Erster Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt.
Erhard Hübener war der Sohn eines evangelischen Pfarrers. Seine
Familie war seit Jahrhunderten in der Altmark ansässig, konservativ und kaisertreu.
Regelmäßigen Schulbesuch absolvierte er nur 3 Jahre. Danach ging er nur noch zeitweise
zur Schule, erhielt aber ergänzenden Unterricht vom Vater gemeinsam mit seiner Schwester
in Latein, Französisch und anderen Fächern. 1894 besuchte er das Gymnasium in Seehausen
(Altmark) und wechselte von dort an die Landesschule Schulpforta. Dieser
Bildungseinrichtung, wo er 1901 das Abitur ablegte, erinnerte er sich auch später noch
gern. Mit der Strenge der Ausbildung verband sich für ihn die Erziehung zur Gemeinschaft,
zur Selbstständigkeit des Denkens, zur Ökonomie geistiger Arbeit. Diese Qualitäten
waren ihm lebenslang hilfreich und führten z. B. dazu, dass Hübener trotz finanzieller
Engpässe und dadurch bedingter dreisemestriger Tätigkeit als Hauslehrer auf einem
holsteinischen Rittergut das folgende Studium, Staatswissenschaft und Geschichte an den
Universitäten Kiel und Berlin, in kürzester Frist, 1905, mit der Promotion beendete.
Nach dem Doktorexamen arbeitete er zunächst als Hilfsarbeiter, anschließend war er
volkswirtschaftlicher Sekretär und Syndikus in einem Handelshaus in Berlin.
1909 heiratete er Otti Bornemann, eine Freundin seiner Schwester, mit
der er in Tacken viele Ferien verbracht hatte.
Den Ersten Weltkrieg erlebte er als Offizier mit. Hübener absolvierte
den Militärdienst von 1914 bis 1918; Bei aller Hochschätzung für das Soldatische
und die sog. soldatischen Tugenden, verfiel er nicht in eine Begeisterung für den Krieg
als solchen, sondern für die bewusste Einordnung, die Disziplin und die Erfüllung der
"verdammten Pflicht und Schuldigkeit" in einem furchtbaren, doch, so sah er es
mit der Masse seiner deutschen Zeitgenossen, von außen aufgezwungenen Geschehen.
Als er 1919 ins preußische Handelsministerium wechselte, galt er
bereits als ausgewiesener Nationalökonom, gestandener Offizier und auch schon als in
Wahlkämpfen erprobter Demokrat. Der Handelsminister Fischbeck holte ihn, um wenigstens
einen bewährten Demokraten in seiner Behörde zu haben. 1922 bewarb er sich, aus Verdruss
über seine demokratiefeindlichen Kollegen, um die Stelle als Stellvertreter des
Landeshauptmanns in der Provinz Sachsen. 1924, als sein Vorgänger nach Berlin ging, wurde
Hübener zum Landeshauptmann gewählt. Er hat sich in diesem Amt stets als
"politischer Beamter" gefühlt dem es nicht um Parteipolitik ging, sondern um
eine erfolgreiche Konsensfindung in den Gremien von Provinziallandtag und
Provinzialausschuss. Die Anerkennung seiner Arbeit zeigte sich u. a. darin, dass der
Provinziallandtag 1930 mit den Stimmen von der Sozialdemokratie bis zu den
Deutschnationalen, abgesehen von den Kommunisten und den Nationalsozialisten, seiner
Wiederwahl zustimmte. Später sagte er einmal: "Ich bin zur Politik gekommen wie die
Jungfrau zum Kinde: Nicht ganz schuldlos, aber ohne jede Absicht." In seiner Amtszeit
beteiligte er sich auch an Vorschlägen zur föderalen Neuordnung und stellte das Konzept
zur Bildung eines Landes Sachsen-Anhalt der Öffentlichkeit vor.
Nach 1933 folgten zwölf bittere Jahre der Ausschaltung, die Hübener
dem Studium, in Jena und Wernigerode, wissenschaftlicher und künstlerischer Probleme und
der Abfassung von kleineren Schriften widmete. Anschließend, 1941/42,
Militärdienst in der deutschen Wehrmacht.
1945 kam die Berufung in das alte Amt eines Landeshauptmanns durch die
Amerikaner und, ehe er noch diese Tätigkeit richtig aufgenommen hatte, die Ernennung zum
Präsidenten der Provinz Halle-Merseburg durch die Organe der Sowjetischen
Militäradministration. Im gleichen Jahr gründete er in Halle die LDP mit und 1946 wurde
er Professor für Verwaltungs-Lehre und Verwaltungs-Wissenschaft an der Martin Luther
Universität zu Halle-Wittenberg.
Nach den Wahlen am 04. Dezember 1946, wird Erhard Hübener
Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt und zugleich Justizminister. Er ist der
einzige Ministerpräsident der sowjetischen Zone, der nicht der SED angehört. 1948 tritt
er als Justizminister zurück. Anlass war die Aufhebung eines Landesgesetzes durch die
Zentralverwaltung, welches ehemaligen Parteimitgliedern der NSDAP, die als Mitläufer
eingestuft waren, die Zulassung zum Staatsdienst ermöglichen sollte.
Hübener hat großen Anteil, dass jene überraschende gesamtdeutsche
Ministerpräsidentenkonferenz in München 1947 zu Stande kam, weil er erst mit der Drohung
seines Rücktritts die Reise der ostdeutschen Regierungschefs der SMAD abtrotzte. Dort
verdeutlichte er immer wieder mit dem Hinweis auf die "gebundene Marschrichtung"
der Teilnehmer aus der Sowjetischen Besatzungszone, wie dünn das Eis ist, auf dem sie
sich bewegten. Er war schließlich einer der drei, die bis zur letztmöglichen Chance zum
konstruktiven Gespräch am Orte des Geschehens blieb, um für die auf eine gesamtdeutsche
Lösung hoffenden Menschen ihre Pflicht zu erfüllen. Das augenscheinlich mangelnde
Verständnis der westdeutschen Ministerpräsidenten für die besondere Lage in der
Sowjetischen Besatzungszone blieb ihm unverständlich und enttäuschte ihn tief. Im
Schatten der Währungsreform, Berliner Blockade und der Bildung zweier Staaten auf
deutschem Boden war für Hübeners amtliches Wirken nach seinem Verständnis kein Platz
mehr. Als sich mit der Gründung der DDR die politische Möglichkeit des Rücktritts
ergab, nahm er diese wahr. Dennoch behielt er, damals für einen Politiker in seiner Lage
durchaus ungewöhnlich, trotz bestehender persönlicher Verbindungen in die Bundesrepublik
seinen Wohnsitz in der DDR und nahm im Oktober 1949 eine Lehrtätigkeit als Professor für
Verwaltungskunde in Halle auf.