Finanzkrise

DIW-Chef will Konjunkturprognosen stoppen

Von Manfred Schäfers, Philip Plickert und Nadine Bös

Lasst die Prognosen erstmal weg - das fordert Ökonom Zimmermann von seinen Ko...

Lasst die Prognosen erstmal weg - das fordert Ökonom Zimmermann von seinen Kollegen

16. Dezember 2008 Nach der atemberaubenden Abwärtsrevision der Konjunkturvorhersagen durch Forschungsinstitute, Bankanalysten und internationale Organisationen hat der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, einen Prognosestopp angeregt. Er appellierte an die eigene Zunft, sich eine Zeitlang mit neuen Aussagen zurückzuhalten: „Wir sollten langsam aufhören, immer neue Horrorprognosen zu produzieren“, sagte er auf einer Veranstaltung seines Hauses am Dienstag in Berlin.

Nach Zimmermanns Aussage sei bei dem Treffen im Kanzleramt am Wochenende darüber gesprochen worden, dass Ökonomen alle verwirrten, wenn sie „ständig neue Zahlen in die Welt setzen“. Es bestehe bei sehr düsteren Prognosen die Gefahr von sich selbst erfüllenden Prophezeiungen. Der Wirtschaftsforscher wies darauf hin, dass es kein Modell gibt, dass eine Finanzkrise berücksichtigt. Derzeit sei die Datenlage so unsicher wie nie zuvor. „Alle Modelle bauen auf Erfahrungen auf.“

„Wir brauchen eine vernünftige Lagebeurteilung“

In anderen deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten stieß der Vorschlag Zimmermanns auf wenig Begeisterung. „Eine Lungenentzündung ist nicht heilbar, indem man das Fieberthermometer nicht mehr einsetzt“, sagte Roland Döhrn, Leiter des Kompetenzbereichs „Wachstum und Konjunktur“ des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) zu FAZ.NET. „Deshalb brauchen wir weiterhin eine vernünftige Lagebeurteilung, vor allem um Politiker angemessen beraten zu können.“

Trotz der Finanzkrise gebe es Erfahrungsmuster aus der Vergangenheit, mithilfe derer Prognosen weiterhin seriös erstellbar seien. „Es wäre ein Armutszeugnis für die Zunft der Prognostiker, sich selbst ihres ureigensten Geschäfts zu berauben“, sagte Döhrn. An sich selbst erfüllende Prophezeiungen im Zusammenhang mit der Finanzkrise glaubt er weniger. „Ich glaube nicht, dass Prognosen so viel Einfluss auf die Wirtschaftssubjekte haben, dass sie allein durch die Prognose zurückhaltender handeln.“ Allerdings mahnte er, alle Forscher müssten sich ihrer Verantwortung bewusst sein und dürften keine übertriebenen Horrorszenarien verbreiten.

„Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, was auf uns alle zukommt“

Auch Joachim Scheide, Leiter des Prognosezentrums des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) sagte zu FAZ.NET, er werde sich nicht an einer Selbstverpflichtung zu einem Konjunkturprognosestopp beteiligen. „Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, was auf uns alle zukommt - gerade jetzt in der Finanzkrise“, sagte er. „Die Prognosen dienen als Orientierungshilfen für Geldpolitik und Finanzpolitik, aber auch für Gewerkschaften und Verbände.“

Scheide glaubt nicht, dass die stete krasse Abwärtsbewegung der Prognosen mit Übertreibungen nach unten zu tun hat und fürchtet sich deshalb ebenfalls wenig vor sich selbst erfüllenden Prophezeiungen. „Sicherlich bewegen sich die Prognosen in diesen Zeiten so massiv und so schnell nach unten, wie noch nie“, sagte er. „Trotzdem dürfen wir nicht aufhören, sie zu treffen.“ Es sei ohnehin unrealistisch, dass sich alle Forscher an solch einem Projekt beteiligten. „Sie können schlecht verhindern, dass der Internationale Währungsfonds weiterhin seine Prognosen aufstellt“, argumentierte er. Außerdem sei es problematisch zu entscheiden, wann man nach einer temporären Aussetzung der Prognosen mit den Vorhersagen wieder anfangen sollte.

„Ein vierwöchiges Moratorium ist völlig albern“, sagte auch der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther. Auch wenn es immer schwieriger werde, müssten sich Ökonomen der Aufgabe stellen. „Wir erleben allerdings im Moment, wie uns die Modelle und Zahlen unter der Hand zerbröseln“, gab er zu. Die Unsicherheit sei sehr groß.

RWI und IfW sind im Gegensatz zum DIW weiterhin an der Gemeinschaftsprognose beteiligt, die Wirtschaftsforschungsinstitute für die Bundesregierung erstellen. Im vergangenen Jahr war die Beteiligung an dieser Vorhersage zum ersten Mal öffentlich ausgeschrieben worden, wobei das DIW leer ausgegangen war.



Text: F.A.Z./FAZ.NET
Bildmaterial: ddp

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