Der Weltmeister gibt sich keine Blöße: Trotz Zeitnot blieb Viswanathan Anand gegen Wladimir Kramnik konzentriert und braucht nun nur noch einen halben Punkt zur Titelverteidigung. Großmeister Dorian Rogozenko analysiert exklusiv für SPIEGEL ONLINE die neunte Partie.
1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 c6
Kramnik hat einschließlich dieser Partie nur noch vier Partien Zeit, seinen 0:3-Rückstand aufzuholen. Die Wahl des Halbslawischen Damengambits ist eine Kampfansage.
5.Lg5
Die schärfste Antwort. 5.e3 Sbd7 6.Ld3 dxc4 7.Lxc4 b5 8.Ld3 hätte stattdessen zur Meraner Variante geführt, mit der Anand in der 3. und 5. Partie erfolgreich war.
Weltmeister Anand (l.), Herausforderer Kramnik: Remis im neunten Spiel
Dieser Zug kennzeichnet die Moskauer Variante. Wenn Weiß auf f6 nimmt, entsteht eine ruhigere Partie, in der Weiß für die Aufgabe des Läuferpaars Raumvorteil erhält.
Anand nimmt den Fehdehandschuh auf und wählt die schärfste Antwort, die so genannte Anti-Moskauer Variante. Vielleicht wollte der Inder heute den Wettkampf beenden?
6...dxc4 7.e4 g5 8.Lg3 b5
Nun hat Schwarz einen Bauern gewonnen, seine Position mit den Bauernvorstößen b7-b5 und g7-g5 allerdings etwas entblößt. Außerdem hat Weiß Entwicklungsvorteil: er hat schon drei Figuren im Spiel, Schwarz erst eine.
9.Le2 Lb7
Anand kennt diese Variante gut. Bisher hat er sie aber immer mit den schwarzen Steinen gespielt.
10.Dc2 Sbd7 11.Td1 Lb4 12.Se5 De7
Eine neue Idee von Kramnik. In Vorgängerpartien wurde Tg8 oder Sxe5 gespielt.
13.0–0 Sxe5 14.Lxe5 0–0 15.Lxf6
Weiß will die Abwesenheit des schwarzen schwarzfeldigen Läufers ausnutzen und später mit e4-e5 und Sc3-e4 im Zentrum aktiv werden.
15...Dxf6 16.f4 Dg7
Der Zug 16...gxf4 wäre stattdessen unlogisch. Die schwarze Bauernstruktur verschlechtert sich und Weiß gewinnt den Bauern schnell mit Vorteil zurück.
17.e5
Nun droht stark Sc3-e4, gefolgt von fxg5 und Sf6. Der weiße Turm würde dann mit Tf3-h3 entscheidend am Königsflügel eingreifen. Schwarz muss etwas unternehmen.
17...c5
Nach langem Nachdenken gespielt. Kramnik opfert einen Bauern, bringt aber den Läufer auf b7 ins Spiel.
18.Sxb5 cxd4 19.Dxc4 a5
Nach dem plumpen Versuch 19...gxf4 wird Anand die Mattdrohung auf g2 nicht übersehen, sondern mit 20.Lf3 Lxf3 21.Txf3 a5 22.De2 seine Position konsolidieren und dann die schwarzen Bauernschwächen d4 und f4 aufs Korn nehmen.
20.Kh1 Tac8 21.Dxd4
Beide Spieler hatten jetzt nur noch etwa 25 Minuten auf der Uhr. Die nächsten Zuge geschahen sehr schnell, um Zeit zu gewinnen.
21...gxf4
Eine gute Möglichkeit für Kramnik war 21...Lc5 mit der Idee 22.Dd2 (besser ist 22.Dd3 ) 22...gxf4 23.Lf3 Le3
22.Lf3
Das Matt auf g2 musste pariert werden.
22...La6 23.a4
Eine bessere Möglichkeit zum Ausgleich war 23.Db6 Lxb5 24.Dxb5 Tc5 25.Da4 Txe5 26.a3 Lc5 27.Dxf4 und das Remis ist nicht mehr weit.
23...Tc5 24.Dxf4 Txe5 25.b3
Anand bietet den Sb5 zum Tausch, obwohl er dabei einen Bauern verliert. Nach dem Tausch bleiben aber ungleichfarbige Läufer auf dem Brett, ein Faktor, der die Remischancen erhöht.
25...Lxb5 26.axb5 Txb5 27.Le4 Lc3 28.Lc2 Le5
Der Herausforderer will auf der Diagonalen b8-h2 angreifen und gruppiert um.
29.Df2 Lb8 30.Df3 Tc5 31.Ld3 Tc3 32.g3 Kh8
Stattdessen wäre 32...Dg5 ein grober Fehler wegen 33.Lh7+
33.Db7 f5 34.Db6 De5
Eine kritische Stellung, die beide Spieler mit nur noch wenig Restbedenkzeit spielen mussten.
35.Db7
Eine forcierte Möglichkeit zu einem Remis war offenbar 35.Lxf5 exf5 (Schlecht ist 35...Txf5 36.Txf5 exf5 37.Dxh6+ Kg8 38.Dg5+ Dg7 39.Td8+ und Weiß gewinnt) 36.Dxh6+ Kg8 37.Dg5+ Dg7 38.Txf5 Dxg5 (Nach 38...Txf5 39.Dxf5 Db7+ 40.Td5 hält Weiß wegen des ungeschützten schwarzen Königs remis.) 39.Txg5+ Kh7 40.Txa5 und da Schwarz keine Bauern mehr hat, kann er trotz des Extraläufers nicht gewinnen.]
35...Dc7
35...Lc7 mit der Drohung Tb8 bot bessere Gewinnaussichten.
Sofort 37...a4 kam in Betracht. Auch dann endet die Partie bei genauem Spiel wohl remis.
38.Td7 a4
Kramnik verwickelt kurz vor der Zeitkontrolle noch einmal, aber Anand bleibt auf der Höhe des Geschehens. Ein Fehler wäre 38...Lb8 39.Tfd1 a4 gewesen, denn nach 40.Td8 gewinnt Weiß.
39.Txc7
39.Ta1 axb3 40.Lxb3 Lb8 41.Tb7 führt ebenfalls zum Remis.
39...axb3 40.Tf2 Tb8 41.Tb2 h5 42.Kg2 h4 43.Tc6 hxg3 44.hxg3 Tg8 45.Txe6 Txc4
Nun ist die Partie völlig ausgeglichen. Kramnik bot daher Remis an.
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