[de-ergo] NEO-Layout

Hanno Behrens Hanno.Behrens at gmx.de
Thu Jul 22 11:02:41 CEST 2004


Hallo

nachdem ich schon Hartmut Goebel kurz ein neues, ergonomisches Design 
vorgestellt habe, will ich das auch nochmal kurz hier in der 
Mailingliste wiederholen. Das neue Layout nennt sich als Arbeitstitel 
NEO und basiert auf den Erkenntnissen von Dvorak, Meier, eMeier 
beziehungsweise de-ergo. Die bereits durchgeführten Untersuchungen zur 
Ergonomie sind dabei meine Basis, die ich durch Überlegungen zu 
Buchstabenhäufigkeit und Häufigkeit von Buchstabenfolgen erweitert habe.

Ergonomische Layouts existieren bereits seit Dvorak und sogar noch 
früher, dennoch hat sich nichts getan, was Akzeptanz oder überhaupt 
Bekanntheit solcher alternativer Layouts angeht. Sämtliche Versuche, der 
Menschheit eine vernünftiger Methode der Texteingabe zu geben, sind 
bislang als mehr oder weniger gescheitert zu betrachten und ich habe 
kein Interesse weitere Windmühlenkämpfe auszutragen.

Statt dessen sehe ich für mich selbst als Vielschreiber an 
elektronischen Tastaturen, der permanent am Rande von 
Sehnenscheidenentzündungen steht und viel Zeit am Tag mit Schreiben 
verbringt, an einer Stelle, wo er denjenigen, die berufliche 
Notwendigkeit von schneller Erledigung von Schreibarbeit und dergleichen 
sehen, eine Chance gibt, von meinen eigenen Entwicklungen zu 
profitieren, die ich weniger für die Menschheit allgemein, sondern vor 
allem für meine eigenen Bedürfnisse entwickeln will.

Die Notwendigkeit schneller Texteingabe wird mit dem immer stärkeren 
Anteil von Online-Chats, sei es IRC oder ICQ, immer spürbarer. Denn 
nehmen wir eine typische Chatkommunikation mit mehreren Teilnehmern, 
dann zeigt die Beobachtung, dass man durchschnittlich nur etwa eine 
Minute hat, um eine Antwort zu formulieren. Ich selbst schreibe 
10-Fingersystem auf QWERTZ seit knapp 20 Jahren und komme auf etwa 300 
bis 340 Anschläge, das macht in der deutschen Sprache etwa 50-60 Worte 
in der Minute. Um verständliche Gedankengänge oder Argumentationen 
darzustellen und auch noch etwas Zeit für Überlegungen zu haben, wie man 
es im Gespräch gewohnt ist, zeigt sich diese Leistung als nicht 
ausreichend, denn am Ende bleiben von der Zeit für 50 Worte vielleicht 
noch die Zeit für 10 oder 15 übrig, die man mühsam eingehackt kriegt, 
bevor die Diskussion sich weiterentwickelt und das eigene Argument 
untergeht.

Das Verfassen von Texten, selbst beim Programmieren oder Systemarbeiten 
hängt meine eigene Arbeitsleistung oftmals spürbar an diesem 
Eingabelimit, beziehungsweise dieses Limit ist selbst bei der 
Programmierung ein spürbarer Faktor.  Ergonomische Layouts versprechen 
zwischen 30% und 95% höhere Schreibgeschwindigkeiten, die aufzuwendende 
Arbeit von maximal 100 Arbeitsstunden zum Erlernen ist ein durchweg 
akzeptabler Preis, das Zurückschalten auf das ursprüngliche Layout ist 
nach Berichten aus dem Netz anscheinend auch kein Problem.

Warum ein neues Layout und nicht die Wahl auf existierende Layouts?

