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UNSERE GLOCKEN
von P. Siegfried Wewers OSB

In den Städten und Dörfern sind Kirchenglocken schon oftmals zum Zankapfel geworden. Vielen Gästen St. Ottiliens fällt auf, daß die Glocken hier jede Viertelstunde bezeichnen, Tag und Nacht, ohne Unterlaß. Zu den Tages- und Gebetszeiten erklingen sie, begleiten unsere Feste und geleiten uns auf dem letzten Weg.

Wem die Stunde schlägt
OstiarDie umfassende Aufgabe der Glocke ist die Verkündigung der Hora. »Sonat hora«, es ertönt die Stunde, wenn die Glocke läutet. Aus der Einförmigkeit der ins Nichts zerrinnenden Zeit hebt sich die Hora, die die Glocke ansagt, heraus. Es ist die Stunde, in der das Heilige geschieht, denn das Heilige hat immer den Charakter des Ereignisses. Die Glocke ruft das Heilige aus in die Öffentlichkeit, verkündet sein Walten in Raum und Zeit. Die Glocke artikuliert die sonst leer verrinnende Zeit, wenn sie zum Gottesdienst läutet, zur Vesper, zur Taufe, zum Angelus, zum Begräbnis, zu den Festen. Immer wieder ruft sie auf, sich zu sammeln zur Kirche Gottes, um den Auftrag der Weltheiligung und christlichen Weltgestaltung zu erfüllen.

Wenn ein Kulturhistoriker sagen kann: »Ordnung und Macht des Westens beginnt mit dem abendländischen Kloster, das sich aus dem Chaos der in Völkerwanderungen und Freveln ertrinkenden Unzeit in wüsten, verwüsteten Räumen eine Zeit und (durch sie) einen Raum ermißt und einhegt: durch den Schlag derGlockenspielender König David Glocke«, so ist es der Raum des benediktinischen »ora et labora«, den der Schlag der Glocke ermißt und einhegt. Es ist ein Raum geistiger und heiliger Ordnungen in dieser unserer dem Chaos zuneigenden Welt, ein Ort der Heimholung des Menschen in das Eigentliche und Wesenhafte. Der Mensch hat heute in seinem flachen Alltagsleben und -denken diesen Durchbruch zur Transzendenz bitter nötig, wenn er sich noch etwas von seinem wahren Wesen, das Ausgerichtetsein auf Gott, bewahren will. Jeder Glockenruf ist ein solcher Ruf zum Aufstieg in das Ganze und Umgreifende, das erst allem menschlichen Tun Sinn und Halt gibt.

Man redet heute so viel von der notwendigen Einheit zwischen Religion und Leben, Gebet und Arbeit, man fürchtet das Auseinanderbrechen von Sakralem und Profanem in zwei beziehungslose Bereiche. »Ora et labora«, um das große »et«, das große »und«, den Bindestrich zwischen Zeit und Ewigkeit geht die Botschaft der Glocke. Gott und Welt hat sie immer neu verbunden in der lebendigen Erfahrung des gläubigen Menschen.

Benediktiner und Glocken
Seit die Kirche sich der Glocken als Signalzeichen bedient, waren es vor allem die Benediktiner, die die Kunst des Glockengießens pflegten und weitervererbten. Hier begegnen wir seit dem 8. Jh. den ersten schriftlichen Aufzeichnungen über die Konstruktion der BILD VERGRÖSSERNProfile, über die Maße, Speise und Guß der Glocken. Besonders wichtig sind die »Aufzeichnungen über verschiedene Künste«, die schedula diversarum artium des Mönches Theophilus aus dem 11./12. Jahrhundert. Sein Werk bietet die inhaltsreichste und bedeutendste Anweisung, die uns aus dem Mittelalter überliefert worden ist. Die Glocken dieser Periode, die die Form von Bienenkörben hatten, werden deshalb auch noch heute unter der Sammelbezeichnung »Theophilusglocken« zusammengefaßt. Für diese klösterliche Kunst des Glockengießens sind mehrere Abteien bedeutend BILD VERGRÖSSERNgeworden: Fulda, Erfurt, St. Gallen, Salzburg, Tegernsee und nicht zuletzt die Reichenau. Die älteste Glocke dieser Art aus Canino steht heute in den Vatikanischen Museen. Deutschland besitzt noch etwa 15 solcher »Theophilusglocken«, wobei besonders die »Lullusglocke« in Hersfeld (102 cm Durchmesser) erwähnt werden soll. Die Klöster haben das Gießerprivileg noch bis in das 12. Jh. wahrgenommen, bis dann im Zuge der allgemeinen Verbürgerlichung der Handwerkskunst auch die Herstellung der Glocken in die Hände von Laien überging. Als hervorragende Meister sind die Glieder der Familie van Wou, insbesondere Gerhard van Wou aus Kampen (NL) zu nennen, von deren Glocken viele die Jahrhunderte überdauert haben, z.B. die berühmte 230 Ztr. schwere Erfurter »Maria gloriosa« von 1497 und der Braunschweiger »Blasius major« von 1502. Aus der Folgezeit stammt auch die größte Glocke der Welt: 1732 wurde in Moskau der »Glockenkaiser« mit einem Gewicht von 192 Tonnen und einem Durchmesser von 6,10 Meter gegossen. Die Glocke erklang freilich nie, da sie beim Aufhängen abstürzte. Trotz klanglicher Verbesserungen in diesem Jahrhundert – man weiß heute genauer um die Gesetze der Innenharmonie – ist es selten gelungen, den prächtigen Glockentypus, wie er im späten Mittelalter aufkam, noch wesentlich zu verbessern.

