Stark fallende Rohstoffpreise brachten der Börse in Moskau massive Kursverluste.
Angelika Millendorfer, Raiffeisen Capital Management
Die Börse in Moskau zählte im abgelaufenen Jahr zu den größten Verlierern weltweit. Vor allem ein Einbruch bei den Rohstoffpreisen brachte die Aktien sowie die russische Währung unter massiven Druck. Auch 2009 sind die Wirtschaftsaussichten eingetrübt, allerdings bei Aktienbewertungen, die weit unter ihrem fairen Wert notieren, meinen die Experten von Raiffeisen Capital Management (RCM).
Unter der Annahme von 60 US-Dollar/Barrel als Durchschnittswert für den Ölpreis erwartet Raiffeisen Capital Management (RCM) für 2009 ein russisches Wirtschaftswachstum von ca. +3,5 %, ein Budgetdefizit von -0,8 % des BIP und ein Leistungsbilanzdefizit von um die -1,5 %. Sollte der Ölpreis durchschnittlich lediglich 40 US-Dollar/Barrel betragen, dann verschlechtern sich diese erwarteten Zahlen auf nur noch 1% Wirtschaftswachstum, ein Budgetdefizit von -3 % des BIP und ein Leistungsbilanzdefizit von -4 %, so Angelika Millendorfer, Leiterin des Teams Emerging Markets Aktien bei Raiffeisen Capital Management.
Millendorfer: Diese Zahlen stellen zwar eine drastische Verschlechterung zu den Werten der Vorjahre dar. Im globalen Kontext der Finanz- und Wirtschaftskrise sind sie allerdings als vergleichsweise robust zu bewerten.
Wie viele andere Regierungen hat auch die russische mehrere Stützungs- und Hilfspakete auf den Weg gebracht, vor allem, um dem russischen Bankensektor unter die Arme zu greifen. Diese Maßnahmen sind zwar auch für Russland kostspielig, müssen aber aufgrund angesammelter Gewinne aus der Zeit hoher Ölpreise nicht wie von den meisten anderen Nationen über Neuverschuldung finanziert werden. Zu beobachten ist, dass im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise eine schleichende Wiederverstaatlichung wichtiger Industrieunternehmen erfolgt.
Der Rubel ist in den letzten Wochen deutlich unter Druck geraten und wird weiter abwerten. Das Ausmaß ist derzeit schwer abzuschätzen, doch ist eine 10 %ige Abwertung gegenüber dem EUR/USD Währungskorb durchaus vorstellbar, so die Russlandexpertin.
Um eine Panik in der Bevölkerung zu vermeiden, hat sich die russische Zentralbank entschlossen, die Währung nur langsam abzuwerten. Die Rubelentwertung 1998 im Zuge der damaligen Russlandkrise ist noch stark in den Köpfen verankert. Da Stützungskäufe seitens der Zentralbank auf die Dauer zu kostspielig sind, rechnet RCM mit einer rascheren Abwertung des Rubels.
Millendorfer: Neben der Rohstoffpreisentwicklung und der globalen Finanzkrise ist die vielfach sehr mangelhafte corporate governance bei russischen Unternehmen aus unserer Sicht ein kritischer Punkt. Das Bild war diesbezüglich schon vor der Krise sehr heterogen. Es besteht die Gefahr, dass Unternehmen ihre Bemühungen in diesem Bereich in näherer Zukunft nicht intensivieren werden.
Viel wird auch vom Krisenmanagement der russischen Regierung abhängen. Wichtig sind neben einer schnellen und effizienten Verwendung der finanziellen Ressourcen für die Stabilisierung des Bankensystems und für die Sicherung der kurzfristigen Refinanzierungen der Unternehmen eine balancierte Abwertung des Rubels sowie eine effektive Stimulierung der Volkswirtschaft durch vorgezogene Infrastrukturinvestitionen. Wie so oft zeigen sich in Krisenzeiten Systemschwächen besonders stark, auch in Russland. In der Unternehmensbewertung trägt RCM diesem erhöhten Risiko durch das Einkalkulieren einer höheren Risikoprämie Rechnung.
Der investment case Russland liegt angesichts dessen kurzfristig in der stark überverkauften Marktsituation. Die Panikverkäufe der letzten Wochen haben die Bewertungen aus unserer Sicht weit unter den fairen Wert fallen lassen, so Millendorfer.
Die mittelfristigen Perspektiven Russlands hängen stark von der weiteren Entwicklung der Weltwirtschaft ab. Insbesondere in den nächsten sechs Monaten dürften die Folgen der Finanzkrise noch zu heftigen Kursturbulenzen führen. Unter der Annahme einer mittelfristigen Erholung der Rohstoffpreise gewinnt der Markt dann aber weiter an Attraktivität. Aufgrund des weiteren Abwertungspotentials des Russischen Rubel setzt Raiffeisen Capital Management derzeit auf Unternehmen, die eine geringe Fremdwährungsverschuldung aufweisen bzw. tendenziell von einer Rubel-Abwertung sogar profitieren. Dazu zählt vor allem der exportorientierte und für das russische Wirtschaftswachstum sehr wichtige Grundstoffsektor (Öl, Gas, Stahl, Buntmetalle etc.).
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