Von Stefan Grünwald, Fondsmanager Global Fixed Income, Raiffeisen Capital Management
Osteuropa steht stark im Rampenlicht von Anlegern und Medien. Der rasante konjunkturelle Einbruch in der gesamten Region, massive Kursverluste der lokalen Währungen gegenüber Euro und Dollar, Herabstufungen durch die internationalen Ratingagenturen und Befürchtungen über die Finanzierungssituation der osteuropäischen Staaten sorgten für hohe Volatilität, wachsende Verunsicherungen und eine ganze Anzahl mehr oder minder reißerischer Medienberichte. Einige prognostizieren nichts weniger als einen bevorstehenden finanziellen Kollaps der Region, der das gesamte europäische Bankensystem in den Abgrund reißen könnte. Im Zuge dessen gerieten angesichts des starken Engagements österreichischer Banken in Osteuropa beispielsweise auch österreichische Staatsanleihen unter Druck.
Ukraine im Zentrum der Turbulenzen
Es liegt uns fern, die zweifellos vorhandenen Risiken und Problemfelder herunterzuspielen. Dass die herumgereichten Katastrophenszenarien eintreten werden, ist aus heutiger Sicht allerdings unwahrscheinlich. Die Fakten stützen derlei Projektionen derzeit nicht.
Im Zentrum des Sturmes stand und steht die Ukraine. Ihre Währung hat am stärksten gelitten und das Land scheint politisch und wirtschaftlich am anfälligsten. Dass die für weitere IWF-Hilfen erforderlichen politischen Maßnahmen in näherer Zukunft getroffen werden, ist unwahrscheinlich. Der Verlust des Investmentgrade Ratings für die Ukraine Ende Februar kam daher alles andere als aus heiterem Himmel. Gleichwohl fiel die Marktreaktion sehr heftig aus, zumal nahezu zeitgleich auch für die baltischen Staaten Ratingverschlechterungen verkündet wurden.
Fakten stützen Katastrophenszenarien derzeit nicht
Die Gefahr, dass weiteren Staaten der Region, insbesondere den CEE-3 Polen, Ungarn und Tschechien, ein ähnliches Schicksal droht, ist aus unserer Sicht bis auf weiteres jedoch gering. Dafür sorgt nicht nur die Einbindung dieser Staaten in die EU, sondern auch ihre wirtschaftliche und politische Situation, die sich ungleich besser darstellt als die der Ukraine. Dass die EU kein generelles Paket für Osteuropa geschnürt hat, sondern fallweise und zusammen mit IWF und Weltbank agieren will, sollte nicht dahingehend missverstanden werden, dass im Zweifelsfall keine Hilfe bereitgestellt wird.
Entgegen so manchen Berichten und Annahmen ist zudem zu beobachten, dass zentral- und westeuropäische Banken aktuell weiterhin Finanzmittel für ihre osteuropäischen Töchter bereitstellen. Diese werden also zumindest bislang durchaus nicht sich selbst überlassen, wie von einigen befürchtet oder prophezeit wird.
Zudem sind viele Staaten der Region selbst jenseits von Hilfspaketen durchaus gewappnet, um der Krise entgegenzutreten. Verbale Interventionen der nationalen Notenbanken haben die Währungen bereits stabilisieren können und es ist davon auszugehen, dass substantielle reale Interventionen folgen werden, falls erforderlich. Zugleich sollte nicht unterschätzt werden, dass die kräftigen Währungsabwertungen zusammen mit dem wirtschaftlichen Einbruch einen stabilisierenden Effekt für die Leistungsbilanzsituation der meisten Staaten haben werden, indem Exporte verbilligt und Importe sowohl verteuert als auch reduziert werden. Einzelne Länder, die ihre Währungen an den Euro gebunden haben (z.B. die baltischen Staaten und Bulgarien) und denen dieser Puffer daher fehlt, werden in den kommenden Monaten sicherlich stärker leiden. Ihr Rating steht bei ausbleibender Währungsabwertung in den nächsten 1-2 Jahren mit größerer Wahrscheinlichkeit zur Disposition als das Rating für Staaten mit weitgehend flexiblen Währungsregimen.
Risikofaktor Fremdwährungskredite
Zugleich sind Währungsabwertungen selbstverständlich kein Allheilmittel, da sie Haushalte und Unternehmen mit Fremdwährungsverbindlichkeiten massiv belasten und über drohende vermehrte Kreditausfälle letztlich auch die Banken und gegebenenfalls die Staatsbudgets strapazieren, wenn letztere zur Bankenrefinanzierung herangezogen werden. Die in den letzten Jahren sprunghaft gestiegenen Fremdwährungsverbindlichkeiten von privaten Haushalten und Unternehmen stellen daher zweifellos ein erhebliches Risikopotential dar.
Sie scheinen im Verhältnis zur Größe der einzelnen Volkswirtschaften und zu den vorhandenen Ressourcen von EU und IWF allerdings beherrschbar, zumal eine kräftige Aufstockung der IWF-Mittel geplant ist. Selbst für die stark angeschlagene Ukraine ist zumindest für 2009 die Bedienung der Auslandsverbindlichkeiten nicht so sehr eine Frage des finanziellen Könnens als vielmehr des möglicherweise politischen Nicht-Wollens.
Konvergenzprozess Osteuropas insgesamt intakt
Die Gesamtverschuldungssituation der CEE-Länder in Fremdwährungen und deren Bankenrisiko sowie die Wachstumsaussichten werden zweifellos das bestimmende Thema bleiben und aufgrund des sich weiter verschlechternden Wachstumsbildes muss in den kommenden Monaten mit weiteren Ratingaktionen in der Region gerechnet werden.
Fakt ist andererseits aber auch, dass sowohl Ratingagenturen als auch vor allem Marktteilnehmer sehr viel an noch zu erwartenden negativen Entwicklungen bereits vorweggenommen und eingepreist haben. Eine moderate weitere Verschlechterung der fundamentalen Rahmenbedingungen muss daher nicht zwangsläufig zu neuerlichen Turbulenzen führen. Beispielsweise führte die Herabstufung Ungarns durch S&P und Moodys Ende März bei ungarischen Anleihen und der Währung zu keiner negativen Reaktion mehr, obwohl damit das Risiko gestiegen ist, dass das Land sein Investmentgrade-Rating künftig verlieren könnte.
Längerfristig sehen wir den Konvergenz- und Aufholprozess Osteuropas trotz der aktuellen Schwierigkeiten der Region als intakt an. Osteuropäische Anleihen dürften daher auch künftig ein attraktives langfristiges Investment darstellen. Obwohl Währungen und Anleihenkurse seit Mitte 2008 eine kräftige Korrektur durchliefen, ließen sich mit Osteuropa-Anleihen per Saldo über die letzten zehn Jahre immer noch jährliche Erträge um die 6-7% erzielen. Das liegt weit über dem Ertrag, den deutsche Staatsanleihen brachten und schon in der Nähe langfristiger Aktienrenditen.
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