Jaguar XF

Stück Zukunft in schwieriger Gegenwart

Von Gerold Lingnau

Jaguar-Stil in moderner Form

Jaguar-Stil in moderner Form

16. Dezember 2008 Der Schock ist wohl inzwischen abgeklungen. Die steifen Oberlippen lockern sich, dem XF, der jüngsten Limousine des traditionsreichen britischen Hauses, wird mehr Gerechtigkeit zuteil. Dabei sollte mit ihm nichts anderes bewiesen werden, als dass Jaguar-Gedankengut und -Stil auch in modernerer Form weiterleben können. So wurde von den Designern nicht platt und einfallslos zitiert - abgesehen von den etwas peinlichen Kiemen vorn an den Kotflügeln, eine Reminiszenz an den Mark VII -, sondern eine neue Sprache gefunden. Wir meinen: Es ist gelungen. Und wir können nur hoffen, dass die neuen indischen Herren des Unternehmens es ebenso sehen.

Mit dem 2,7-Liter-Sechszylinder-Dieselmotor haben wir den XF schon vorgestellt (Technik und Motor vom 19. August). Kein Gedanke mehr daran, dass ein guter Selbstzünder nicht zur Marke passen könnte. Doch ein ebensolcher Benzinmotor mag dem geschmeidigen Wesen eines Jaguars, schon historisch bedingt, noch besser entsprechen, möglichst mit mehr als sechs Zylindern. Und so hat man auch beim Nachfolger des S-Type diese Wahl. Zwei 4,2-Liter-Achtzylinder stehen zur Verfügung: unaufgeladen mit 219 kW (298 PS) und dank eines mechanisch angetriebenen Kompressors mit 306 kW (416 PS) und 560 Newtonmeter Drehmoment. Der stärkere, der im S-Type noch 291 kW (395 PS) abgab, verkörpert beste Jaguar-Tugenden. Für seine aus jeder Drehzahl raubtierhaft zupackende Leistung mag nur ein Messwert stehen: Von 50 auf 100 km/h genügen 3,7 Sekunden. Dazu braucht das perfekt arbeitende Sechsgang-Automatikgetriebe bloß in der zweiten Stufe zu bleiben - sie reicht bis 110 km/h.

Die Leichtfüßigkeit begeistert

Nur gut zwei Sekunden mehr nimmt sich der Kompressor-XF, um aus dem Stand auf 100 km/h zu schnellen. Die Höchstgeschwindigkeit ist auf 250 km/h begrenzt. Mehr noch als diese Zahlen begeistert die Leichtfüßigkeit, mit der das 1,8-Tonnen-Auto in jeder Lebenslage die Flucht nach vorn ergreifen kann. Im Namen dieses Jaguar-Motors möchten wir zum Schutz der bedrohten V8-Art aufrufen - der Achtzylinder darf nicht sterben. Natürlich: Hohe Zylinderzahl und Leistung brauchen, ja verschwenden Benzin, in unserem Fall 14,2 Liter Super je 100 Kilometer im Durchschnitt. Aber für mehr als 400 PS darf man diesen Energieaufwand bescheiden nennen. Zu groß ist er allerdings fürs Tankvolumen von nicht einmal 70 Liter - das zwingt nach wenig mehr als 400 Kilometer an die Tankstelle, erst recht bei schneller Autobahnfahrt, für die der XF wie geschaffen ist, zumal der V8 nie aufdringlich laut wird.

Dass der Novize für ein Fast-Fünfmeterauto keinen sehr großzügigen Nutzraum anbietet, ist markenüblich und wurde von uns schon bei der Diesel-Version bemängelt. Vor allem im Fond geht es enttäuschend eng zu, während vorn auch Großgewachsene ein bequemes Leben haben. Dass Jaguar das Modell allenfalls als Viersitzer betrachtet, sieht man daran, dass die fünfte Kopfstütze ein Aufpreis-Extra ist (45 Euro) - eine eher schottische Attitüde bei einem Auto mit 80 820 Euro Basispreis. Doch Nachrüstmöglichkeiten gibt es auch andere, die sich bei unserem Wagen auf knapp 10 000 Euro summierten, darunter als dickste Brocken das DVD-Navigationssystem für 2060 Euro, die betörende Klangwelt der renommierten britischen HiFi-Marke B&W aus insgesamt 14 Lautsprechern (1530 Euro) und die adaptive Geschwindigkeitsregelung für 1480 Euro. Leder und Holz sind im V8 Kompressor serienmäßig, ohne die sympathische Kühle des Innenraum-Designs zu desavouieren. Auch sonst kann man mit der Standardausstattung mehr als zufrieden sein. Trotzdem würden wir Dinge wie die (aus Jaguars Ford-Zeit überkommene) heizbare Windschutzscheibe (410 Euro) oder die elektronische Totwinkelkontrolle in den Rückspiegeln (540 Euro) mitbestellen, diese schon deswegen, weil der XF ein insgesamt sehr unübersichtliches Auto ist.

Sportliches Fahren mit dem S-Modus

Sportwagenleistung ruft nach einem adäquaten Fahrwerk. Der XF hat serienmäßig eine adaptive Dämpferregelung, die aber zusammen mit der Federung eindeutig auf der harten Seite ist. So gerät schon das Anfedern mitunter stößig und rumpelig, kurze Unebenheiten münden in kleine, aber nicht angenehme Karosseriebewegungen. Grobe Schläge werden gut abgefangen, aber vom alles aufsaugenden Komfort früherer Jaguars ist der Neue, dem Zeitgeist folgend, weit entfernt. Für sportliches Fahren bietet sich der mit dem singulären Drehknopf (statt des üblichen Wählhebels) zu aktivierende S-Modus der Automatik an, der höhere Drehzahlen mit sich bringt und mehr Verbrauch - wir haben ihn tunlichst gemieden. Schalten kann man natürlich auch von Hand, mit Lenkradpaddeln. Wichtiger ist der Winter-Modus, der sanfteres Anfahren und Reagieren aufs Gaspedal sicherstellt. Schließlich die Dynamik-Taste: Mit ihr werden alle Systeme des XF sozusagen vorgespannt, das Auto hört noch schärfer auf jeden Befehl des Fahrers. Kurven nimmt der hinterradgetriebene Jaguar so souverän, wie er andererseits auch geradeaus läuft. Das ESP korrigiert spät und dann konsequent. Wegen der Winterreifen konnte die gute Bremsanlage nicht alles zeigen, was sie kann.

Mit hochkarätiger Technik, tadelloser Verarbeitung und einem immer noch intakten Image kann der XF eine tragfähige Brücke zwischen der nicht nur glorreichen Vergangenheit der Marke und ihrer hoffentlich finanziell gesicherten Zukunft sein. Aber zunächst gilt es, die aktuelle Krise durchzustehen - gerade für große Autos kein leichter Weg.



Text: F.A.Z.
Bildmaterial: Hersteller

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