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02. Februar 2009
 

ML Mona Lisa

 
sonntags, 18.00 Uhr
Keira Knightley. Quelle: ZDF
Keira Knightley wird immer schlanker.

ML Mona Lisa

Dünnsein als Lifestyle

Wenn Magersucht zum Lebensinhalt wird

Kein Busen, kein Po, Kleidergröße Null: Dünnsein ist der Trend der Saison bei Prominenten. Doch auch immer mehr junge Mädchen eifern ihnen nach und begreifen Dünnsein als Lifestyle, anstatt Magersucht als Krankheit zu sehen.

 
 
 
 

41 Kilo soll Victoria Beckham noch wiegen, ein Kinderkörper bei einer erwachsenen Frau. Vor allem in Hollywood zeigen sich Sternchen und Stars spindeldürr. Wer dazugehören will, hungert sich in Kleidergröße Null, eine Größe für 12-Jährige. Und ist fatalerweise Vorbild für Mädchen weltweit.

Sarah ist stundenlang im Pro Ana Internetforum unterwegs. Quelle: ZDF
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Sarah am Laptop

Hungern als Lebensinhalt

Das gilt auch für Sarah. Sie ist Mitte 20 und eine so genannte Pro Ana. Ana, das steht für Anorexia, den medizinischen Begriff für Magersucht. Sie will die Krankheit nicht bekämpfen, im Gegenteil, sie ist fast wie eine Freundin, die sie täglich im Leben begleitet: "Wenn Knochen hervorstehen, ist das für mich ein Schönheitsideal und ich schau auch, was bei mir herauszuholen ist. So mit 13,14 habe ich Bücher gelesen, Filme geguckt. Die Disziplin dahinter, so schlank werden zu können, hat mich fasziniert."

 

Und diesen Wahn verbreitet sie auch noch im Internet. Sie hat ein Forum gegründet, darin motivieren sich Mädchen gegenseitig, immer noch dünner zu werden. Aufgenommen wird nur, wer glaubhaft versichert, an einer Essstörung zu leiden. Die anonyme Gemeinde der Essgestörten tröstet Sarah über ein fehlendes Lebensziel hinweg und ist derzeit ihr wichtigster Kontakt zur Außenwelt. Täglich tauscht sie sich stundenlang mit Leuten aus. In Foren wie diesen, die es hundertfach im Internet gibt, treffen sich die Anhängerinnen des Schlankheitswahns, inspiriert vom gefährlichen Trend aus Amerika.

Schönheitsideal Dünn im Pro Ana Forum. Quelle: ZDF
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Vorbild im Pro Ana Forum

Je dünner, desto besser

Ana und Mia klingen wie die Namen von Freundinnen und stehen doch für Magersucht und Bulimie. Unzählige Schlankheitspillen werden empfohlen, deren Wirkung niemand kennt. Es ist eine Welt mit ihren selbsterlassenen, strengen Gesetzen, mit unkalkulierbaren Risiken für junge Mädchen. Unverantwortlich? Dazu meint Sarah: "Den Vorwurf hört man natürlich täglich, dass wir sie noch mehr reinziehen oder erst anstacheln würden, eine Essstörung zu bekommen. Aber bei uns wird sowieso nur jemand aufgenommen, der sich zu einer Essstörung bekennt."

 

Dünnsein wird verherrlicht. So ist Magersucht nicht Krankheit, sondern Lifestyle. Sich an den Rand des Todes zu hungern, gibt als Erfolgserlebnis. Experten schätzen diesen Trend als extrem gefährlich ein. Für Andreas Schnebel vom Bundesfachverband Essstörungen passiert auf den Webseiten von Pro Ana etwas ähnliches wie bei einer Sekte: Es werde vermittelt, die Dünnen seien eine ganz besondere Gemeinde und kriegten etwas hin, was sonst keiner hinkriege. Die Realität: Magersüchtige leiden unter Herz-Rhythmusstörungen, Haarausfall, Zeugungsunfähigkeit und jede fünfte Betroffene stirbt langfristig an den Folgen.

Andreas Schnebel. Quelle: ZDF
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Andreas Schnebel

Höchste Todesrate

Magersucht ist die psychosomatische Krankheit mit der höchsten Todesrate. Doch das wird verdrängt, so Schnebel: "Aus unserer Sicht ist besonders erschreckend, dass die Webseiten die körperlichen oder medizinischen Folgen von so extremem Untergewicht ignorieren oder stark verharmlosen - und letztendlich mit Sicherheit dazu beigetragen haben, dass junge Frauen möglicherweise an der Magersucht gestorben sind." Auch Sarah glaubt, die Krankheit unter Kontrolle zu haben. Sie wiegt 53 Kilo bei einer Größe von 1,70 Meter und sieben Kilo sollen noch runter. Doch bei 200 bis 400 Kalorien täglich macht der Körper oft nicht mehr mit, jede Bewegung wird zum Kraftakt.

Es gebe Momente, gibt sie zu, da fühle man sich krank und denke, man brauche Hilfe: "Aber in anderen Momenten sieht man es ganz locker und lässt sich nicht reinreden von irgendwelchen anderen. Bei mir schwankt das sehr, ist täglich anders. Es ist mehr, dass ich mein Ding durchziehen will, ohne mich aufhalten zu lassen." Ohne Rücksicht auf Verluste. Die Welt der Pro-Anas ist eine verschworene Gemeinschaft, die dem Hungerwahn verfallen ist und sich nicht kontrollieren lässt. Fatal für junge Mädchen, die auf der Suche sind nach ihrer eigenen Identität und der Geborgenheit in einer Gemeinschaft.

 

Infobox

Dünnsein als Lifestyle

Ein Beitrag von Andrea Schreiber und Linda Wundrak
Sendedatum:
ML Mona Lisa, 1. Oktober 2006, 18.00 Uhr
Wiederholung bei 3sat, 4.10.2006, 12.15 Uhr