Mr. Mystery: M. Night Shyamalan (Foto: Quelle)
» "Signs" und "The Village" sind Filme über Angst. Was fasziniert Sie daran?
M. NIGHT SHYAMALAN: Ich habe das nie so gesehen. In "Signs" ging es mir um den einen kathartischen Moment, in dem jeder ganz ehrlich und aufrichtig zu den anderen sagt, was er wirklich über ihn denkt. Und natürlich um den Glauben an die Familie als fast übernatürliche Einheit.
In "The Village" geht es mir darum, was den Menschen wichtig ist. Die Angst ist nur dazu da, ihre Überzeugung, ihren Glauben, wenn man so will, zu testen. Und wenn es hier ein übernatürliches Element gibt, dann ist es die Liebe.
"The Village" - Gänsehaut garantiert (Foto: Buena Vista)
» Wovon lassen Sie sich bei Ihren Storys inspirieren?
Ich mag düstere Geschichten. Ich mag komplizierte Situationen. Ich mag Entwicklungen in meinen Storys, die völlig entgegengesetzte Gefühle auslösen. Meine Filme sollen nachwirken. Der Horror in meinen Filmen ist nur eine Haube, die den Zuschauer gefangen nehmen soll, damit er genauer zusieht und genauer zuhört.
» Die Grundkonstellation von "The Village" - eine Gemeinde wird von einer nicht genauer definierten Gefahr bedroht - lässt sich leicht als 9/11-Allegorie lesen...
Ich werde Ihnen nicht widersprechen. Ich möchte nur anmerken, dass die Allegorie nicht ganz so simpel zu lesen ist. Bliebe man bei der Lesart an der Oberfläche, würde das ja bedeuten, dass die Stadtweisen stellvertretend für Bush stehen. Das hält aber keiner näheren Betrachtung stand. Denn die Weisen haben Gründe für ihr Verhalten, sie sind nicht verrückt, diese Gemeinde ist ziemlich gut.
Weiter kommen Sie mit einer anderen Deutung: Ich bin die Stadtältesten - und ich habe von Bush ebenso die Nase voll wie von den Terroristen. Ich wünschte, das Leben wäre anders und wir würden uns wieder um Dinge kümmern, die wirklich wichtig sind und in eine Zeit zurückkehren, in der vieles einfacher war. Daraus entstand der grundlegende Wunsch, diesen Film zu machen. Mir kam es auf die Stimmung an, auf die emotionale Wahrheit. Und das hat natürlich sehr viel mit den USA nach dem 11. September zu tun.
Besprechung am Set mit Bruce Willis (Foto: Constantin)
» Würden Sie mit Ihrer Familie in solch ein Dorf ziehen wollen?
Da müsste schon einiges vorfallen. Aber wenn Sie so wollen, lebe ich ja eine Art Light-Variante des Dorfes. Ich wohne mit meiner Familie in einem schönen historischen Viertel von Philadelphia - übrigens ganz in der Nähe von dem Ort, an dem wir "The Village" gedreht haben. Und ich schätze die Einfachheit meines Lebens sehr.
» War die Nähe zu Ihrem Wohnort der Grund, warum nur an einer einzigen Location gedreht wurde?
Nicht ganz! Alles in diesem Film ist genau instrumentiert - das ist eine meiner Stärken, zugleich aber auch eine Schwäche, denn es kann auf andere erstickend wirken.
Wir waren aber auch der freien Natur ausgeliefert. Wenn es geregnet hat, waren einfach Pfützen am Set und wir ließen sie dort. Das Wetter hat die Authentizität gesteigert. Ich wollte, dass mich unkontrollierbare Dinge wie das Wetter dazu zwingen, ein wenig von der Struktur des Films aufzugeben.
"Unbreakable": Comichändler Price sieht in Familienmann Dunn sein Gegenstück (Foto: Buena Vista)
» Während Hollywood-Großproduktionen immer schneller geschnitten werden, setzen Sie auf lange Einstellungen. Warum?
Es gibt da diesen einen Moment, in dem zwischen den Schauspielern etwas Spannendes und Faszinierendes passiert. Sehr oft kann man das aber im Schneideraum nicht wieder heraufbeschwören. Wenn man schneidet, schafft man eine alternative Realität, die nichts mit dem Moment zu tun hat, in dem man die Szene gedreht hat.
Mich interessiert jedoch genau der Moment, die Wahrhaftigkeit, die Chemie zwischen den Darstellern. Und das versuche ich von Film zu Film zu verfeinern. Deshalb habe ich für "The Village" Theater erprobte Schauspieler geholt.
Gruselt sich im Jahre 1897: Sigourney Weaver als Alice Hunt (Foto: Buena Vista)
» Wie sind Sie darauf gekommen, Sigourney Weaver für Ihren Film zu engagieren?
Sigourney Weaver ist wirklich eine wunderbare Darstellerin, und ebenfalls eine tolle Theaterschauspielerin. Dazu kommt, dass ich bei der Arbeit an "The Village" von "Alien" inspiriert wurde.
Auch in diesem Film gibt es eine Gruppe herausragender, weltbekannter Akteure und dazu eine Schauspielerin, die niemand kennt. Und genau diese Schauspielerin erweist sich schließlich als Hauptdarstellerin und übernimmt die Rolle im Film, die normalerweise Männern vorbehalten ist.
Bei den Dreharbeiten zu "Signs" mit Mel Gibson (Foto: Buena Vista)
» Unverkennbar sind Ihre Filme auch wegen ihrer Überraschungsenden. Fühlen Sie sich verkannt, weil immer darauf verwiesen wird?
Ich würde meinen Film mit einem Tanz vergleichen, der aus 40 Schritten besteht. Jeder einzelne ist gleich wichtig. Ich kann diese Besessenheit nicht verstehen, mit der immer Schritt 40 herausgegriffen wird.
Spielen die anderen Schritte keine Rolle? Die Musik, der Ton, der Rhythmus, die Figuren, das Spiel mit Konventionen, die unentwegten Überraschungen der Geschichte? Warum wird nicht über Tanzschritt 17 gesprochen, in dem Adrien Brody und Joaquin Phoenix ihren großen Moment haben? Ich habe ihn mit noch größerer Sorgfalt inszeniert als das Ende. Das frustriert mich.
M. Night Shyamalan: Wie wird er uns das nächste Mal überraschen? (Foto: Buena Vista)
» Sie haben einmal mehr einen Cameo-Auftritt. Ist das eine Art Markenzeichen, einfach nur Spaß, oder gar eine Hommage an Hitchcock?
Ich versuche damit, die Filme etwas persönlicher für mich zu gestalten. Es gibt mir einfach ein Gefühl der Unabhängigkeit - das Gefühl, dass nur ich allein meine Filme mache. Eine Eigenart. Damit wären wir übrigens auch schon wieder bei den "Surprise Endings"...
» Noch eine Ihrer Eigenarten: Bislang haben Sie alle Ihre Filme selbst geschrieben. Stimmt es, dass Sie als Nächstes tatsächlich einen Roman adaptieren werden?
Das ist richtig: "Schiffbruch mit Tiger" von Yann Martel! Gratulation: Es gibt also doch noch etwas Neues über mich zu berichten!
Das Gespräch führte Matthias Ott / Thomas Schultze |
08.09.2004 |