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Medien und Politik | 13.02.2008 23:00 Uhr

Wahlkampf in Hamburg - Der Kampf um die Schlagzeilen

Helfer tragen amTag nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg ein Plakat mit dem SPD-Spitzenkandidaten Michael Naumann an Plakaten mit Bürgermeister Ole von Beust (CDU) vorbei. © dpa Fotograf: Kay Nietfeld
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Der Countdown läuft: Am 24. Februar wird in Hamburg gewählt. Die Kandidaten kämpfen derweil um mediale Aufmerksamkeit. Wahlkampf ohne die "Bild"-Zeitung - undenkbar. Eine Studie im Auftrag des Vereins "Mehr Demokratie" belegt: Ole von Beust schafft es fast doppelt so oft in die "Bild" wie sein Herausforderer Michael Naumann. Naumann versucht nun, medial aufzuholen. Zapp über Tricks und Inszenierungen, um in die Presse zu kommen.

Anmoderation:

"Zum Regieren brauche ich Bild, Bams und Glotze" - ein politischer Lehrsatz von Gerhard Schröder. Der Ex-Kanzler liebte das Spiel mit den Medien und die Medien liebten ihn. Das Problem ist nur: Was tun, wenn sie einen nicht mehr lieben oder schlimmer noch, gar nicht erst lieb gewinnen? Im aktuellen Wahlkampf in Hamburg muss das seit Monaten Michael Naumann erfahren. Der SPD-Spitzenkandidat kann machen was er will, er kommt kaum rein in "Bild" und "BamS". Und wenn, dann meist anders als er rein- bzw. groß rauskommen möchte. Maik Gizinski und Janina Kalle über mediale Lieb- und andere Feindschaften in Zeiten des Wahlkampfs.

Beitragstext:

Ein Mann im Wahlkampf: Michael Naumann will Hamburg erobern. Rote Rosen für die Wähler, schöne Bilder für die Journalisten. Michael Naumann: "Ja, na wunderbar. Also, weil es so ist und weil die Kameras alle zugucken, finde ich, machen wir eine nette Geste." Eine nette Geste. Michael Naumann spielt "Everybody’s Darling" auch für die, deren Unterstützung ihm zum Wahlkampfbeginn nicht wichtig erschien. Michael Naumann (2007), SPD-Spitzenkandidat: "Ich bin nicht auf Journalisten angewiesen, sondern Journalisten sind immer noch darauf angewiesen, über das, was politisch in einer Stadt geschieht, zu berichten." Damit hatte Naumann viele Hamburger Journalisten zunächst verärgert.

Über Zapp reden

Wie schwer ist es da, in die Medien zu kommen? Michael Naumann: "Sie sind doch das Medienmagazin, sie beobachten doch die Medien. Ich persönlich bin, wie Sie wissen, Journalist, und verstehe die Frage nicht ganz." Der ehemalige Journalist im Interviewstress. Deshalb zweiter Versuch: Ist es schwer für ihn, in die Medien zu kommen? Michael Naumann: "Nein, es ist interessant." Reporterin: "Das heißt?" Michael Naummann: "Interessant heißt interessant." Reporterin: "Na, das ist jetzt aber so ein bisschen schwammig." Michael Naumann: "Wir wollten eigentlich jetzt kein medienkritisches Interview führen, aber wenn Sie wollen, könnten wir uns mal zusammen setzen und wir könnten über Zapp reden." Über Zapp reden - jederzeit.

Übermächtige Präsenz

Heute aber wollen wir nur beobachten. Auch ihn: Ole von Beust. Er mimt den Zufriedenen, den Souveränen. Doch auch er weiß um die Macht der guten Bilder und fetten Schlagzeilen. Ole von Beust (CDU), Erster Bürgermeister: "Es ist nicht alles, aber bislang hab ich keinen Grund, mich zu beschweren." Reporterin: "Was muss man machen, um in die Medien zu kommen?" Ole von Beust: "Ich denke, jetzt im Wahlkampf berichten die Medien ja sogar von sich aus. Wahlkampf ist immer ein Ereignis, wo allein schon die Präsenz zu Berichterstattung führt." Seine Präsenz in der Berichterstattung scheint übermächtig - sicher auch, weil er seit gut sechs Jahren im Rathaus regiert. Doch Ole von Beust ist noch mehr: Er ist ein Liebling von "Bild". Die schwärmt von einer "Märchenstunde mit Onkel Ole", jubelt über den, den auch die "Firmen-Chefs lieben". "Bild" berichtet viel über Ole von Beust: 485 Artikel seit Beginn des Wahlkampfes. Sein Herausforderer muss sich mit nur 226 zufrieden geben. Ähnlich das Verhältnis bei den Fotos: 82 Mal Ole von Beust und nur 35 Mal Michael Naumann.

