Angesichts der turbulenten Märkte sind starke Nerven gefragt.
Helmut Knestel, Dachfondsmanager der GECAM AG
Weitere Infos
GECAM AG
Von Helmut Knestel, Dachfondsmanager der unabhängigen Vermögensverwaltung GECAM AG
Liquidität ist wie die Gesundheit: Ihre Bedeutung erkennt man erst, wenn sie nicht mehr gewährleistet ist. Die Landesbanken machten diese Erfahrung mit ihren ABS-Papieren die zwar schnell gekauft, später aber unverkäuflich (und nicht zu bewerten) waren. Einige Hedgefonds machen aktuell die umgekehrte Erfahrung, dass leer verkaufte VW-Aktien kaum mehr zu bekommen sind (Marktilliquidität) und brandaktuell merken auch Immobilienfondsinvestoren, dass der Verkauf eines Fondsanteils unter Umständen genauso lange dauern kann, wie der Verkauf einer realen Immobilie. Allen drei Beispielen gemein ist, dass das Liquiditätsproblem extrem schnell auftritt und umso länger bleibt, je größer die Dimension und umso angeschlagener der Gesamtmarkt ist.
Aufgrund von massiven Mittelabflüssen mussten innerhalb von nur einer Woche 13 namhafte Immobilienfonds die Rücknahme ihrer Anteile aussetzen. Knapp 34 Mrd. Euro sind für zunächst drei bis sechs Monate längstens für 24 Monate gesperrt, bis die Fondsgesellschaften entsprechende Liquidität aus Einzahlungen oder aber aus Immobilienverkäufen generiert haben. Zu hoffen ist nun, dass sich die in den Fonds befindlichen Gewerbeimmobilen in guten Lagen befinden und auch konservativ bewertet wurden, so dass sie in akzeptabler Zeit und zu den in den Fonds angewandten Bewertungspreisen veräußert werden können. Ansonsten drohen massive Bewertungsabschläge, wie wir sie zuletzt und in ebenso ungeahnter Größenordnung bei ABS-Fonds und selbst bei Geldmarktfonds erleben mussten.
Wie bereits mehrfach berichtet, hat GECAM aufgrund des befürchteten Nachholbedarfes im Gewerbeimmobilienmarkt seinen ohnehin geringen Immobilienfondsbestand bereits im August auf Null reduziert. Ebenfalls war zu befürchteten, dass Großinvestoren, die Immobilienfonds in der Vergangenheit stark übergewichtet haben, in diesem Umfeld kalte Füße bekommen könnten. Dies scheint nun Realität geworden zu sein.
Irrationale Entwicklungen bergen Schnäppchen
Wer seine liquiden Mittel tatsächlich verfügbar hat, dem eröffnen sich im aktuellen Markt, bedingt durch die jüngste Exekution von Hedgefonds und sonstigen Kreditspekulanten attraktive Kaufgelegenheiten sowohl auf der Aktien- wie auf der Rentenseite.
Gerade bei Unternehmensanleihen erinnern die Renditeniveaus an die Zeit von Anfang 2003, als nach den Pleiten von Worldcom und Enron keinem Unternehmen mehr getraut wurde und Renditeniveaus von 7 bis 10 Prozent (bei Festverzinslichen) nicht unüblich waren. Egal ob man damals Aktien oder Festverzinsliche kaufte, man konnte für die folgenden fünf Jahre eigentlich nicht viel falsch machen. Aktuell scheint die Situation sehr ähnlich: So brach der Kurs einer 4,25-prozentigen BMW-Anleihe mit gut fünf Jahren Restlaufzeit (fällig 22.01.2014) binnen der letzten Wochen um rund 16 Prozent auf gut 80 Prozentpunkte ein. Damit schnellte die Rendite zeitweise auf ungesunde neun Prozent p.a. aktuell sind es immer noch rund acht Prozent. Anderen Unternehmensanleihen erging es meist ebenso und selbst Anleihen von General Electric einem AAA-Schuldner waren nicht ausgenommen.
