Die ukrainische Wirtschaft zeigt sich von den politischen Unsicherheiten unbeeindruckt.
Gregor Holek, Raiffeisen Capital Management
Von Gregor Holek, Fondsmanager im Team Emerging Markets Aktien bei Raiffeisen Capital Management
In den Schlagzeilen westlicher Medien scheint Ukraine vor allem immer wieder im Zusammenhang mit politischen Unruhen auf zuletzt im April als Präsident Viktor Juschtschenko das Parlament auflöste, nachdem die von Ministerpräsident Viktor Janukowitsch geführte Koalition aktiv Abgeordnete der Opposition anwarb. Nach dem knappen Ausgang der Parlamentswahlen Ende September, bei der die Partei der Regionen unter Ministerpräsident Viktor Janukowitsch 34,4% der Stimmen für sich entschied und der Julia Timoschenko Block überraschend auf einen Stimmanteil von 30,7% kam, wird die Zusammensetzung der neuen Regierung in den nächsten Wochen erst noch verhandelt werden. Als wahrscheinlich gilt derzeit entweder eine große Koalition zwischen Janukowitsch und Timoschenko, oder eine Neuauflage der prowestlichen Koalition unter Führung von Julia Timoschenko, wie es sie schon 2004 nach der Orangen Revolution gab.
Kräftiges Wirtschaftswachstum
Die ukrainische Wirtschaft zeigt sich unterdessen von der politischen Unsicherheit unbeeindruckt und sollte heuer erneut ein erfreuliches Wachstum von rund 7% verzeichnen. Seit 2000 ist das reale Bruttoinlandsprodukt um durchschnittlich 7,4% pro Jahr gewachsen. Die Inflation sollte heuer auf unter 10% zurückfallen, und die Arbeitslosigkeit und Armut erneut sinken.
Wichtigste Ursache des Aufschwungs in Ukraine ist die außergewöhnliche Stahlkonjunktur, so machen Metalle rund 43% aller ukrainischen Exporte aus. Dank der hohen Preissteigerungen bei Stahl in den letzten Jahren haben sich die Gewinne der lokalen Stahlunternehmen vervielfacht und die wirtschaftliche Entwicklung unterstützt.
Höhere Konsumausgaben
Zwischenzeitlich ist aber auch die lokale Nachfrage zu einer treibenden Kraft des Wirtschaftswachstums geworden. Steigende Löhne und Einkommen sowie die massive Ausdehnung von Verbraucherkrediten haben die Konsumkraft deutlich erhöht.
Die Dominanz der Stahlindustrie stellt aber auch ein großes Risiko für Ukraine dar. Sinkende Metallpreise durch ein Nachlassen der weltweiten Nachfrage könnten schnell zu einer Abkühlung der Konjunktur führen. Zudem bringt die energieintensive Schwerindustrie eine hohe Abhängigkeit von Gasimporten aus Russland mit sich. Die seit Jahren kontinuierlich steigenden Energiepreise verursachten so eine Verschlechterung der Handelsbilanz, auch wenn Ukraine russisches Gas derzeit noch unter den Weltmarktpreisen bezieht.
Gebremste Investitionen
Die ausländischen Direktinvestitionen fielen bisher schwächer aus, als man es im Vergleich mit anderen Staaten im CEE-Raum hätte erwarten können. Immerhin bietet das Land vergleichsweise geringe Lohnkosten, geografische Nähe zur EU und einen attraktiven Binnenmarkt mit rund 47 Millionen Einwohnern.
Mit ein Grund dafür ist die hohe politische Unsicherheit in Ukraine, die sich in hohen regulativen und rechtlichen Hürden bei unternehmerischen Projekten sichtbar macht. Mangelnde Transparenz und Korruption hemmen die Investitionsbereitschaft westlicher Investoren, zudem wirkt sich die hohe Anzahl von staatlichen und halbstaatlichen Unternehmen, bei denen die Corporate Governance oft undurchsichtig ist und die den Eintritt neuer Marktteilnehmer eher behindern, nachteilig aus.
Auch wenn die bisherigen politischen Turbulenzen die wirtschaftliche Entwicklung der Ukraine nicht bremsen konnte, steht die neue Regierung vor der Herausforderung, die überfälligen Strukturreformen umzusetzen und für ein stabileres Investitionsklima zu sorgen, ansonsten droht bei einem Abschwung der Stahl-Hochkonjunktur oder einer Verlangsamung des Wachstums in Russland ein böses Erwachen.
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