Da mein Ziel weder (Schein-)Kompatibilität mit bisherigen Layouts ist 
oder andere weltverbesserliche, überregionale Ansprüche, sondern ich den 
simplen Wunsch auf die Verbesserung meiner eigenen Fähigkeiten an der 
Tastatur verwirkliche, rein auf Effizienzbasis, fallen eine Menge 
Paradigmen weg, an die sich andere Layoutdesigner gebunden fühlten. 
Ebenfalls haben sich die Schreibgewohnheiten seit den 70er Jahren leicht 
verändert, was Veränderungen in den Buchstabenstatistiken nach sich 
gezogen hat. Das "Y" beispielsweise wird heute häufiger verwendet, durch 
den Gebrauch von Anglizismen, als in der Vergangenheit. Da meine 
persönlichen Ansprüche allerdings durchaus auf andere Nutzer zutrifft, 
denke ich, läßt sich die Entwicklung auf viele Benutzer übertragen und 
Erfahrungen sind für mich in beiden Richtungen nützlich. Eine 
Veröffentlichung ist sinnvoll und vielleicht sogar nutzbringend.

Die Paradigmen, auf denen das neue Layout basiert, sind folgende:

  1. das schnellste und komfortabelste Schreiben findet auf der
     Grundlinie statt, folglich sollten alle häufigen Zeichen sich auf
     dieser Grundlinie befinden
  2. die Buchstabenpaare, die am häufigsten aufeinander folgen, sollten
     auf beide Hände verteilt werden, das ist ebenfalls für die
     Schreibgeschwindigkeit positiv
  3. lassen sich bestimmte Buchstabenfolgen konzeptionell nicht auf
     beide Hände verteilen, so sollten sie Trommelabläufen von innen
     nach außen folgen, optimaler Weise mit einem Finger dazwischen,
     sprich von Zeigefinger auf Ringfinger oder kleinen Finger, vom
     Mittelfinger auf kleinen Finger und notfalls umgekehrt, immer
     streng nach Häufigkeitsverteilungen geordnet.
  4. die stärkste Belastung sollte auf Zeige- und Mittelfinger liegen,
     die obere Reihe ist der unteren vorzuziehen, Ring- und kleiner
     Finger sollten möglichst wenig in die Ober- oder Unterreihe
     ausweichen müssen.
  5. es soll ein Layout für Rechtshänder werden, denn ich bin
     Rechtshänder. Linkshänder können das Layout notfalls umkehren,
     darum mache ich mir keinerlei Gedanken
  6. die deutsche Sprache hat Vorrang, da sie mein
     Hauptkommunikationsmittel ist, danach folgen Rücksichtnahme auf
     die englische Sprache, Anglizismen, Programmierung und
     Shellbefehle (Unix).
  7. ist der Platz für eine Taste statistisch ambivalent ein neuer oder
     der alte Platz, sollte sie der leichteren Umlernbarkeit auf dem
     alten Platz bleiben
  8. ist der Platz für eine Taste statistisch ambivalent, sollte sie in
     logischen Blöcken angeordnet bleiben, da Erlernbarkeit und
     Geschwindigkeit durch ausnutzen von Mnemoblöcken einen Vorteil
     verspricht. Zudem ist eine solche Ordnung für einen
     "Sichtschreiber" einfacherer.
  9. unvermeidbare "worst case" Szenarien, wie das Hoch- Runterspringen
     von Fingern sollten statistisch irrelevant bleiben
 10. herkömmliche Tastaturen sollen Verwendung finden, ergonomische
     Neuordnung der Tasten ist nicht geplant (obwohl einige Ideen dazu
     bestehen)

Die bisherigen Layouts verletzen oft mehrere dieser Paradigmen, weshalb 
ich mir Gedanken für eine grundsätzliche Neustrukturierung gemacht habe. 
Zwar stellt die Verteilung der Vokale auf die linke Hand durch Dvorak 
einen guten Heurismus dar, mit dem einige der wichtigsten Paradigmen 
eingehalten werden und Meier hat diese Anordnung mit seiner Tastatur in 
einer Weise verbessert, an der ich zur Zeit keinerlei weitere 
Optimierungsmöglichkeiten mehr sehe, aber was die Anordnung der 
Konsonanten angeht, sind bisherige Layouts, zumindest nach diesen 
Paradigmen, noch unbefriedigend und lange nicht optimal.