"Bild" trommelt für Ole

Reporterin: "Stört Sie das?" Michael Naumann: "Hat Sie das überrascht?" Reporterin: "Also, ob es Sie stört?" Michael Naumann: "Hat Sie das überrascht?" Ole von Beust: "Ob Sie’s glauben oder nicht, ich zähl das nicht. Ich hab auch niemanden veranlasst, eine Auswertung zu machen, welche Bilder oder Nennung wie oft sind. Ich guck mir die Zeitung an und nehm das so hin." Er darf das auch getrost so hinnehmen. Denn "Bild"-Chef Kai Diekmann sorgte schon im letzten Wahlkampf dafür, dass sein Blatt für Ole von Beust trommelte. An diese Zeiten dachten viele Journalisten, als die CDU ihre aktuellen Wahlplakate enthüllte. Sie wähnten den "Bild"-Chefredakteur in verdeckter Mission. Ole von Beust: "Das ist Herr Gedaschko, der Bausenator, nicht Herr Dieckmann." Reporterin: "Und fühlen Sie sich trotzdem neben Herrn Dieckmann besonders wohl?" Ole von Beust: "Nein, ich fühle mich auf dem Plakat mit Herrn Gedaschko besonders wohl und Herrn Dieckmann kenne ich wie alle Chefredakteure auch, aber habe weder eine Distanz noch eine tiefe innige Beziehung."

Wer ist denn das ?

Tief und innig berichtet "Bild" dennoch, zeigt "unserem Bürgermeister Altona" und bringt andere rührende Bilder von Ole. Ole, der die Bundeskanzlerin "liebevoll Angie" nennt - er wird zurück geliebt - von "Bild". Gut 58 Prozent aller "Bild"-Artikel über Ole von Beust sind positiv, bei Michael Naumann nur gut 29 Prozent. Neutrale Artikel über beide halten sich einigermaßen die Waage. Negativ über Beust sind jedoch nur in 9 Prozent aller "Bild"-Artikel, bei Naumann sind es fast drei Mal so viel: 26 Prozent. Hans J. Kleinsteuber, Professor für Medienwissenschaften: "Ich denke, dass auch in den Redaktionen keine unpolitischen Leute sitzen. Ich denke auch, dass die Eigner der Bild-Zeitung, der größte Pressekonzern Europas, schon seine politischen Vorstellungen hat, und ich denke, es ist nicht ein neuer Eindruck, dass dieses Haus eher sympathisiert in Richtung konservativer Politik als linker Politik." Ein richtiger Linker ist er ganz sicher nicht, aber dennoch fand Naumann nur selten positive Schlagzeilen über sich in "Bild" Stattdessen fragte die: "Wer ist das denn?"

Kein Wahlkampf ohne "Bild"

Michael Naumann und "Bild"-Chef Kai Dieckmann - ein schwieriges Verhältnis, der SPD-Mann hatte sich als "Bild"-Kritiker profiliert. Michael Naumann, März 2007: "Nicht alles, was in der Bild-Zeitung steht, stimmt. Ich bin immer froh, wenn gar nichts über mich steht." Es waren schwierige Gespräche zwischen "Bild"-Chef Kai Diekmann und seinem Kritiker. Das Ergebnis: "Bild"-Leser erfahren, wenn auch mit Verspätung, dass es neben Ole von Beust auch den Herausforderer Michael Naumann gibt. Hans J. Kleinsteuber: "In Hamburg kann man ohne Bild-Zeitung sicherlich keinen Wahlkampf machen. Politiker auf jeden Fall werden alles tun, um möglichst häufig und mit positiver Berichterstattung in die Bild-Zeitung hineinzukommen. Das gelingt offensichtlich Ole von Beust deutlich besser als seinem Herausforderer."

Inszenierung mit Pannen

Naumann kämpft ums Rathaus mit seinem Kompetenzteam: 16 Berater, hier ausnahmsweise beim Gruppentermin, vorher häppchenweise vorgestellt. Michael Naumann: "Das ist ganz einfach das, was man normalerweise macht, wenn Kompetenzteams vorgestellt werden. Alle 16 auf einmal hätten eine kleine Berichterstattung im Wesentlichen lediglich bewirkt." Und deshalb gab es mehrere Berichte über das Kompetenzteam. Aber Naumanns Inszenierungen klappen nicht immer pannenfrei. Journalist bei dem Fotoshooting des Kompetenzteams vor dem Hamburger Rathaus: "Sie wollen doch die Show oder nicht! Dann lassen Sie uns auch ordentlich arbeiten." Die Show geht weiter, noch zehn Tage lang. Neueste Umfragen versprechen große Spannung im Duell Michael Naumann gegen Ole von Beust. Umso wichtiger, dass sie weiterhin schöne Bilder und gute Geschichten liefern.

Verabschiedung

Das war es für heute. Die nächste Zapp-Sendung wie immer nächsten Mittwoch 23 Uhr. Dann mit neuen Enthüllungen über den umstrittenen Film "Feuerherz" - morgen hat er Premiere auf der Berlinale. Lassen Sie sich keinen Bären aufbinden - und danke fürs Zuschauen, Tschüs.

Stand: 13.02.2008 23:00
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Helfer tragen amTag nach der Bürgerschaftswahl in Hamburg ein Plakat mit dem SPD-Spitzenkandidaten Michael Naumann an Plakaten mit Bürgermeister Ole von Beust (CDU) vorbei. © dpa Fotograf: Kay Nietfeld
13.02.2008

Der Countdown läuft: Am 24. Februar wird in Hamburg gewählt.

Länge: 06:14 Minuten

Weitere Informationen
Wahlurne vor dem Hamburger Rathaus © Wahlurne: dpa, Rathaus: Ronnie Koch/Staatliche Pressestelle

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