Wie irrational es im Oktober auch auf der Aktienseite zuging, zeigt das folgende Beispiel. Der MSCI-Russia begann am 1. Oktober bei rund 820 Punkten, brach im Tiefpunkt (27.10.) auf 340 Punkte (-60 Prozent) ein, um sich dann in der letzten Oktoberwoche wohl der besten seit Bestehen wieder um 60 Prozent auf 540 Punkte zu erholen. Ähnliche Verläufe ließen sich an fast allen Aktienbörsen weltweit beobachten, wenn auch mit geringeren Prozentbewegungen. Volatilitäten in Größenordnungen wie im Oktober sind an sich auf Jahresbasis schon sehr unüblich, auf Monats- und gar Wochenbasis jedoch vollkommen irrational. Zu erklären sind diese Kursverläufe nur noch mit Massenpanik und einer Massenliquidation von Hedgefonds besser gesagt Kredit-Junkies, die auf dem Weg nach unten wahllos alles über Bord schmeißen (müssen) und den Teufelskreis dadurch verstärken.
Die konzertierte Aktion der Notenbanken samt der Rettungspakete der Regierungen, verbunden mit einer massiven Regulierung und Reform des Systems werden diesem Schreckgespenst aber demnächst und hoffentlich noch rechtzeitig den Zahn ziehen.
Zinssenkungen unterstützen Gesundung der Banken
Nachdem sich die Inflationsangst dank massiv gefallenem Ölpreis aktuell verflüchtigt, gibt es auch genügend Spielraum für die aktuell einsetzende Zinssenkungsrunde, wenngleich die zunehmend steigenden Staatsverschuldungen auch höhere (Risikoaufschläge) rechtfertigen würden. Trotz sinkender Leitzinsen wird aber die Kreditnachfrage seitens der Unternehmen und auch das Kreditangebot seitens der Banken eher nachlassen. Das gedrehte Rad wird kleiner, das Wirtschaftswachstum ebenfalls dafür aber solider. Die günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten verbessern aber bereits bei den Banken die Margen und tragen damit direkt zu deren Gesundung bei. D.h. die Finanzbranche als Hauptbelastungsfaktor der Märkte bekommt zusätzliche Unterstützung. Ferner sorgen niedrige Kurzfristzinsen für erhöhten Anlagenotstand.
Volatilität an den Börsen nährt sich nun aus der Realwirtschaft
Schwer zu beurteilen ist aktuell, wie lange die Konsumenten insbesondere bei teuren Gütern in der jetzigen Schockstarre verharren. Solange der Arbeitsmarkt in Deutschland aber mit erstmals wieder weniger als drei Mio. Arbeitslosen robust bleibt, könnte ein Investitionsanreiz-Programm wie es derzeit von der deutschen Regierung geplant ist, durchaus noch fruchten. Belastend wirken sich aller Orts die bis Jahresbeginn noch geschaffenen und zum Teil auch fremdfinanzierten (heutigen) Überkapazitäten aus.
Nachdem sämtliche Aktien- und Unternehmensanleihen in den letzten Wochen aber zu Schlussverkaufspreisen von den Zitterern zu den (extrem) Hartgesottenen übergegangen sind, könnten wir das Schlimmste an den Börsen dennoch bereits gesehen haben. Wegen der aktuell beginnenden Berichtssaison für das 3. Quartal, die uns mit reichlich Negativnachrichten (z.B. Überkapazitäten/Personalabbau/verlängerte Werksferien usw.) aus der Realwirtschaft versorgen wird muss aber weiterhin mit hohen Volatilitäten gerechnet werden.
Wer aber Liquidität, niedrige Aktien-/Unternehmensanleihen-Quoten, gute Nerven und einen langen Anlagehorizont hat, kann in Schwächephasen zur Schnäppchenjagd schreiten. Mit Eigenkapital versteht sich, denn auf Pump lassen sich die Marktphasen der letzten Wochen und Monate ohnehin weder psychisch noch monetär durchstehen. Wer diese Nerven nicht (mehr) hat, sollte warten, bis sich die JoJo-Börsen stabilisiert haben oder sein Geld einem aktiven Vermögensverwalter anvertrauen, der diesen Job übernimmt.
|