Zur Ausstellung in den Technischen Sammlungen
der Stadt Dresden

Ermenegildo Antonio Donadini (1847–1936)
Autobiographische Sequenzen
Glasnegative des Ermenegildo Antonio Donadini kamen in den 1980er und 1990er Jahren in den Besitz der Deutschen Fotothek der Sächsischen Landesbibliothek Dresden. Für die Kalenderserie „Photographie in Dresden“ der Elbhang-Photo-Galerie wurden sie gesichtet und eine Ausstellung mit Abzügen gestaltet. Das Leben dieser Persönlichkeit war schillernd und von Fleiß, königlicher Protektion und glücklichen Umständen beeinflußt. Nach Ausbildung und ersten Berufsjahren in Graz, Wien, München und Venedig kam er als Professor an das Österreichische Museum für Kunst und Industrie nach Wien. Er lernte das sächsische Königspaar Carola und Albert kennen und wurde wenige Jahre später nach Dresden berufen. Hier erlebte er als Professor an der Kunstgewerbeschule seine beruflichen Höhepunkte. In einer Autobiographie schildert er diese spannenden Jahre und seine Auseinandersetzungen, woraus wir Auszüge veröffentlichen:

Originale Visitenkarte.

Bekanntschaft mit Dresden
„In Wien wurde ich eines Tages von dem Oberhofmeister Grafen Toliot de Greneville auf Befehl des Kaisers nach der Hofburg beordert. Im Cabinett des Kaisers wurde ich dem König Albert von Sachsen und der Königin Carola vorgestellt, welche von einer Reise aus dem Süden zurückkehrten und den Wiener Hof besuchten. Der Kaiser und die Kaiserin baten mich die Bilder der Königin Carola zu besichtigen, die sie auf der Reise gemalt hatte. Die Königin Carola bat mich um Urteil und Ratschläge, welche ich erteilte und die von ihr sehr günstig aufgenommen wurden, denn sie sagte, es sei schade, daß sie sich nicht immer Rat holen könne bei mir, da Dresden zu weit von Wien entfernt sei. Ich sagte, Majestät nichts ist unmöglich, vielleicht komme ich doch noch nach Dresden, denn es gefällt mir hier nicht. – Ich deutete die Verhältnisse an.
Ich wurde 1880 durch König Albert nach Dresden berufen und erhielt die Professur als Leiter des Ateliers für allgemeine figürliche Malerei und Theaterdekoration an der Königlichen Kunstgewerbeschule zu Dresden.
Ich wohnte mit Familie in Dresden 1/2 Jahr im Hotel Weber, dann Ammonstraße 80, gegenüber der 8. Bürgerschule, bei Konsul Harlau, einem Freund Schreitmüllers. Dresden gefiel uns sehr. Ich hatte in der Audienz bei der Königin mein Eintreffen in Dresden mit den Worten eingeleitet: ,Majestät, jetzt ist die Entfernung Dresden-Wien überbrückt, auf die Majestät am Wiener Hofe mich hinwiesen. Ich stehe jetzt mit Rat und Tat zur Verfügung.‘ Die Königin bat mich sofort, ihr Lehrer zu werden.“




Familienfeier im Sommerhaus in Radebeul-Zitzschewig, Rietzschkegrund (3. v. l. E. A. Donadini).
Foto: Archiv Gerhard Butze


