schlimmste vor und hat eine große Rettungsaktion angefahren. 32 Schiffe sind unterwegs zum Unglücksort, um Öl von der Meeresoberfläche abzupumpen. Sie haben über 150 Kilometer Sperrgerät dabei, um die Ausbreitung des giftigen Teppichs zu verhindern.
Unglücke bei BP haben sich in den vergangenen Jahren gehäuft. 2005 starben bei einer Explosion in einer texanischen Raffinerie 15 Menschen. 2006 stellte sich heraus, dass die Alaska-Pipeline schlecht gewartet wurde und Lecks aufwies. Der BP-Sprecher betonte gestern: "BP hat nicht nur die Insel, sondern auch die Bohrmannschaft gemietet." Das sei "nicht wie bei einem Mietwagen, sondern wie bei einem Taxi. Wir tragen nicht die direkte operative Verantwortung."
Für US-Präsident Barack Obama kommt der Untergang der Deepwater Horizon zur Unzeit. Ende März hatte er trotz lautstarker Proteste von Umweltschützern Offshore-Ölbohrungen vor der Küste Virginias zugelassen. Bislang ist das vor einem großen Teil der US-Küsten verboten, doch aufgrund der hohen Ölpreise war der Druck gewachsen, neue eigene Vorkommen zu erschließen.