Der G-20-Gipfel hat nach meinem wirtschaftspolitischen Ermessen zwei Fronten: Zum einen die Seite der Kontinentaleuropäer, welche eine gezielte Überwachung und vor allem professionelle Kontrollmechanismen an den Finanzmärkten einfordern, zum anderen die Seite der Amerikaner, Briten und Chinesen, welche von den restlichen Industrienationen verlangen, weitere milliardenschwere Konjunkturpakete zu schüren, um den güterwirtschaftlichen Leistungsprozess zu stimulieren. Aufgrund dieser politischen Diskrepanzen sollten meiner Meinung nach die Erwartungen an den Gipfel auch nicht all zu hoch gesteckt werden. Ich bezweifle, dass man in wenigen Stunden die ökonomischen Problematiken der letzten Jahre komplett aufarbeiten kann und die nachhaltig richtigen Entscheidungen treffen wird, die anschließend im Konsens auch tatsächlich umgesetzt werden.
Als Ökonom und aktiver Marktteilnehmer bin ich der Auffassung, dass die Aufmerksamkeit den Finanzmärkten gelten sollte, da diese den Kreislauf in der Realwirtschaft nachhaltig refinanzieren und nicht die staatlichen Rettungspakete. Um hierbei Stabilisation zu erfahren, müssen vertrauensbildende Maßnahmen geschaffen werden. Die Maßnahmen der US-Regierung, monatlich ihre Konjunkturprogramme zu erhöhen, einen Großteil der Wallstreet zu verstaatlichen und die Druckerpresse anzuwerfen, konnten das Marktvertrauen bisher nicht wieder aufbauen. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass diese Milliarden an Staatsschulden auch zurückbezahlt werden müssen, so dass nach meiner ökonomischen Sicht für eine Wiederbelebung des marktwirtschaftlichen Vertrauens ein ordnungspolitischer Rahmen entwickelt werden muss, in dem die Finanzmärkte überwacht werden. Dieser ordnungspolitische Rahmen darf aber unter keinen Umständen die Marktwirtschaft geißeln, sondern nur vor Übertreibungseffekten schützen.
Was führte zu dieser Krise?
Das freie marktwirtschaftliche Grundgerüst ist in seiner Funktion nicht zu jedem Zeitpunkt effizient, zumindest aus sozialpolitischer Sichtweise, so dass sich die so genannten Selbstheilungskräfte des Marktes durchaus auf den ersten Blick zerstörerisch, nachhaltig aber durchaus bereinigend auswirken werden. Nach meiner Auffassung sollte immer ein gewisser Grad an Regulierung bestehen, um die sozialpolitische Komponente nicht zu gefährden. Genau hier besteht aber die Problematik, da bereits Ende der 90er Jahre in den USA die strikte Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken durch den damaligen Präsidenten Bill Clinton aufgehoben wurde. Die Geschäftsbanken stellten anschließend den Eigenhandel stark in den Vordergrund, um mit den Einlagen der Sparer zu spekulieren. Außerdem erachte ich als problematisch, dass die Investmentbanken in der Vergangenheit weder durch den Einlagensicherungsfonds, noch durch die US-Notenbank beaufsichtigt wurden. Die unzähligen Zweckgesellschaften der Geschäftsbanken, in denen die Kreditforderungen im horrenden Ausmaß verbrieft und an Investoren verkauft wurden, wurden außerhalb der eigenen Bankbilanz geführt, so dass auch hier keinerlei Aufsicht vorhanden war. Nach meinen Analysen wurde von diesen "giftigen" Wertpapieren bis Ende 2007 weltweit ein Volumen in Höhe von über 2800 Mrd. Dollar geschaffen.