Beziehungen zum Königshaus
„Die Königin Carola war sehr huldvoll. Sie ließ mich immer mit einer Hofequipage abholen, damit ich keinen längeren Zeitverlust habe. Der erste Unterricht mit der Königin Carola fand in der Villa in Strehlen statt. Sie gab mir dabei den Auftrag, eine künstlerische Wendeltreppe für die Villa Strehlen zu entwerfen. Um nun ungefähr zu erfahren, wie sich die Königin alles gedacht hat, bat ich sie, mir eine kleine Skizze anzufertigen, was sie auch tat. Die Treppe sollte im Barock-Stil gehalten sein mit einer Balustrade, die von unten bis zur dritten Etage ging, umschlungen von Girlanden, erinnernd an die Holzschnitzerei Brustolone´s in Venedig. Die Wände sollten in verschiedene Felder eingeteilt werden, die rundherum von Blumengirlanden umgeben waren, in den Ecken sollten Metallkartuschen, auf denen die Schlachten, die der König Albert im 70er Kriege geführt hatte, zu sehen sein. Die Holzschnitzerei der Treppe wurde in Venedig von dem berühmten Holzschnitzer Cadorin nach meinen Entwürfen geschnitzt. Die Girlanden fertigte ich schließlich selbst an. Alles machte einen sehr guten Eindruck…
Im Königlichen Schloß zu Dresden habe ich stets in der Bibliothek des Königs für die Königin gearbeitet und die Königin selbst hat in diesem Raume mehrere Bilder unter meiner Leitung ausgeführt. Die Bibliothek grenzte an das Arbeitszimmer des Königs, das nur durch einen schweren Vorhang von der Bibliothek getrennt war. Es fanden fast jeden Tag hier Ministerkonferenzen statt. Oefters ist es da auch lustig zugegangen. Nach den Vorträgen hörte ich dann manchmal, daß Seine Majestät auf dem Klavier einige Stücke spielte. Es kam aber nie etwas Gescheites dabei heraus und endete immer damit, daß er sich auf ein neben dem Klavier stehendes Ruhesofa warf und einschlief.“


Ehemaliges Ballhaus, späteres Hauptstaatsarchiv, während des Abbruchs 1888 (Motiv des Kalenders). Foto: E. A. Donadini/SLUB, Abteilung Deutsche Fotothek
Rettung des Deckengemäldes von Louis de Silvestre
„Eine Tages ging ich durch die Augustusstraße, wo das frühere Palais Brühl stand und bemerkte, daß aus demselben große Mengen von Schutt herausgetragen wurden. Ich ging nun hinein, wo schon alles drunter und drüber ging und fragte einige Arbeiter, was hier geschähe. ,Das Palais Brühl wird abgetragen‘ Ich fragte weiter: ,Und die großen Gemälde?‘ ,Die auch.‘ Ich suchte nun schnellstens den Tanzsaal im 1. Stock des Palais auf, zu dem ich nicht ohne Gefahr gelangte und sah, daß man gerade begann, das große Sylvestre´sche Deckenbild abzutragen. Es war bereits ein 1 m großes Loch entstanden. Ich schrie ,Aufhören, Aufhören!‘ Da ich mit großer Entrüstung schrie, kamen zwei Herren hinzu, welchen ich sagte: ,Es ist ein Vandalismus, wie man mit diesen Kunstwerken umgeht:‘ ,Mehr als das‘, sagten diese und der eine meinte, wenn ich das Bild nicht nehmen würde, so würde er es für die Hofburg in Wien nehmen. ,Aber wie wollen sie das machen?‘, fragte ich. ,Sie sehen, daß die Leute schon mit dem Abbruch begonnen haben.‘ Ja, das wußten sie nun auch nicht. Ich meinte, es sei am einfachsten, wir fahren direkt nach dem Finanzministerium und sprechen mit dem Minister von Watzdorf, vielleicht erlangen wir eine Unterbrechung des Abbruchs. Das Dach war schon abgedeckt, die Bilder also dem Wetter vollständig preisgegeben. Wäre dies eingetreten, so hätte man nichts mehr retten können. Wir waren also bald bei von Watzdorf, der früher Kammerherr bei Seiner Majestät dem König gewesen war und den ich daher gut kannte. ,Ja, Professor, was soll ich dabei machen?‘, fragte dieser. ,Die Hauptsache ist, daß Sie telephonisch so und so viel Meter Dachpappe bestellen und wir das Dach wenigstens notdürftig wieder zudecken können. Wenn das nicht geschieht, würde man Ihnen, Excellenz, die Schuld geben an der Vernichtung dieser kostbaren Deckengemälde.‘ Er telephonierte gleich und bestellte nach meinen Angaben. Das Dach wurde auch am gleichen Tage noch in Ordnung gebracht und dadurch wenigstens die größte Gefahr für das Bild, welches auf Putz gemalt war, beseitigt. Man erkundigte sich nun bei mir, was ich für die Herunternahme und Wegschaffung der ganzen Decke, die 180 qm groß war, verlangen würde. Ich machte einen bescheidenen Preis. Es wurde mir aber trotzdem immer vorgeworfen, daß es andere Leute in der Welt gäbe, die diese Aufgabe billiger ausführen würden. ,Gut‘, sagte ich, ,lassen Sie diese anderen Leute kommen‘ und kümmerte mich nicht weiter um die ganze Angelegenheit. Geheimrat Ministerialdirektor Roscher hatte diesen Auftrag zu vergeben. Nach einiger Zeit wurde ich wieder aufgefordert, ich sollte mich entschließen und einen niedrigeren Preis machen. ,Nein, nein‘, sagte ich, ,jetzt wird die Sache nicht billiger, sondern teurer, meine Herren. Ich verlangte jetzt so und so viel mehr.‘ Ganz entsetzt sagte man mir, es gäbe in England, in Frankreich, in Italien Leute genug, die für weniger Geld diese Arbeiten ausführen würden. ,Gut‘, sagte ich, ,lassen Sie doch diese Arbeiten von den Engländern, Franzosen, meinetwegen auch von den Italienern ausführen‘, und empfahl mich. Nach einiger Zeit wurde ich wieder gerufen, ich solle nun endlich einen endgültigen Entschluß fassen, damit die Angelegenheit in Ordnung gebracht werden könne, der Abbruch des Gebäudes müsse unbedingt beendet werden. Ich sagte: ,Meine Herren, warum holen Sie nicht die billigeren Leute? Ich verlange jetzt so und so viel mehr.‘ Ganz entsetzt antwortete man mir: ,Nun, da werden wir uns endlich entschließen müssen, sonst steigt der Preis immer mehr.‘ Und nun ging es los. Ich habe die Arbeiten begonnen, wie ich sie noch beschreiben werde. Ueber alles aber wurde ein genauer Vertrag gemacht.


