Dubai
Mord in Zimmer 230
Von Rainer Hermann und Hans-Christian Rößler, Abu Dhabi/JerusalemFotos Mabhuhs bei dessen Beerdigung Ende Januar
17. Februar 2010
Die Überwachungskameras waren Zeuge. Sie hatten die Mordverdächtigen während ihres knapp eintägigen Aufenthalts in Dubai aufgenommen - am Flughafen bei der Ein- und Ausreise, in den Hotels, an verschiedenen Orten der Stadt. Die Filme zeigen auch, wie der Palästinenser Mahmud Mabhuh am 19. Januar um 20.24 Uhr zum letzten Mal die Lobby seines Hotels in Dubai betreten hatte und wie seine mutmaßlichen Mörder - zehn Männer und eine Frau - um 20.46 Uhr das Hotel kurz nacheinander und fast unauffällig verließen.
Was zunächst wie ein natürlicher Tod aussah, entpuppte sich schließlich als Auftragsmord an dem Gründer der gefürchteten Izeddin-Brigaden der radikalen islamistischen Palästinenserorganisation Hamas. Fast einen Monat lang arbeitete die Polizei von Dubai an dem Fall, bis sich ihr Chef Dahi Chalfan Tamim an die Öffentlichkeit wandte, Fotos der Tatverdächtigen zeigte und den Tathergang rekonstruierte.
Sie erwarteten ihn in Dubai
Ein Überwachungsvideo zeigt zwei der elf Verdächtigen
Demnach waren die elf, alle ausgestattet mit europäischen Pässen, professionell vorgegangen. Von verschiedenen Flughäfen Europas waren sie am Abend des 18. Januar nach Dubai geflogen. Einige trugen falsche Bärte, andere große dunkle Sonnenbrillen und Hüte, einer trug eine Perücke. In Dubai teilten sie sich in fünf Gruppen auf und checkten in verschiedene Hotels ein. Vier Gruppen sollten beobachten und überwachen, die fünfte sollte Mabhuh töten. Sie zahlten stets bar und benutzten keine Kreditkarten, hatten keine Waffen bei sich und telefonierten nicht mit Mobilfunkgeräten. Stattdessen setzten sie Telekommunikationsgeräte ein, die in den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht benutzt würden, sagte Tamim. Was sie sich mitteilten, sei verschlüsselt gewesen. Zwei Stunden nach der Tat hätten alle elf das Land schon wieder verlassen.
Verdacht hatte da noch keiner geschöpft. Mabhuh war schon tot. Erst um 15.20 Uhr war er an diesem Nachmittag aus Damaskus kommend in Dubai eingetroffen. Schon in der syrischen Hauptstadt, wo Mabuh seit 1989 lebte, waren ihm die elf offenbar schon auf den Fersen. Nun erwarteten sie ihn in Dubai. Mabhuh checkte unter falschem Namen im Hotel "Al Bustan Rotana" im Stadtteil Garhoud ein, nicht weit vom Flughafen. Er erhielt Zimmer 230. Mabhuh dürfte nicht bemerkt haben, dass ein Mann, der sich als Peter Elvinger und französischer Staatsbürger ausgab, neben ihm an der Rezeption stand und gleich nach ihm das Zimmer 237 auf dem selben Stock zugeteilt bekommen sollte. Eine Stunde ruhte sich Mabhuh auf seinem Zimmer aus. Dann machte er sich allein und ohne Leibwächter zu einem Gang durch die Stadt auf. Er traf Palästinenser aus Gaza und kaufte ein Paar Schuhe, wie Polizeichef Tamim anmerkte. Ein wenig kannte sich Mabhub in der Stadt aus. Im Mai 2009 hatte er sich in Dubai medizinisch behandeln lassen.
Dubai bereitet Haftbefehle vor
Die Mutter Mabhuhs trauert um ihren Sohn
Als er um 20.24 Uhr sein Hotelzimmer wieder betrat, war zumindest einer der Täter schon in sein Zimmer eingedrungen. Die Täter hätten ihrem Opfer wahrscheinlich zuerst einen Elektroschock versetzt und es danach erstickt, sagte der Polizeichef. Geschickt hätten sie den Raum so arrangiert, dass es zunächst nach einem natürlichen Tod ausgesehen habe. Sie hätten es so eingerichtet, dass das Zimmer, nachdem sie es verlassen hatten, von innen verriegelt war. Der Weg zum Flughafen war nicht weit. Der Polizei sei bekannt, wohin jeder einzelne geflogen sei, sagte Polizeichef Tamim. Zehn reisten nach Europa aus, einer flog nach Hongkong.
Der als Koordinator des Mordes beschriebene Elvinger etwa sei über Qatar nach München gereist. Dort muss er angekommen sein, bevor am 20. Januar das Hotelpersonal den toten Hamas-Führer fand. Sechs der Mordverdächtigen sind mit einem britischen Pass gereist, drei mit einem irischen. Dazu der Franzose Elvinger und ein deutscher Staatsbürger, der sich als Michael Bodenheimer ausgab. Gegen sie alle bereite Dubai Haftbefehle vor, kündigte der Polizeichef an. Zwei Palästinenser, die in Dubai leben und dem Kommando assistiert haben sollen, sind schon festgenommen worden.
