RAY DAVIES & THE KINKSRealAudio

Zumindest ,Lola‘ und ,You Really Got Me‘, die beiden größten Hits der britischen Rock-Legende The Kinks, kennt jeder Radiohörer, auch wenn er das Album-Debüt dieser Band 1964 vielleicht nicht bewußt miterlebt hat. Rund drei Dekaden hat sich die Arbeitsgemeinschaft der Singer/Songwriter/Gitarristen und Brüder Ray & Dave Davies gehalten – das obwohl regelmäßig ganz ordentlich die Fetzen flogen, in Abwechslung mit Funkstille – bei permanent dezent rollendem Rubel. „Symbiose" nennt man das in der Biologie, „Normalität" bei älteren rollenden Steinen. Aber auch das ist jetzt für The Kinks Vergangenheit.

Angefangen haben sie zu Beginn der Sixties als The Ravens, im Londoner District Muswell Hill. Dann standen The Kinks ganz schnell ganz weit vorne in den britischen und den amerikanischen Charts: ,You Really Got Me‘ hieß die Single die im August 1964 erschien, vorbereitet von zwei vorangegangenen Flop-Scheiben im Februar und April desselben Jahres; ,All Day And All Of The Night‘ war der Nachbrenner im Oktober – die Supergroup war installiert. Ebenfalls im Oktober erschien ihr selbstbetiteltes erstes Album, dessen etwas später erschienene US-Version (,You Really Got Me‘, Reprise 1965) im ausführlichen Begleittext auf der Rückseite des schweren Papp-Covers etwas das damals geradezu provokante Boy-Group-meets-Rock-Rebel-Flair des Quartetts verdeutlicht. Zitat: „Ray (Ray Davies) ist der Leader der Kinks. Er ist 20 Jahre alt und ca. 1,75 m groß. Er komponiert, hört sich höflich an, was die Anderen zu seinen Kompositionen zu sagen haben, und besteht dann darauf exakt das aufzunehmen, was er geschrieben hat ... Ray hat fünf Schwestern und einen Bruder (der Bruder ist Dave, der Lead-Gitarrist der Gruppe). Zu seinen Lieblingssängern gehören Peggy Lee und Sonny Boy Williamson, und sein Musikgeschmack reicht von Ravel über Gershwin zu Chuck Berry. Zu seinen Hobbies gehören Sport und Kunst. Dave (Dave Davies) ist 17 und Rays Bruder. Er singt ebenfalls und spielt die Lead-Gitarre. Obwohl er der jüngste Kink (!) ist, kommt kein Girl unbeobachtet an ihm vorbei..."

Es hat sich also nicht viel geändert. Nur ist aus den Kinks bereits in den 60er Jahren eine Institution der Rock-Musik geworden, während manche Boylen-Combo unsere Tage schon nach der ersten Single das Verfallsdatum des Pop-Marktes überschreitet.

In den 70ern gingen Davies & Co mehr in die Tiefe, u. a. mit teils bissigen, gesellschafts- wie branchenkritischen Konzept-Alben. In den Eighties wurde dann wieder verstärkt gerockt, live und im Studio. Die gute Laune in der Band war allerdings längst zum Opfer des permanenten Bruder-Machtkampfs geworden, der auch diverse Besetzungswechsel zur Folge hatten: Davies & Davies in „The Kinks". Nebendarsteller: Peter Quaife (bis 1969), John Dalton (bis 1977), Andy Pyle (bis 1978), Jim Rodfort (bis in die 90er) an den Bässen, Drummer Mick Avory stieg 1984 aus, für ihn kam Bob Henrit in die Band, und der 1970 eingestiegene Keyboarder John Gosling wurde 1980 durch Ian Gibbons ersetzt. Und jeder der Herren Davies hätte sicherlich auch öfter als dreimal gerne den anderen entsorgt. Das kommt vor bei Genialegenden: Wir alle kennen den Schweigezirkel der erfolgreich getrennten siamesischen Rocklinge Mickeith & Keithmick, demnächst wird’s dann auch wieder bei der Vokalisten-ABM E. Van Halen krachen, und David Copperfields neue Show heißt angeblich „Schiffer versenken".

In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich Bands wie die genannten Van Halen, The Pretenders, The Jam, The Stranglers, The Style Council und später auch die schlechtgelaunte Mafia der genialen BritPopanze (Oasisblurpulpvervetc.) immer wieder auf The Kinks bezogen und gerne Davies-Songs gecovert. Sogar BAP outeten sich als Fans mit ihren Ansichten vom ,Death Of A Clown‘ (auf ,Da Capo‘, 1988), Kinks-Biograph und Edel-Barde Heinz Rudolf Kunze hatte bereits 1984 ,Lola‘ eingedeutscht (Albumtitel: ,Ausnahmezustand‘).

Ray Davies schrieb in der Zwischenzeit unbeirrt weiter Songs und Musicals, arbeitete als Soundtrack-Komponist, Schauspieler (in „Absolute Beginners"), Regisseur und Buchautor, zuletzt erschien mit ,The Storyteller‘ ein unterhaltsames Solo-Album mit Kinks-Klassikern und Davies-Kommentaren. Seine legendäre Band hat sich ansonsten faktisch ausgeschlichen, erlebt aber nicht nur durch die o. g. prominenten Fans eine indirekte Renaissance: In den nächsten Monaten erscheinen 15 Alben der Kinks auf CD (zyx music/velvel). Dabei handelt es sich um Aufnahmen, die die Band zwischen 1971 und ’86 bei RCA und Arista veröffentlicht hat, und die jetzt mit bisher unbekannten Bonus-Tracks, interessantem Fotomaterial und ausführlichen Booklet-Informationen erstmals klanglich überarbeitet vorliegen. Ähnliches ist übrigens vor einigen Monaten auch mit dem rockigen Frühwerk der Kinks passiert: Auch das 1964er Debüt läuft also jetzt kratzfrei und sogar in der Mid-Price-Klasse.

Mehr als 30 Alben und 50 Singles später ist Freitag der 14. August 1998: Ray Davies sitzt in seinem Hotelzimmer im Kölner Crowne Plaza. Seit 8 Stunden hat er an diesem Tag schon Interviews gegeben – das Interesse am legendären Frontman einer nicht unbedingt immer angesagten Brit-Band ist immens. Wie schrieb ein denkender Mensch: „Die Kinks haben Geschichte gemacht, ohne den Ruhm zu ernten, den die Beatles und die Stones unter sich aufgeteilt zu haben scheinen." Sollte das jetzt etwa doch noch passieren? Und wo bleibt eigentlich die Kinks-Tribute CD?

Ray schnappt sich eine mitgebrachte Ausgabe dieses Magazins, summt eine Led-Zeppelin-Transkription testweise herunter, und schaut mich an.

 

G&B: Welche Kinks-Songs sind denn heute noch eine Herausforderung, wenn junge Musiker legendäre Klassiker interpretieren möchten?

Davies: Oh, ich denke ,You Really Got Me‘ ist immer noch sehr interessant, und eine Herausforderung. Viele Leute kapierten einfach nicht, wie man den Song richtig spielt....

Story: Lothar Trampert

 

Das komplette fünfseitige Interview mit Ray Davies kann man in Gitarre & Bass 10/98 nachlesen. Ab Freitag, den 11. September im Zeitschriftenhandel!

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