50Hertz Transmission GmbH

Die Geschichte des Übertragungsnetzes in Nord-Ostdeutschland

 

Beginn der Elektrifizierung in Deutschland

Technisch bedingt, begann die Elektrifizierung anfänglich nur in der unmittelbaren Umgebung der Stromerzeugungsmöglichkeiten in Form von Versorgungsinseln. So entstanden in Deutschland bis zum Beginn des ersten Weltkrieges 4040 Unternehmen mit einer installierten Leistung von insgesamt 2096 MW, d.h. durchschnittlich 500 kW je Werk.

 
Zu Beginn des Stromzeitalters wurden einzelne Kraftwerke isoliert errichtet. Mit der zunehmenden Industrialisierung wurden die Kraftwerke verbunden: Das Verbundnetz entstand. Seitdem werden die Kunden auch dann mit Strom versorgt, wenn ein Kraftwerk in ihrer unmittelbaren Umgebung nicht zur Verfügung steht. Schwankende Nachfrage oder extreme Wettersituationen werden mittels des Netzes und der vorgehaltenen Kraftwerksreserven beherrscht.

Das Stromnetz in Deutschland besteht aus drei Ebenen. In der obersten Ebene, den überregionalen Übertragungsnetzen, wird der Strom mit Höchstspannung von 220.000 Volt beziehungsweise 380.000 Volt von den Großkraftwerken über große Entfernungen zu den Verbrauchsschwerpunkten übertragen. Je höher die Spannung ist, desto weniger Stromwärmeverluste treten auf.

Direkte Kunden der 50Hertz sind die Betreiber der in das Übertragungsnetz einspeisenden Kraftwerke und Windparks, Bilanzkreis- sowie EEG- und KWKG-Kunden. Vor allem aber beliefert das Übertragungsnetz die in der Regelzone ansässigen und direkt angeschlossenen Verteilnetzbetreiber der regionalen Stromversorgungsunternehmen. Deren Netze stellen die zweite Ebene dar und verteilen den Strom in einem größeren Gebiet, wo er in die dritte Ebene der lokalen Netze eingespeist wird.

Nord-Ostdeutsche Regionen und Übertragungsnetzaktivitäten

 
Hamburg
1887 errichtete die Stadt eine Zentralstation für die öffentliche Stromversorgung. 1894 ging das Werk an die neu gegründete Aktiengesellschaft „Hamburgische Electrizitätswerke“ (HEW). Diese dehnte die Stromversorgung nach und nach auf die Vororte aus. 1903 wurde die Erzeugung von Drehstrom mit einer Spannung von 5 kV eingeführt, die mit dem Gleichstromnetz über Umformer gekuppelt wurde. Der dadurch mögliche Ausgleich von Belastung und wirtschaftlicher Erzeugungsmöglichkeit ist ein frühes Beispiel für den Verbundgedanken im eigenen Unternehmen. 1914 beteiligte sich der Hamburgische Staat zu 50% am Aktienkapital der HEW. Das Versorgungsgebiet wurde auf das gesamte Hamburgische Staatsgebiet ausgedehnt. Bis 1944 wurde das Netz der HEW als Inselnetz betrieben.

1988 übernahmen die HEW die Mehrheitsbeteiligung an der Hamburger Gaswerke GmbH.

Berlin
1915 gründete die Stadt als Betreiber die Berliner Städtische Elektrizitätswerk AG (BEWAG). Von 1919 bis 1929 wurden die Kraftwerke Charlottenburg, Klingenberg und Rummelsburg umgebaut bzw. erweitert und in Charlottenburg eine Dampfspeichermaschine gebaut. 1929 begann der Bau des Großkraftwerks West, später Kraftwerk Reuter. Den beiden getrennt gefahrenen 6-kV-Netzen für die Stromverteilung wurde ein 30-kV-Netz überlagert, in dem alle Kraftwerke zusammengeschlossen waren. Die Berliner Kraft- und Licht-Aktiengesellschaft (BKL), welche in den 30ern entstand, wurde 1934 mit der BEWAG zur Berliner Kraft- und Licht (BEWAG)-Aktiengesellschaft zusammengefasst.

Bis 1993 betrieb die Bewag das Stromnetz des ehemaligen West-Berlins als Inselnetz nach UCTE-Kriterien, wofür der Bau zahlreicher Kraftwerke im Stadtgebiet nötig war. Im ehemaligen Kraftwerk Steglitz betrieb die Bewag AG von Mitte der 80er bis Anfang der 90er Jahre einen Akkumulatorenpuffer zur Überbrückung von Lastspitzen.
Die Bewag gehört zum schwedischen Vattenfall-Konzern und wurde am 1. Januar 2006 in Vattenfall Europe Berlin umbenannt.

Brandenburg
Unter Führung der Firmen AEG und Siemens begann ab 1909 der Aufbau der Stromversorgung in der Mark Brandenburg. 1915 wurde das Märkische Electricitätswerk (MEW) seitens der Provinzialverwaltung zu einer allgemeinen Landesversorgung ausgebaut. Ab 1930 übernahm MEW durch Aktientausch die Aufgabe der Landesversorgung von Brandenburg, Pommern, Mecklenburg und der Grenzmark.

Sachsen
1912 gründeten 50 Gemeinden und Gemeindeverbände den Verband der im Gemeindebesitz befindlichen Elektrizitätswerke (Elektroverband). Der Staat erklärte die Elektrizitätsversorgung zur Staatsaufgabe, da der Elektroverband seine Pläne zum Bau von Kraftwerken und Hochspannungsleitungen nicht durchführen konnte. 1915 wurde die Direktion der Staatlichen Elektrizitätswerke (ELDIR) errichtet. 1923 wurden die ELDIR in die AG Sächsische Werke (ASW) umgewandelt. Alleiniger Aktionär blieb der Staat. 1935 hatten die 110-kV-Leitungen der ASW bereits eine Systemlänge von 695 km.