Trauerfeier unter der Flagge der Hamas
Trotz aller Vorsicht entfuhr es dem Dubaier Polizeichef, dass sehr wohl der israelische Geheimdienst Mossad hinter dem Mord stecken könne. Der Mossad, sagte er, führe ja in vielen Ländern Morde durch, auch in befreundeten, und der Mord in dem Hotel ähnele einer Hinrichtung durch den Mossad.
"Sie sehen aus wie Itzik aus dem Kibbuz"
Offiziell hat in Israel bislang niemand zum Tode Mabhuhs Stellung genommen. Aber ausführlich berichteten die Zeitungen mit den von der Dubaier Polizei präsentierten Fotos der Tatverdächtigen auf den Titelseiten - solange Journalisten aus ausländischen Medienberichten zitieren, bekommen sie in Israel keine Schwierigkeiten mit dem Militärzensor. Neugierig und fast ein wenig belustigt reagierten Fachleute auf die Bilder der Tatverdächtigen aus Dubai. "Sie sehen aus wie Itzik aus dem Kibbuz", sagte der Geheimdienstkenner Ronen Bergmann am Dienstag.
Es ist bekannt, dass man in Israel mit dem getöteten Hamas-Mann seit vielen Jahren noch eine Rechnung offen hatte. Der 1960 im Flüchtlingslager Dschabalija im Gazastreifen geborene Palästinenser wurde in Israel beschuldigt, während der ersten Intifada 1989 daran beteiligt gewesen zu sein, zwei israelische Soldaten zu entführen und zu ermorden. Israelische Soldaten und Agenten töteten oder verhafteten später die meisten palästinensischen Tatverdächtigen. Auch Mabhuhs Familie berichtete, dass es in der Vergangenheit mehrere Versuche gegeben habe, ihn zu ermorden. Mabhuh setzte sich jedoch offenbar rechtzeitig aus Gaza nach Syrien ab.
Besonders seit Beginn der zweiten Intifada im Jahr 2000 soll er eine wichtige Rolle beim Schmuggel von Waffen und Munition von Iran in den Gazastreifen gespielt haben. Nach israelischen Presseberichten hatte er auch den Konvoi organisiert, der Anfang 2009 in der sudanesischen Wüste aus der Luft angegriffen worden war. Die Lieferung soll für die Hamas in Gaza bestimmt gewesen sein; in Sudan bezichtigte man die israelische Luftwaffe des Angriffs auf den Konvoi. An dem Tag, an dem Mabhuh tot aufgefunden wurde, hatte er nach Darlegung des Dubaier Polizeichefs über Sudan nach China weiterreisen wollen; und nicht nach Iran, wie zuvor spekuliert worden war.
Kein Mord ohne Spuren
Dass die israelischen Geheimdienste in den vergangenen Jahren verstärkt im Ausland gegen die Hamas und ihre Unterstützer in Teheran aktiv geworden sind, hatte am Wochenende die britische Zeitung "Times" unter Berufung auf arabische Quellen berichtet. In den vergangenen Jahren kam es tatsächlich zu einer Serie von eigenartigen Unfällen und Computerzusammenbrüchen in iranischen Atomanlagen, es stürzten Flugzeuge der Revolutionsgarden ab. In Syrien, das mit Iran verbündet ist, gab es eine verheerende Explosion in einer gemeinsam betriebenen Raketenfabrik; im September 2007 zerstörten israelische Kampfflugzeuge eine Atomanlage, die vor ihrer Fertigstellung stand. Zudem kam im Februar vor zwei Jahren der Militärchef der Hizbullah-Miliz Imad Mughniyeh in Damaskus bei einem mysteriösen Bombenanschlag um. Wenige Monate später fiel auch General Suleiman, ein Vertrauter des syrischen Präsidenten Assad, einem Attentat zum Opfer. Suleiman spielte eine wichtige Rolle bei den Kontakten Syriens zu Iran und zur Hizbullah. Angesichts dieser Bilanz bezeichnete eine ägyptische Zeitung den Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Meir Dagan schon als den "Supermann Israels".
Dubais Polizeichef Tamim dürfte für solches Lob wenig übrig haben. Er kündigte an, entschlossen gegen jene vorzugehen, die mit politischen Morden den Frieden in Dubai störten. Im März war in Dubai der ehemalige tschetschenische Warlord Sulim Jamadajew ermordet aufgefunden worden. Eine Woche nach dem Mord klagte die Polizei von Dubai den tschetschenischen Politiker Adam Delimchanow an, den Mord vorbereitet zu haben. Dubai werde es nicht zulassen, ein Austragungsort für blutige Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen zu werden, sagte Tamim.
In Israel rufen die als überraschend professionell gewürdigten Ermittlungen der Polizei in Dubai Beunruhigung hervor. Denn sie zeigten, dass Agenten, egal woher sie kommen mögen, nach einem professionell ausgeführten Mord heutzutage nicht mehr einfach verschwinden können, ohne Spuren zu hinterlassen. "Je mehr Kameras, Computer und digitale Netzwerke es gibt, desto schwieriger ist es, der Überwachung zu entkommen. Manchmal ist dann der Unterschied zwischen Jäger und Gejagten nur noch sehr klein", stellte am Dienstag die Zeitung "Haaretz" fest.
F.A.Z.
REUTERS, AFP
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