Machen wir uns nichts vor - das optimale Layout ist eines, das man 
statistisch aus etwa 30 und mehr Fakultät Möglichkeiten herausfischen 
müsste, es wird immer ein Layout geben, das noch etwas besser ist als 
das, was man entwickelt hat. Mein Ziel ist es deshalb nicht, jenen 
heiligen Gral zu finden, sondern etwas, das von Heuristiken 
-Erfahrungswerten- profitiert, eine gute Annäherung an dieses Optimum 
darstellt. Eine solche Heuristik scheint mir etwa die Dvorak-Idee zu 
sein, die Vokale auf die linke Hand zu verlagern. Dass diese Belegung 
ziemlich optimal ist, läßt sich sogar statistisch nachweisen, wenn man 
sieht, dass EN, ER, DE, ND und UN zu den häufigsten Buchstabenfolgen der 
deutschen Sprache gehört. Folglich sollten E und U auf einer Hand 
liegen, ND auf der anderen. Diesen Gedankengängen kann man weiter durch 
die Sprachstatistik folgen und am Ende liegen praktisch alle Vokale 
sinnvoll auf einer Hand. Die Kryptologie liefert hier teilweise 
exzellentes Material über Buchstabenhäufigkeit und -verteilung, auf die 
ich mich stütze.

Die sich daraus ergebenden, weiteren Schlussfolgerungen führen am Ende 
zu einem Layout, das ich hiermit vorstellen möchte. Es ist noch in 
Erprobung, aber erste statistische Tests zeigen, dass meine Paradigmen 
der Entwicklung recht geben. So habe ich etwa einen Test mit den 
häufigsten deutschen Worten und Wortbildungen auf verschiedene Layouts 
laufen lassen und bekam folgendes Ergebnis auf der Grundreihe:

QWERTZ    - 75 Worte
Dvorak     ~ 1400 Worte
de-ergo    ~1600 Worte
NEO     > 3600 Worte

Dieses Ergebnis ist schon mal vielversprechend, obwohl mein Ziel 
keinesfalls war, möglichst viele Worte auf die Grundreihe zu bringen. 
Das ist nur ein statistischer Nebeneffekt der Häufigkeitsverteilung 
meines Designs, der mich selbst überraschte. Erste Gehversuche geben ein 
ziemlich rundes Schreibverhalten des Layouts wider, allerdings stehen 
ausgiebige statistische Tests über das Tastverhalten noch aus und werden 
von mir in den nächsten Tagen nachgeliefert. Notfalls behalte ich mir 
Änderungen des Designs vor, sollte ich Fehler darin finden.

Für diejenigen, die das Layout testen wollen, existiert eine Keymap für 
Linux/xkb, die ich bisher, vorerst nur zum Test, als Untergruppierung 
des Dvorak-Layouts implementiert habe, zudem ein Schreiblern-Test, der 
sich so nah wie möglich am DIN-Schreibmaschinenkurs hält, aber für das 
neue Mapping angepasst wurde und dort aufhört, wo die Gemeinsamkeiten 
des QWERTZ-Layouts und dem NEO beginnen, sprich bei den Zahlen und den 
Testbriefen.

Hartmut Goebel bot sich an, die entsprechenden Files bei Bedarf auf 
seiner Homepage bereitzustellen und so einen zentralen Punkt zu schaffen.

Als nächste Schritte werde ich Testergebnisse des Layouts liefern, 
einige Statistiken mit üblichen Texten, außerdem hoffe ich, dass ein 
Freund für mich das Layout für Windows XP übersetzt.

Hier das NEO-Layout in seiner bisherigen Fassung:

1 2 3 4 5 6   7 8 9 0 - ´
 Q V L C W | K H G F J ß/?
 U I A E O | S N R T D Y
 Ö Ü Ä P Z | B M , . X

Statistiken für NEO
Obere Reihe: 20%
Mittelreihe: 70%
Untere Reihe: 10%

Rechte Hand 53 %
Linke Hand  47%

Finger von links nach rechts
4%, 8%, 9%, 26%; 27%, 13%, 8%, 5%

Kommentare erwünscht.

Hanno Behrens






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