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12.11.2008
 

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COMPUTER-GEHIRNWÄSCHE

Modul verwandelt Standard-PC in Super-Mac

Von Matthias Kremp

Darf man das? Ein neues, simples USB-Modul macht hässliche 08/15-PCs zu Pseudo-Macs, die ein Drittel weniger kosten als Originalgeräte, genauso funktionieren und teilweise auch noch schneller sind. SPIEGEL ONLINE hat's getestet - und erklärt, wie riskant der 170-Euro-Trick rechtlich ist.

Der Kampf ist fast so alt wie der PC selbst. Wer einen normalen Computer auf Microsoft-Basis hat, schaut oft neidisch auf Kollegen mit schnieken Apple-Computern - und kompensiert seinen Bedarf nach einem besseren System mit Vorurteilen. Macs? Nichts für echte Kerle! Funktionieren meistens problemlos, wie langweilig. Kann respektive muss man nicht aufschrauben und daran herumbasteln. Individuelle Anpassungen wie beim PC: unmöglich. Oder zumindest unnötig.

EFI-X-MODUL: USB-GEHIRNWÄSCHE MACHT PC ZUM MAC

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Tatsächlich hat die Anpassungsmöglichkeit handelsüblicher Normalo-PCs einen Vorteil - man kann sie dank eines einfachen neuen Moduls jetzt in Macs verwandeln.

Das verspricht der Hersteller eines kleinen Geräts namens EFI-X. Wer es am USB-Anschluss seines Rechners aufsteckt, macht ihn demnach glauben, er sei ein waschechter Mac - worauf er die Installation von Apples Betriebssystem Mac OS X klaglos über sich ergehen lässt.

Das richtige Motherboard muss her

Tatsache ist: Grundsätzlich ist eine solche PC-Mac-Transformation schon seit einer Weile möglich. Im Internet kursieren unterschiedliche Anleitungen, wie man Apples Betriebssystem auf Standard-PCs installieren kann, allen voran das OSx86-Projekt. Allerdings braucht es dafür einigen Einsatz. Nichts geht von allein, man muss an Systemdateien herumfrickeln und Apples Software modifizieren, was gegen die Lizenzbedingungen verstößt. Bastlern mag das Spaß machen, für normale Anwender ist das viel zu kompliziert.

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Hier sieht der Hersteller von EFI-X seine Marktlücke. Selbst Laien sollen mit dem Modul ihrem PC eine Gehirnwäsche verpassen und ihn davon überzeugen können, er sei in Wahrheit einer Apple-Fabrik entsprungen.

Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht.

Statt einfach einen USB-Stecker einstöpseln zu können, wie man es von Digitalkameras und MP3-Playern kennt, ist der EFI-X-Dongle mit einer neunpoligen USB-Buchse ausgestattet. Die passt nur auf die Pfostenstecker interner USB-Anschlüsse auf PC-Mainboards. Man muss seinen Rechner also aufschrauben.

Außerdem, und darauf weist der Hersteller eindringlich hin: Das Modul funktioniert nicht mit allen Mainboards. Es muss für jeden Platinentyp angepasst werden, weshalb man sich vorerst auf Mainboards der Firma Gigabyte spezialisiert hat. Mit den PC-Hauptplatinen anderer Hersteller kann EFI-X funktionieren - muss es aber nicht. Ein Testlauf von SPIEGEL ONLINE mit einem nicht offiziell unterstützten Mainboard scheiterte.

EFI-X übernimmt das Ruder

Die Hardware-Installation selbst ist auch für ambitionierte Laien binnen Sekunden erledigt: PC-Gehäuse öffnen, Modul aufstecken, PC-Gehäuse schließen. Dann müssen ein paar Einstellungen am BIOS vorgenommen werden, nämlich dass der Rechner das EFI-X-Modul als Startmedium benutzen soll und nicht die Festplatte.

Und fertig ist die Installation. Wer den getunten Rechner jetzt einschaltet, stellt überrascht fest: Es funktioniert tatsächlich - wobei das Starten durch das Modul erheblich länger dauert. Erst nach rund 30 Sekunden fragt ein Bootmanager, ob man Windows starten oder Mac OS X installieren will.

Etwa 15 bis 20 Minuten später ist Apples Betriebssystem von einer Original-DVD installiert. Auf ein frisches Windows müsste man länger warten.

Ein erster Blick auf das System zeigt: Alles ist da, wo es sein soll. Festplatten, DVD-Brenner, USB- und Audioanschlüsse werden problemlos erkannt.

Ein Blick in den System-Profiler allerdings zeigt die ganze Wahrheit: Der Rechner identifiziert sich als "Hackintosh".

Dessen ungeachtet nimmt die Software ihren Dienst auf. Nur kurz nach dem Start meldet das Systemprogramm "Software-Aktualisierung", es gebe noch einige Updates zu installieren. Weitere 20 Minuten später sind auch die heruntergeladen. Der Möchtegern-Mac meldet sich nach dem obligatorischen Neustart mit der aktuellen Systemversion 10.5.5 samt sämtlicher Sicherheitspatches.

Schneller und langsamer als Windows

Auch mit der übrigen Software gibt es keine Probleme: iTunes, iPhoto, Safari - alles läuft wie geschmiert. Nicht einmal Drittanbieterprogramme wie der Grafikkonverter machen Probleme. Außer, dass sie viel schneller zu Werke gehen als auf dem zum Vergleich herangezogenen und leicht betagten Doppelprozessor-PowerMac G5.