Der Photograph Ermenegildo Antonio Donadini mit seiner Frau Ida, geborene Schoch. Foto: Archiv Gerhard Butze
Meine erste Bedingung bei Uebernahme der Arbeiten war, daß kein Mensch sich in mein technisches Verfahren hineinmischen oder darüber erkundigen dürfe, auch wäre zu vermeiden, daß jeder beliebige Besucher mich von der Arbeit abhalten könne. Ich nahm ein Blatt Papier von meinem Tisch, der sich über dem Gerüst befand, um alle diejenigen mich interessierenden Persönlichkeiten, die mich während meiner Arbeit besuchten, vorzumerken. Darunter befanden sich Minister, Prälaten, Techniker, Professoren usw. Nach Beendigung meiner Arbeiten mußte das hohe Gerüst abgerissen werden. Laut Vertrag übernahm Baurat Schmidt das Abreißen; er begann aber einige Stunden eher damit, so daß ich nur unter großer Gefahr das Werk vollenden konnte. Ueber die technische Seite des Restaurationsverfahrens will ich hier nicht sprechen. Mein Sohn, der mit mir den Auftrag ausgeführt hat, wird mit der Zeit vielleicht eine Darstellung der technischen Schwierigkeiten und Anfeindungen, die ich während der Arbeiten zu erdulden hatte, veröffentlichen. Ich hatte auch eine Liste hergestellt über den geschichtlichen Zusammenhang des Tanzsaales im Brühl´schen Palais mit August dem Starken. Diese wollte ich in dem restaurierten Saale aufhängen, damit das Publikum beim Besuche desselben auch die geschichtliche Bedeutung dieses Saales sich vor Augen führen könne. Das wurde aber von der Oberaufsicht und dem Leiter der Kunstgewerbeschule stets hintertrieben. Als schönster Barocksaal Sachsens wurde derselbe beim Neubau der Kunstgewerbe-Akademie als Festsaal neu, aber historisch getreu, eingebaut.“
(Anmerkung der Redaktion: Das Deckengemälde wurde beim Angriff auf Dresden 1945 zerstört.)
Zusammengestellt von Jürgen Frohse
Quelle: Autobiographie in der Handschriften-Sammlung der SLUB

Ermenegildo Antonio Donadini (1847–1936)
Sächsischer Hof und Dresdner Alltag
Photographien um 1900

Austellung in den Technischen Sammlungen der Stadt Dresden

Die Aussstellung wurde gemeinsam von der Elbhang-Photo-Galerie, den Technischen Sammlungen der Stadt Dresden und der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB)/Abteilung Deutsche Fotothek erarbeitet. Sie ist vom 8. Oktober bis 5. November 2000 täglich außer montags geöffnet.
Eröffnung zum Turmfest am 8. Oktober, 10 Uhr.


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