Freitag, 04.09.2009

"Wir brauchen eine Väter-Politik"

 

Drei lange Wahlkampf-Tage ließ der Landesvorsitzende der Grünen, Dieter Janecek am 2.9. bei einem Redaktionsgespräch mit der Zeitung "Fränkischer Tag" ausklingen. Gut gelaunt, aber nach eigener Aussage "etwas abgekämpft" stellt sich der erst 33-jährige Ober-Grüne, der durch den Kampf gegen den Feinstaub in München bekannt wurde, den Fragen.

(Dieses Interview erschien am 3.9.2009 in der Zeitung "Fränkischer Tag")

Herr Janecek, ich nenne Ihnen jetzt drei Farben. Sagen Sie mir doch bitte, was Sie darüber denken: Rot-Rot-Grün.

Das löst bei mir keine großen Begeisterungsstürme aus. Aber ich sage auch, dass die Zeit der „Ausschließeritis“ vorbei ist, deshalb finde ich es auch gut, wie die Parteifreunde im Saarland an die Frage einer möglichen Koaliton mit SPD und Linkspartei herangehen. Im Bund aber wären die Bauchschmerzen groß, wenn ich allein an Fragen der Europa- und Haushaltspolitik denke

Und was fällt Ihnen zu Schwarz-Gelb-Grün ein?

Auch das haben wir für den Bundestag ausgeschlossen, weil es programmatisch zu schwierig wäre. Allein die Schwierigkeiten, die CSU und FDP in Bayern haben, sind ja gewaltig – vor allem auch auf persönlicher Basis. Da wird regelrecht gemobbt.

Also Opposition für die Grünen?

Der erste Ansprechpartner für uns ist die SPD, die uns inhaltlich immer noch am nächsten steht. Aber auch Schwarz-Grün würde ich nicht von vornherein ausschließen, solange die Inhalte stimmen.

Also ist das Ihre Option?

Rot-Grün ist natürlich unsere erste Wahl. Ich würde lieber einen Kanzler Steinmeier als eine Kanzlerin Merkel wählen. Schwarz-Grün wäre sicher denkbar, aber eine Ampel mit SPD und FDP würde uns leichter fallen. Wir könnten dann mit der SPD zusammen der FDP gegenübertreten. 

Sie reden über die Bundespolitik. Haben Sie als Grünen-Landesvorsitzender in Bayern auch in Berlin ein Wort mitzureden?

Die Grünen sind immer noch eine sehr basisdemokratische Partei.  Unseren Einfluss als zweitstärkster Landsverband sollte man nicht unterschätzen.

Wie beurteilen Sie denn dann aus Bundessicht die Ergebnisse der Landtagswahlen?

Das Rennen ist offen, wir sind auf einem guten Weg. Ich glaube, dass die beiden Volksparteien einige Stimmen verlieren werden. Unser Hauptziel ist es, Schwarz-Gelb zu verhindern. Und da bin ich sehr optimistisch. 

Sie sind persönlich sehr präsent im Internet. Was bringt das?

Ich will meine Arbeit gegenüber der Basis darstellen, Ideen hereintragen und mich als Mensch zeigen. 80 Prozent von dem, was ich preisgebe, sind aber politische Inhalte. Man erreicht damit zwar nicht alle, aber junge Menschen erreicht man so sehr gut. Außerdem bin ich bin sehr internetaffin, deshalb mache ich das.

Kürzlich schrieben Sie im Internet, dass Sie spontan einen Parteitag der Piratenpartei besucht haben. Wäre die Partei eine Alternative für Sie?

Die ist schließlich auch sehr internetaffin.Nein, die Piraten sind für mich keine Option. Ich bin vor allem wegen der Ökologie bei den Grünen. Aber ich sehe die Piraten als gewöhnlichen politischen Konkurrenten und schimpfe nicht auf sie. Die Piraten haben einige sehr gute Leute.

Bleiben wir im Internet. Sie haben da eine Seite, auf der Sie die CSU einen „Wackeldackel“ nennen, ihr ständige Positionswechsel vorwerfen. Liegt des nicht in der Natur einer Regierungspartei?

Wir haben zuletzt in der rot-grünen Regierung auch Fehler gemacht und mussten Kompromisse eingehen. Aber ich will nur Politik machen, wenn ich noch in den Spiegel schauen kann.  CSU und FDP versprechen für den Fall eines Wahlerfolgs Steuersenkungen. Und die sind,  einfach nicht drin. Übrigens fällt Wortbruch einzelner Parteien nicht nur auf die schuldige Partei zurück, sondern auf alle. Und das führt zu Desinteresse an der Politik.

Ist die Popularität von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg auf Glaubwürdigkeit zurückzuführen?

Ich habe doch Zweifel daran, ob er wirklich glaubwürdig ist.

Warum?

Es fehlt doch die Substanz. Sowohl bei Opel als auch bei Quelle hat er eine Position vertreten, die sich hinterher nicht halten ließ. Klar ist aber, dass er ein Bedürfnis der Bürger anspricht. Das bezweifele ich nicht. Mir ist deshalb extrem wichtig, dass Politiker glaubwürdig sind. Jeder, der es nicht ist, schadet nämlich der ganzen Kaste der Politiker. 

Sie, Herr Janecek, sind mit 33 Jahren auch ein junger Vertreter der politischen Garde. Über kurz oder lang sehen Sie sich bestimmt in der Bundespolitik, oder?

Sicher will ich nicht 20 Jahre lang Landesvorsitzender sein – auch wenn ich es jetzt erst seit zehn Monaten bin. Irgendwann kommt der Schritt auf die parlamentarische Ebene. Vielleicht 2013.

Mit welcher Programmatik verbinden Sie das?

Zwei wichtige Punkte: Ich möchte eine Debatte anstoßen, welche Verantwortung der Konsument hat. Wir müssen uns die Frage stellen, ob immer mehr auch immer gut ist.

Heißt konkret?

Auch wenn das provozierend wirkt: Es geht um Verzicht. Müssen wir jeden Tag Fleisch essen? Oder können wir uns durch weniger davon vielleicht sogar gesünder ernähren. Oder: Sind immer mehr Flugreisen nötig?

Und mein zweiter Punkt: Wir brauche eine Väter-Politik. Die Frage der Gleichstellung bedeutet auch, dass wir junge Männer dazu bekommen, in den Familien Verantwortung zu übernehmen. Viele Frauen sehen im Mann längst nicht nur den klassischen Ernährer.

Das klingt recht forsch.

Ich denke 20 Jahre voraus. Wir müssen heute schon Themen besetzen, die wichtig werden – und dabei sicher auch etwas radikaler werden.

Und in der kurzfristigen Perspektive: Was gibt der Landesvorsitzende seinen bayerischen Grünen als Wahlziel am 27. September vor?

Zehn bayerische Mandate für den Bundestag und ein zweistelliges Ergebnis. 2005 hatten wir in Bayern sieben Prozent, aber die Umfragen sehen uns derzeit auch in Bayern auf Bundesniveau.

Das Interview führten Jan-David Sutthoff und Martin Utz.