Der Mensch vergisst schnell, sagt der Volksmund. Das gilt auch an der Börse. Nach fast zwei Jahren negativen Meldungen aus der Wirtschaft und 15 Monaten Kursverlusten an den Aktienbörsen hat sich bei vielen Investoren der Eindruck eines unabänderlichen Abwärtstrends eingebrannt. Daher haben viele Anleger die Anzeichen einer deutlichen Erholungstendenz in den vergangenen Wochen noch gar nicht registriert. Die Marktpsychologie, die wir ständig in unsere Analysen einbeziehen, spricht an dieser Stelle von Framing. In einem negativen Rahmen werden alle positiven Meldungen ausgeblendet, um die eigene Überzeugung nicht ändern zu müssen.
Wie in unserer Markteinschätzung von Anfang. März 2009 prognostiziert, haben die Aktienmärkte ihre Tiefpunkte von Ende Februar seitdem nicht mehr erreicht. Ein Ausverkauf an den Börsen ist nicht mehr unmittelbar zu befürchten. Diese positive Einschätzung hat sich nun verstärkt. Die Einigkeit der führenden Industrienationen im Rahmen des Londoner G-20-Gipfels hat die Aktienmärkte beflügelt. Insbesondere das 1.100 Milliarden US-Dollar teure Programm zur Lösung der Wirtschaftskrise motivierte die Mehrheit der aktiven Anleger, wieder in die Aktienmärkte zu investieren. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Erholungstrend fortsetzen wird. Im deutschen Aktienbarometer DAX halten wir Zielkurse um die 5.000 Punkte für realistisch, beim US-Index Standard & Poors 500 sind Kurse um die 1.000 Punkte nicht unwahrscheinlich.
Der Wermutstropfen: Leider bewegen wir uns, jedenfalls nach derzeitigem Stand, immer noch grundsätzlich in einem Bärenmarkt. Die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft sind immer noch nicht in vollem Umfang abzusehen. Ob die gegenwärtige Erholung diesen Trend durchbricht, ist nicht unmöglich, aber eher unwahrscheinlich. Sehr wichtig wird daher sein, wie die nun vorgelegten Unternehmensergebnisse im Detail aussehen. Diese werden zeigen, wie sich die Aktienmärkte über die kurzfristige Erholung hinaus weiter entwickeln könnten.
Der Autor Dr. Alexander Seibold ist bankunabhängiger Vermögensverwalter und Experte des Internetportals Vermögensprofis.de. Er war dank ETFs 2008 einer der erfolgreichsten Vermögensverwalter in Deutschland
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