Außerdem sollte der frühere Chef der US-Notenbank Alan Greenspan mit in die Verantwortung genommen werden, der zwischen 2000 und 2004 die Zinsen zu nachhaltig auf einem zu niedrigen Niveau fesselte, so dass über einige Jahre negative Realzinsen entstanden. Dieses veranlasste die US-amerikanische Bevölkerung Immobilieneigentum zu erwerben, auch wenn man es sich eigentlich nicht leisten konnte. Damit waren die Vorraussetzungen für die Krise geschaffen: Die ersten Unternehmensgruppen, welche die Konsequenzen dieser Übertreibung und der daraus entstandenen systematischen Krise zu spüren bekamen, waren die US-Hypothekenfinanzierer, da diese im Glauben eines ewig ansteigenden Zyklus der Immobilienpreise die Kreditvergabe an Schuldner mit nur mäßiger oder schlechter Bonität (Subprime) stark ausweiteten. Aufgrund des deutlichen Preisverfalls der US-Immobilien ab dem Jahr 2007 mussten über 340 dieser Immobilienfinanzierer Insolvenz anmelden und so infizierte die Krise die Investorengruppen, vor allem Hedgefonds, Investmentbanken und Geschäftsbanken.
Diese Investoren hatten in Anlageklassen investiert, die mit Subprimekrediten besichert wurden (Mortgage Bonds und Asset Backed Securities) und bis heute horrende zweistellige Wertverluste hinnehmen mussten. Die Zweckgesellschaften, welche im großen Stil die Bündelung von Kreditpapieren mit schlechter Bonität zu neuen Wertpapieren vorgenommen hatten, mussten jetzt durch ihre Muttergesellschaften (Geschäftsbanken) aufgefangen werden. Bis dato wurden weltweit über 1250 Mrd. Dollar durch die Marktteilnehmer der Finanzwelt abgeschrieben. Nach meiner ökonomischen Auffassung steht fest, dass durch die unregulierten Übertreibungseffekte an den Kreditmärkten und der durch Notenbank und Regierung geschaffenen künstlichen Nachfrage nach Immobilien, die Ursachen für die gegenwärtige Finanzkrise zu finden sind.
Das ökonomische Ziel
Für mich bedeutet das, dass der G-20-Gipfel nur Erfolg haben kann, wenn die Staaten für die Finanzmärkte einen richtigen Ordnungsrahmen entwickeln, da im sozialpolitischen Sinn die Selbstheilung der Märkte nicht zu jedem Zeitpunkt effizient ist beziehungsweise funktioniert, was die aktuelle Krise beweist. Aufgrund dieser Fehlentwicklungen ergeben sich aus meiner Sicht die Anforderungen an eine neue Architektur globaler Finanzmärkte.
Hedgefonds und Banken dürfen unter keinen Umständen erneut einen solchen Missbrauch mit ihren Einlagen beziehungsweise dem Investitionskapital wiederholen können. Die Schwierigkeit wird sein, die Märkte nicht überzuregulieren und durch staatliche Institutionen zu geißeln. Wie in meinen vorherigen Beiträgen mehrfach dokumentiert, gilt meine ökonomische Überzeugung der freien Marktwirtschaft.
Dennoch müssen Institutionen, welche in ihrer Expansion eine systemrelevante Größe erreichen, deutlich stärker reguliert und überwacht werden, damit die nächsten Generationen nicht erneut diesen Problematiken ausgesetzt werden.
Ihr Markus Zschaber
Markus C. Zschaber ist leitender Fondsmanager der V.M.Z. Vermögensverwaltungsgesellschaft (www.zschaber.de) in Köln. Nach seinem BWL-Studium ließ er sich in den USA bei der Chase Manhattan Bank zum Fondsmanager ausbilden und kehrte danach wieder zurück in seine Wahlstadt Köln. Bereits mehrfach ausgezeichnet für sein Portfoliomanagement, zuletzt als "Bester Fondsverwalter 2008"durch den "Handelsblatt-Elite-Report", kennen ihn die n-tv-Zuschauer seit 1997 als Experte unter anderem in der Telebörse, dem Investment-Check, Börse@n-tv oder dem Geldanlagecheck. Zwei seiner Fachbücher konnten Leser bereits in den Bestseller-Listen finden, zuletzt das Buch "Der Börse voraus" als Gemeinschaftsproduktion mit dem Nachrichtensender n-tv.
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