Thüringen
Durch eine Vielzahl von Regionalwerken war in der Verteilungsebene in Thüringen die Zersplitterung besonders groß. Das Netz der Thüringischen Landeselektrizitätsversorgungs-AG (Thüringenwerk) betrieb das Großkraftwerk Erfurt, das Kraftwerk der Saal-Talsperre Bleiloch und ein Wasserkraftwerk an der Werra. Mit der ASW und der Preußenelektra wurden Strombezugsverträge abgeschlossen.

Sachsen-Anhalt
Die Elektrizitätswerk Sachsen-Anhalt AG wurde 1917 unter maßgebender Beteiligung der Deutschen Continental-Gesellschaft in Dessau und des Provinzialverbands Sachsen gegründet. Ab Januar 1922 lieferte das Kraftwerk Zschornewitz Strom für Magdeburg über die neue 110-kV-Leitung Zschornewitz-Dessau-Magdeburg. In den folgenden Jahren wurde eine Hochspannungsleitung Großkaina-Mansfeld-Nachterstedt errichtet. 1927 kam die Querverbindung Nachterstedt-Förderstedt hinzu, womit der 110-kV-Ring geschlossen werden konnte.

Entwicklung des Verbunds in der DDR

 
Zum Ende des Jahres 1975 bestand in der DDR ein Höchstspannungsnetz mit mehr als 7600 km Systemlänge, davon 1400 km mit 380 kV. In 35 Umspannwerken standen 12000 MVA (Megavoltampere) in 110/120 kV und 5500 MVA in 220/380 kV zur Verfügung. Bis zur politischen Wende im Jahr 1990 wurde das Verbundnetz der DDR auf eine Systemlänge von 4312 km in 380 kV und 6416 km in 220 kV, davon 680 km für 380 kV konzipiert, ausgebaut. Es bestanden 16 Umspannwerke bzw. Schaltanlagen mit einer Oberspannung von 380 kV und 39 mit 220 kV Oberspannung. Alle Leitungen wurden als Doppelleitungssysteme ausgelegt, bei starrer Erdung.

Entwicklung nach der Wende

 
Aufgrund des sogenannten Stromvertrages vom 22. August 1990 zwischen der DDR-Regierung, der Treuhandanstalt und den großen westdeutschen Verbundunternehmen, Preussen-Elektra AG, Rheinisch-Westfälisch Elektrizitätswerke AG und Bayernwerk AG sowie den fünf kleineren Unternehmen Badenwerk, BEWAG, EVS, HEW und VEW wurde am 12. Dezember 1990 die Vereinigte Energiewerke AG als neues Verbundunternehmen von der Treuhand gegründet. In der VEAG wurden im Februar 1991 die ostdeutschen Kraftwerke, im Jahr zuvor aus den volkseigenen Kombinaten Braunkohlekraftwerke in die Vereinigte Kraftwerks AG, Peitz umgewandelt, sowie das Verbundnetz, bestehend aus Verbundnetz Elektroenergie AG Berlin, die aus dem volkseigenen Kombinat Verbundnetze Energie und der staatlichen Hauptlastverteilung entstanden war, zusammengefasst. Die Geschäftsbesorgung bei der VEAG erfolgte durch die Preussen-Elektra, die RWE und das Bayernwerk.

Im Jahr 1994 wurde die VEAG dann an ein Unternehmenskonsortium bestehend aus den sieben westdeutschen Energieversorgern für vier Milliarden DM verkauft. Die Unternehmen Preussen-Elektra, Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke und Bayernwerk waren daran mit 75% beteiligt, 25% bekam die EBH, eine Holding in Besitz von BEWAG, VEW, Badenwerk, EVS und HEW. Der Verkaufspreis betrug allerdings nur ungefähr eine Milliarde DM, da nicht betriebsnotwendiges Vermögen in Höhe von 3 Milliarden DM in die am 1. Januar 1994 von der Treuhand gegründete VEAG Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH übergegangen war.

Im Jahr 2001 erwarben schließlich die Hamburgischen Electricitäts-Werke, seit 2000 eine Tochtergesellschaft von Vattenfall, die Aktienmehrheit der VEAG. EON und RWE erzielten für ihre Anteile an der VEAG und der LAUBAG einen Erlös von 2,9 Milliarden DM. Im September 2002 wurde die VEAG zusammen mit den Unternehmen HEW, LAUBAG und BEWAG in der neuen Gesellschaft Vattenfall Europe verschmolzen. Bereits im Juni 2002 wurde das Übertragungsnetz als erste Tochtergesellschaft der Vattenfall Europe aus der VEAG ausgegründet. Den anfänglichen Pachtverträgen für das Übertragungsnetzeigentum in Hamburg und Berlin folgte im Jahre 2006 der sogenannte Assetübergang an die VE Transmission GmbH.

Im Jahr 2008 gab die Vattenfall Europe AG bekannt, sich von seinem Übertragungsnetz trennen zu wollen. Seitdem steht VE Transmission zum Verkauf. Am 5. Januar 2010 wurde das Unternehmen in 50Hertz Transmission GmbH, kurz 50Hertz, umbenannt.

Quelle: Bausteine für Stromeuropa, Eine Chronik des elektrischen Verbunds in Deutschland, Artur Schnug und Lutz Fleischer, Deutsche Verbundgesellschaft (DVG), November 1999