Um einen Eindruck davon zu bekommen, ob der derart gepimpte PC mit Mac OS X nun womöglich langsamer läuft als mit der parallel installierten 64-Bit-Version von Windows Vista, wurde Cinebench benutzt: ein Testprogramm, das es sowohl für Macs als auch für PCs gibt. Dessen Ergebnis: Die Leistung des Intel-Vierkernprozessors wird von dem Pseudo-Mac etwas schlechter ausgenutzt als unter Windows. Die Abweichung liegt allerdings bei fünf Prozent, das spürt man praktisch nicht.

Genau umgekehrt ist das Ergebnis des Tests der Grafikkarte. Die läuft unter Max OS X sogar um zehn Prozent fixer als unter Windows.

So viel kostet der Testrechner
Komponente Typ Preis (Euro)
Gehäuse Lian-Li X-2000 429
Prozessor Intel Q9550 280
Mainboard Gigabyte EP45-DS3 105
Speicher 4 GB DDR2-800 60
Festplatte 640 GB 55
DVD-Brenner 20-fach Multiformat 30
Grafikkarte nVidia 8800 GTS 180
Netzteil Lian Li Silent Force 650 150
CPU-Lüfter Scythe Orochi 60
Gesamtpreis 1349
*Alle Preise sind Circa-Angaben auf Basis aktueller Online-Angebote.

Das EFI-X-Modul funktioniert also - sofern man einen PC hat, der zur Kompatibilitätsliste des Herstellers passt.

Ein solcher Mac-PC ist ein echtes Schnäppchen. Ein grob mit dem Testsystem vergleichbarer MacPro würde im Apple Store rund 2200 Euro kosten. Das Testsystem hingegen wäre für rund 1350 Euro zu bekommen, wenn man die Komponenten selbst zusammensteckt. Dazu kommen noch die Kosten für Apples aktuelles Mac OS X, 129 Euro, und der Preis für das EFI-X-Modul. 128 Euro kostet es beim offiziellen Vertriebspartner der Herstellerfirma Art Studios Entertainment Media, der in der Schweiz sitzt und auch Bestellungen aus Deutschland abwickelt. Inklusive Mehrwertsteuer und Versandkosten summiert sich der Gesamtpreis auf 169,32 Euro.

Macht insgesamt rund 1600 Euro - immer noch ein Drittel billiger als ein Original-Mac.

Bisher geht Apple nicht gegen das Modul vor

WER BAUT DAS MODUL?

Art Studios Entertainment Media, die Herstellerfirma des EFI- X-Moduls, hat eine ungewöhnliche Geschichte. Wilhelm von Vnukov gründete sie vor zehn Jahren in Deutschland. Bisher war offenbar Musikproduktion das Kerngeschäft, Vnukov veröffentlichte in seiner aktuellen Heimat Taiwan sowohl Klassisches als auch Techno- Musik. Seine Musiker- Website "The Duet" allerdings hat er offensichtlich seit einiger Zeit nicht mehr gepflegt. Ein Leuchtband vermeldet dort in nicht ganz fehlerfreiem Englisch, ein neues Album sei geplant - für November 2005. Für 2008 hat das Unternehmen die Entwicklung eines eigenen PC- Spiels angekündigt. Dessen Website ist derzeit nicht erreichbar.

Ähnlich locker scheint Vnukovs Firma mit dem EFI- X-Modul umzugehen. Auf dessen Oberseite prangt in verschnörkelten goldenen Lettern der Hinweis "made in Germany". Das Testexemplar bekam SPIEGEL ONLINE allerdings aus Taiwan geliefert. Eine Anfrage, was es mit diesem Schriftzug auf sich habe, ließ das Unternehmen unbeantwortet.
Doch ist man mit einem derart getunten Rechner wirklich auf der sicheren Seite - oder wird Apple etwas gegen die Pseudo-Macs unternehmen? Der Konzern schreibt in seinen Lizenzbedingungen zu Mac OS X ausdrücklich, das Betriebssystem dürfe nur "auf jeweils einem Apple Computer" verwendet werden. Außerdem verpflichten Lizenzbedingungen den Nutzer dazu, "es zu unterlassen, Apple-Software auf einem Computer, der nicht von Apple stammt, zu installieren, verwenden oder auszuführen".

Ob diese Einschränkung bindend ist, ist unter Juristen umstritten - das Gegenargument: Als Käufer kann man die Lizenzbestimmungen erst nach Kauf des Betriebssystems einsehen, deshalb seien sie nicht gültig. Die rechtliche Lage ist deshalb unklar.

Bisher hat Apple keine Schritte gegen das Modul unternommen. Offiziell will sich der Konzern auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE zu dem Produkt nicht äußern.

Klar ist: Die Politik des Konzerns könnte sich ändern, wenn Händler beginnen, fertig konfigurierte EFI-X-Mac-PCs zu verkaufen. Die Haltung des EFI-X-Herstellers Art Studios Entertainment Media zu solchen Angeboten ist eindeutig. Sprecher Davide Rutigliano hat mehrfach angekündigt, es nicht zu dulden, wenn Händler Komplettsysteme anbieten, und dagegen vorzugehen - denn man wolle Apples Recht auf alleinige Auslieferung von OS-X-Systemen nicht infrage stellen.

Der Schweizer EFI-X-Vertrieb allerdings scheint diese Grenze ausloten zu wollen. Auf seiner Website bietet er Kunden an: "Ebenso stellen wir Ihnen einen kompletten Rechner nach Ihrer Wunschkonfiguration, abgestimmt auf EFI-X, zusammen."



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