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Piëchs Rolle in VW-Affäre wird neu beleuchtet

Ferdinand Piëch © dpa

Was wusste der frühere VW-Vorstandschef und jetzige Aufsichtsratsvorsitzende Ferdinand Piëch von der Affäre um Schmiergelder und Lustreisen auf Firmenkosten? Dieser Frage will die Staatsanwaltschaft erneut nachgehen. Im Untreueprozess gegen Ex-Betriebsratschef Klaus Volkert und den früheren Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer vor dem Landgericht Braunschweig beantragte die Staatsanwaltschaft am Montag deshalb die Vernehmung von drei weiteren Zeugen aus Piëchs Umfeld: Ex-Finanzvorstand Bruno Adelt, der heutige Audi-Chef Rupert Stadler und Ex-VW-Finanzmanager Rutbert Reisch. Es gebe Anhaltspunkte für eine "Mitkenntnis" Piëchs. Der VW-Konzern reagierte am Montag umgehend auf die Verdächtigungen und wies zurück, dass das Unternehmen und Piëch schon frühzeitig von einem umstrittenen Spesenkonto des Betriebsrates gewusst hätten.

Der Porsche-Enkel hatte bei seiner Vernehmung stets betont, über die Lustreisen von VW-Betriebsräten und den genauen Umfang der Sonderzahlungen an Volkert nicht informiert gewesen zu sein.

Möglicherweise Ermittlungsverfahren gegen Piëch

Adelt, so die neuen Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft, könnte Piëch auf jene ominöse Kostenstelle hingewiesen haben, unter der zwischen 1997 und 2002 etwa die Lustreisen abgerechnet wurden. Daraufhin soll Piëch dem damaligen Leiter seines Sekretariats, Stadler, eine Überprüfung der Kostenstelle angeordnet haben, die dieser gemeinsam mit Reisch vorgenommen habe. Oberstaatsanwalt Ralf Tacke sagte, es sei "lebensnah", dass Piëch über ein Ergebnis der Überprüfung informiert worden sei. Derzeit sei Piëch kein Beschuldigter in der VW-Affäre, betonte Tacke. Sollten sich jedoch aus den Zeugenvernehmungen konkrete Anhaltspunkte ergeben, käme ein Ermittlungsverfahren gegen Piëch in Betracht. Sollte sich herausstellen, dass der damalige VW-Chef sehr wohl Kenntnis von den Unregelmäßigkeiten hatte, könnte sich dies Tacke zufolge strafmildernd auf Volkert und Gebauer auswirken. Das Gericht gab grünes Licht für die Befragung der drei neuen Zeugen.

Nach dem jetzigen Terminplan soll Piëch Anfang Januar als Zeuge vor dem Braunschweiger Landgericht vernommen werden. Am Mittwoch, dem nächsten Verhandlungstag, will die Vorsitzende Richterin die Termine für die Zeugenvernehmungen abstimmen.

VW: "Rufschädigende Behauptungen"

Der Volkswagen-Konzern erklärte, die Behauptung, dass bei VW zwischen den Jahren 1997 und 2002 eine Untersuchung der Kostenstelle "1860" des "Herrn Dr. Hartz" stattgefunden und dadurch Kenntnis über die Veruntreuungen der Herren Volkert und Gebauer bestanden habe, sei falsch. "Richtig ist vielmehr, dass es keine solche Überprüfung gegeben hat, weil es dafür keine Anhaltspunkte gab." VW prüfe zurzeit wegen der im Zusammenhang mit dem Verfahren aufgestellten "rufschädigenden Behauptungen", Strafanzeige wegen Verleumdung zu stellen.

Gebauer: "Verfahren war vom Vorstand gedeckt"

Ex-VW-Betriebsratschef Klaus Volkert und Ex-VW-Personalmanager Klaus-Joachim Gebauer. © dpa Fotograf: Jochen Lübke
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Gebauer, der die Lustreisen auf Firmenkosten organisiert hatte, schilderte am zweiten Prozesstag erneut die Abrechnungspraxis für Ausgaben zugunsten von Betriebsratsmitgliedern sowie der Freundin Volkerts. Sorgen darüber, dass diese Praxis aufgedeckt werden könnte, habe er sich nicht gemacht, sagte Gebauer. Er habe vom Vorstand gewusst, dass die Revision keinen Zugriff auf das Konto hatte. Die Revision habe dem Vorstandsvorsitzenden unterstanden, nur dieser habe sie ausschalten können. Gebauer fügte hinzu, das ganze Verfahren akzeptiert zu haben, weil es "nur vom Vorstand gedeckt sein konnte". Die ganze Praxis sei für ihn "betriebliche Normalität" gewesen.

Die Verteidiger von Gebauer und Volkert begrüßten den Vorstoß der Anklagebehörde, weitere Zeugen vor Gericht zu befragen. Volkerts Verteidiger Johann Schwenn sagte, es scheine sich zu konkretisieren, dass Piëch etwas gewusst habe. Volkert ist wegen Anstiftung zur Untreue in 48 Fällen angeklagt, Gebauer wegen Untreue in 40 Fällen sowie Anstiftung zum Betrug. Volkert soll unter anderem Ex-Personalvorstand Peter Hartz dazu angestiftet haben, ihm Sonderboni von knapp zwei Millionen Euro zu zahlen.

Hartz zu Bewährungsstrafe verurteilt

Hartz war im Januar im ersten Prozess des Skandals nach einem umstrittenen Justiz-"Deal" zu einer Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe von 576.000 Euro verurteilt. Im Juni verurteilte das Amtsgericht Wolfsburg den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Uhl wegen Beihilfe zur Untreue und falscher eidesstattlicher Versicherung zu einer Geldstrafe von 39.200 Euro. Der ehemalige Betriebsrat und SPD-Landtagsabgeordnete Günter Lenz akzeptierte im August eine Geldstrafe in Höhe von 11.250 Euro. Das "System Volkswagen" soll den Mitarbeitervertretern Vorteile verschafft haben, damit sie im Sinne des Unternehmens handelten. So sollen sie auf Unternehmenskosten Urlaub gemacht oder Dienste von Prostituierten in Anspruch genommen haben.

Stand: 26.11.2007 16:34
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