Sie befinden sich hier: WDR.de WDR Fernsehen Wissen Quarks & Co Sendung vom 14. April 2009 Die Zukunft der Braunkohle
Braunkohle ist ein mächtiger Wirtschaftsfaktor. Rund ein Viertel des in Deutschland verbrauchten Stroms stammt aus Braunkohlenkraftwerken. Gut 11.000 Menschen gibt die Braunkohle allein im Rheinland Arbeit, bundesweit sind es rund doppelt so viele Arbeitsplätze. Braunkohle ist auch ein gutes Geschäft. Der RWE-Konzern, zu dem auch die rheinischen Braunkohlentagebaue gehören, machte nicht zuletzt wegen des billigen Stroms aus Braunkohle im Jahr 2007 einen Gewinn von rund drei Milliarden Euro.
Doch die Stromerzeugung aus Braunkohle steht wegen der hohen Emissionen von klimaschädlichen Treibhausgasen unter politischem Druck. Sowohl die Europäische Union als auch die deutsche Bundesregierung haben beschlossen, den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) und anderen Treibhausgasen drastisch zu senken. Um das zu erreichen, werden erneuerbare Energiequellen wie Wind, Sonne und Biomasse und die Nutzung der Abwärme zur Heizung von Wohnungen (Kraft-Wärme-Kopplung) gefördert. In Zukunft werden die Energieerzeuger außerdem für jede Tonne CO2, die aus ihren Schornsteinen strömt, im Rahmen des europäischen Emissionshandels bezahlen müssen.
Welche Auswirkung die politischen Rahmenbedingungen auf Neubau und Betrieb von Kraftwerken haben und welche Maßnahmen nötig sind, um die langfristigen Klimaschutzziele zu erreichen, lässt die Bundesregierung regelmäßig durch unabhängige wissenschaftliche Studien überprüfen. In diesen Gutachten werden auch die Auswirkungen des europäischen Emissionshandels auf die Verstromung von Braunkohle untersucht. Auf dem EU-Gipfel in Brüssel im Dezember 2008 haben die europäischen Staats- und Regierungschefs nämlich beschlossen, dass die Stromerzeuger ab 2013 für jede freigesetzte Tonne CO2 Erlaubnisscheine ersteigern müssen – dahinter verbirgt sich der sogenannte Emissionshandel. Bis jetzt bekommen die Konzerne diese sogenannten Zertifikate kostenlos zugeteilt. Ab 2013 wird das anders. Wenn die Berechnungen der Experten stimmen, wird jede Tonne CO2 dann zwischen 15 und 30 Euro kosten. Bliebe es beim heutigen CO2-Ausstoß, würde das allein für RWE Kosten von 1,5 bis 3 Milliarden Euro im Jahr bedeuten. Deshalb gehen die Wissenschaftler davon aus, dass etliche Braunkohlenkraftwerke in Zukunft heruntergefahren oder ganz geschlossen werden. Sie rechnen mit einem Rückgang der Braunkohlenverstromung um rund 30 Prozent – von netto 140 Terawattstunden heute auf nur noch 100 Terawattstunden im Jahr 2020.
Die deutsche Stromerzeugung und der -verbrauch werden sich verändern. Abzusehen sind folgende Entwicklungen:
Strom sparen: Trotz aller Anstrengungen wird in Deutschland immer noch viel Energie verschwendet – bei der Erzeugung von Strom, aber auch bei dessen Nutzung in Industrie und Gewerbe und in privaten Haushalten.
Zweitens fördert die Bundesregierung den Ausbau der erneuerbaren Energien und plant, durch Wind, Sonne, Wasser und Biomasse im Jahr 2020 rund 30 Prozent des benötigten Stroms zu erzeugen.
Als dritte Option wird wahrscheinlich der Anteil von Erdgas in der Verstromung steigen. Gas setzt bei der Verbrennung weniger CO2 frei als Kohle. Moderne Gaskraftwerke arbeiten zudem wesentlich effizienter als Kohlekraftwerke. Außerdem lassen sich die kleineren Gaskraftwerke in unmittelbarer Nähe von Wohngebieten und Industrieanlagen errichten, wodurch die Abwärme der Stromerzeugung genutzt werden kann, um Gebäude zu heizen und Fabriken mit Strom zu versorgen. Diese sogenannte Kraft-Wärme-Kopplung ist mit heutigen Braunkohlenkraftwerken praktisch nicht möglich. Da sich die feuchte Braunkohle nur mit viel Geld über längere Strecken transportieren lässt, stehen die Kraftwerke direkt neben den Tagebauen - weit weg von möglichen Abnehmern der Wärme.
Ob eine vierte Option marktreif wird, ist im Moment noch unklar. Wenn die großen Energieversorger die Technologie der CO2-Abtrennung und -Ablagerung schnell in den Griff bekommen, wäre es möglich, dass Kohle in einem zukünftigen, klimafreundlichen Strommix doch noch eine größere Rolle spielt.
Aktuelle Gutachten kommen auch mit Blick auf die langfristigen Klimaschutzziele von Bundesregierung und EU zu einer eindeutigen Aussage: Um wie geplant den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2050 auf 80 Prozent des Wertes von 1990 zu senken, muss das Energiesystem in Deutschland schneller und radikaler als bisher umgebaut werden. Für Strom aus Braunkohle bleibt dann kaum noch Platz. Im besten Fall sehen die Experten noch 30 Terawattstunden für das Jahr 2030 voraus – das wären nur noch rund 20 Prozent der Braunkohlenverstromung des heutigen Niveaus. Dafür müsste die Politik aber schon heute deutliche Entscheidungen treffen, denn es sind einige Braunkohlenkraftwerke und noch mehr Steinkohlenkraftwerke in Planung und Bau. Diese Kraftwerke sind technisch in der Lage, auch 2050 noch Strom zu erzeugen.
Ein radikaler Umbau des Systems ist eine Herkulesaufgabe. Neben technologischen Herausforderungen – der Ausbau der Off-Shore-Windkraft hängt schon jetzt dem ambitionierten Zeitplan hinterher – ist es vor allem die Struktur des heutigen Energiesystems, die einen klimafreundlichen Umbau bremst. Die Stromnetze sind auf eine Versorgung durch zentrale Großkraftwerke ausgelegt. Ein Übergang zu einer dezentralen Energieversorgung durch viele kleine unabhängige Erzeuger mit erneuerbaren Energien erfordert einen Ausbau des Netzes. Das muss nach heutiger Lage von den vier großen Energiekonzernen in Deutschland geleistet werden. Deren Geschäftsmodell beruht aber gerade darauf, Strom aus Kohle und Atom zu erzeugen.
Daniel Münter
Stand: 14.04.2009