BILD VERGRÖSSERNDie Glocken von St. Ottilien
Der Glockenreichtum Europas hat mehrfach einschneidende Aderlässe erlebt, so im Dreißigjährigen Krieg, in den Revolutionen in Frankreich und Rußland, im Ersten und vor allem im Zweiten Weltkrieg, wo allein in Deutschland 42.583 Glocken, 77% des ganzen Glockenbestandes, für Kriegszwecke beschlagnahmt und zerstört wurden. Auch das erste Ottilianer Geläut aus der Augsburger Glockengießerei Hamm von 1905, das aus sechs Glocken (h0, d1, e, fis, a, h) mit einem Gesamtgewicht von 125 Zentnern bestand, endete so im Jahre 1941 auf dem »Hamburger Glockenfriedhof«.

Nach der Rückgabe des von den Nazis beschlagnahmten Klosters an die Mönche standen zunächst andere Sorgen im Vordergrund. Erst zum Benediktusjubiläum 1947 – dem 1400. BILD VERGRÖSSERNTodestag des Heiligen – erklang in St. Ottilien wieder eine erste Bronzeglocke. Sie war aus vier Fünfteln Kupfer und einem Fünftel Zinn von Carl Czudnochowsky in Erding gegossen worden. Diese »Benediktusglocke« (in b0) bildete die einsame Grundlage für das erste Ottilianer Nachkriegsgeläute, das allerdings aus einem anderen Glockenmaterial, aus Euphon (Messing mit einem geringen Zusatz von Silikaten), bestand. Die Beschaffung des Messings hatte die Gemeinschaft vor einige Schwierigkeiten gestellt. Der beauftragte Pater klaubte sich die Metallteile zum Teil aus alten Kampfflugzeugen auf dem benachbarten Fliegerhorst Penzing BILD VERGRÖSSERNzusammen. P. Frumentius berichtete später: »Ich faßte die Aktion als eine Art Kompensation auf, für das, was uns das Dritte Reich unrechtmäßig zerschlagen hatte, vor allem durch die Klosteraufhebung. Aber nun waren wir mit Materialien genügend versorgt, tauschten teilweise um in Messingkartuschen und ließen vier oder fünf Euphonglocken zur Benediktusglocke hinzugießen. Und mit dem Gelingen kam mir der Gedanke, daß wir eigentlich noch eine ganz große Glocke haben sollten«. So entstand, nachdem der Glockenstuhl wesentlich umgebaut wurde, die 106 Zentner schwere Hosannaglocke in fis0, die am 21. Oktober 1949 in den Turm aufgezogen werden konnte. Mit ihrem Durchmesser von 2,21 m paßte diese allerdings – anders als alle BILD VERGRÖSSERNbisherigen Glocken – nicht durch die »Heilig-Geist-Öffnung« im Chorgewölbe, so daß sie mit vier Flaschenzügen quer über das Dach des linken Seiten- und Querschiffes hinweg in den Glockenstuhl gebracht werden mußte. Zum großen Erschrecken aller paßte ihr Klang nicht zu den anderen Glocken, so daß man vor die traurige Alternative gestellt wurde: Entweder die »Hosanna« oder das übrige Geläut. Man entschied sich dafür, die »Hosanna« zu behalten. Es wäre auch gar nicht möglich gewesen, eine so große Glocke wieder zu zerschlagen, um sie einzuschmelzen. Und so wurden die anderen Glocken durch ein Geläute aus Zinnbronze mit den Tönen a0 – h0 – cis1 – e1 – fis1 – gis1 ersetzt. Die Gießerei, der die mangelnde Abstimmung ja auch peinlich war, hatte sich zu diesem Umtausch bereit erklärt. Das neue Bronzegeläut wurde am 4. November 1950 von Bischof Aurelian Bilgeri OSB konsekriert und dann aufgezogen. Es schlägt und läutet bis heute. Mögen diese Glocken noch lange ihre Aufgabe zur größeren Ehre Gottes erfüllen, das Heilige in unseren Alltag hineinholen und zu einer christlichen Weltgestaltung aufrufen:
 
 
Alte Läuteordnung von 1956
LÄUTEORDNUNG VON 1956 VERGRÖSSERN

 

LAUDO DEUM VERUM
PLEBEM VOCO
CONGREGO CLERUM
DEFUNCTOS PLORO
PESTUM FUGO
FESTA DECORO


 

"Den wahren Gott lobe ich
und rufe das Volk.
Ich versammle den Klerus
und betraure die Toten.
Die Seuche verjage ich
und ziere die Feste!"


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DIE GLOCKEN DER ERZABTEI ST. OTTILIEN
CD, 79 Min., Ersch. 2006, Artikel-Nr. EOS 4055, EUR 12.80 

Das achtstimmige Geläute der Erzabtei St. Ottilien, gegossen von Carl Czudnochowsky, wird mit 35 Tracks (79 Minuten) erstmals auf einer umfangreichen CD (hrsg. von P. Tobias Merkt OSB) vorgestellt. Die verschiedenen Kombinationen sind aus der umfangreichen Läuteordnung (PDF) ausgewählt, die ein Beispiel benediktinischer Sorgfalt für die Liturgie darstellt. Hinzu kommen 7 Stücke eines Glockenspiels, eine interessante Variante des Melodien- und Einfallreichtums.

Faszinierend für Musiker, Glockenfreaks und für alle, die eine Freude am Geläute der acht Glocken von St. Ottilien haben. Booklet zur CD mit zahlr. Bildern und Informationen (PDF)
 


 

VIDEOCLIP: DIE 3 GROSSEN GLOCKEN VON ST. OTTILIEN 

Die drei großen Glocken h°, a° und fis° der Erzabteikirche einzeln in Aktion.
Insgesamt: fis°-a°-h°-cis'-e'-fis'-gis'-h', gegossen von Carl Czudnochowsky (Erding,1949 und 1950).
Die große Glocke "Hosanna" wiegt 5250kg.

Videoclip starten


 
 

Übrigens: Die Benediktinererzabtei St. Ottilien besitzt das tontiefste Geläute in der Diözese Augsburg. Es besteht aus folgenden acht Glocken, die Sie auch läuten können, wenn Sie auf das Lautsprechersymbolklicken:

Die acht Glocken der Erzabtei

1.) Hosanna - Salvatorglocke (Euphon) GLOCKE LÄUTEN!
Nominal fis0+1, Durchmesser 218 cm, Gewicht ca. 5250 kg 
gegossen 1949 von Firma Czudnochowsky, Erding

2.) Gloriosa GLOCKE LÄUTEN!
Nominal a0-1, Durchmesser 183 cm, Gewicht ca. 3500 kg
gegossen 1950 von Firma Czudnochowsky, Erding

3.) Assumpta - Jubiläumsglocke GLOCKE LÄUTEN!
Nominal h0-1, Durchmesser 158 cm, Gewicht ca. 2250 kg
gegossen 1950 von Firma Czudnochowsky, Erding

4.) Annuntiata - Angelusglocke GLOCKE LÄUTEN!
Nominal cis1+/-0, Durchmesser 143 cm, Gewicht ca. 1750 kg
gegossen 1950 von Firma Czudnochowsky, Erding

5.) Ottilienglocke GLOCKE LÄUTEN!
Nominal e1+1, ,Durchmesser 119 cm, Gewicht ca. 1050 kg
gegossen 1950 von Firma Czudnochowsky, Erding

6.) Apostelglocke GLOCKE LÄUTEN!
Nominal fis1+1, Durchmesser 102 cm, Gewicht ca. 650 kg
gegossen 1950 von Firma Czudnochowsky, Erding

7.) Hl. Ulrich und Konradsglocke GLOCKE LÄUTEN!
Nominal gis1+1, Durchmesser 88 cm, Gewicht ca. 450 kg
gegossen 1950 von Firma Czudnochowsky, Erding

8.) Benediktusglocke 
Nominal h1+1, Durchmesser 80 cm, Gewicht ca. 350 kg
gegossen 1950 von Firma Czudnochowsky, Erding


 
Tipp 1: Kluniazenserläuten in St. Ottilien Kluniazenserläuten in St. OttilienGlocken des Marienmünsters in Diessen

Tipp 2: Die Glocken von St. Ottilien selbst läuten!
    (von E. Baumann: http://www.enricobaumann.de )
 

Probleme? Sie können noch nichts hören, 
wenn Sie auf das LautsprechersymbolHILFEklicken?
Dann fehlt Ihnen bestimmt der RealPlayer!
Zum Download click here!

 
 



UT IN OMNIBUS GLORIFICETUR DEUS 
2008 by P. Siegfried Wewers OSB