Höher, schneller,
symbolträchtiger
Eine Galerie der
Olympia-Maskottchen
Von Christiane Reiße
Die Olympischen Spiele sind fast dreitausend Jahre alt. Bis Ende der sechziger
Jahre liefen sie allerdings relativ uniform und eintönig ab und fanden
wenig Beachtung in der Öffentlichkeit, da das Fernsehen noch nicht verbreitet
war. Doch mit den ersten TV-Liveübertragungen 1968 änderte sich
alles. Die Spiele wurden zum weltumspannenden Großereignis. Von Australien
bis Grönland hielten plötzlich die Menschen den Atem an und fieberten
mit, wenn Zentimeter und Hundertstelsekunden über Sieg und Niederlage
entschieden. Nun war es an der Zeit, der Olympiade ein unverwechselbares Gesicht
zu geben; einen Sympathieträger, der noch Jahre nach den Wettkämpfen
an das Ereignis erinnern sollte: ein Maskottchen. Sie sollten vor allem Kinder
für die Olympischen Spiele begeistern. Auch in diesem Jahr begleiten
uns vierzehn Tage lang zwei kleine Wesen, die die Spiele lebendiger, sympathischer,
greifbarer machen sollen.
Athena
und Phoebus heißen sie für die Namen standen zwei der wichtigsten
griechischen Götter Pate. Athena, auch als Minerva bekannt, ist die Schutzgöttin
der Stadt Athen und die Tochter von Zeus und dessen erster Frau Metis. Dem
Mythos zufolge verschlang Zeus Metis, als sie schwanger war aus Angst,
einer seiner Nachkommen könnte ihm den Thron streitig machen. Hephaistos
spaltete allerdings das Haupt des Zeus und Athena sprang in Kriegsrüstung
heraus. Athena steht sowohl für kriegerische Kraft als auch für
Weisheit. Ihr Halbbruder Phoebus, der Gott des Lichtes, heißt auch Apollon
und ist der Sohn von Zeus und Leto. Er vernichtete mit Pfeil und Bogen schädliche
Tiere wie Mäuse und Heuschrecken. Später übernahm er das Orakel
in Delphi, wo ihm zu Ehren die Pythischen Spiele aufgeführt wurden. Das
Aussehen der beiden Olympiamaskottchen ist Keramikpuppen aus dem siebenten
Jahrhundert vor Christus nachempfunden, die als ältestes Spielzeug der
Welt gelten. Angeblich sollen die antiken Olympiasieger als Kinder mit solchen
Puppen gespielt haben. Athena trägt ein orangefarbenes Kleid und Phoebus
ein blaues das steht für Sonne und Meer.
Bildquelle: http://news.bbc.co.uk/sport1/hi/olympics_2004/
Athena und Phoebus treten ein schweres
Erbe an. 17 Olympiamaskottchen hat es vor ihnen gegeben, und viele davon waren
außerordentlich populär. Ob die beiden etwas unförmigen Götterfiguren
da mithalten können, bleibt abzuwarten.
Angefangen
hat alles mit einem kugelköpfigen Skiläufer. Er war das inoffizielle
Maskottchen der Winterspiele in Grenoble 1968 und wurde kurzerhand Schuss
getauft.
Bildquelle: http://www.aafla.org/6oic/primer_frmst.htm
Dackel
Waldi war dann das erste offizielle Olympiamaskottchen. Er wurde für
die Olympischen Sommerspiele 1972 in München entworfen. Modell stand
eine Hündin namens Cherie von Birkenhof. Die Wahl fiel auf einen Dackel,
weil diese Hunde Zähigkeit, Beweglichkeit und Widerstandsfähigkeit
besitzen. Waldis Fell trug die offiziellen Farben der Olympiade. Er war ein
voller Marketingerfolg: Plüschtiere, Poster, und Sticker von und mit
Waldi gingen weg wie warme Semmeln.
Bildquelle:
http://www.collectors.olympic.org/
Vier
Jahre später fanden die Olympischen Winterspiele in Innsbruck statt.
Das Maskottchen war ein Schneemann, der auch Schneemann hieß. Er trug
einen Tirolerhut und bestand aus nur einer Schneekugel.
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http://www.aafla.org/6oic/primer_frmst.htm
Für
die Sommerspiele 1976 in Montreal wurde ein seltsames schwarzes Wesen namens
Amik als Maskottchen ausgesucht. Nur die Algoquin-Indianer wussten wohl sofort,
was das etwas unförmige Tier darstellen sollte, denn in ihrer Sprache
heißt Amik Biber. Er sollte die harte Arbeit darstellen, die die Olympioniken
zu leisten haben.
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http://www.collectors.olympic.org/
1980
repräsentierte ein Waschbär namens Roni die Olympischen Winterspiele
in Lake Placid. Roni ist das Wort der Irokesen für Waschbär. Er
war eigentlich nur zweite Wahl, denn ursprünglich sollte ein lebendiger
Waschbär namens Rocky das Olympiamaskottchen werden. Der starb allerdings
noch vor Beginn der Spiele, und so musste der Designer Don Moss schnell für
Ersatz sorgen.
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Den
wohl ungewöhnlichsten Namen von allen Maskottchen trug ein kleiner Braunbär,
der für die Sommerspiele 1980 in Moskau warb. Er hieß Mikhail Potapych
Toptygin. Bekannt wurde er aber als Mischa. Bis er das Licht der Welt erblickte,
verging geraume Zeit. Das Organisationskomitee der Spiele forderte die Russen
in einer Fernsehsendung auf, Vorschläge für das Maskottchen einzusenden.
40000 Menschen beteiligten sich. Die meisten Einsendungen favorisierten einen
Bären, da Bären in vielen russischen Märchen und Gedichten
vorkommen. Der berühmte Kinderbuchillustrator Victor Chizikov brauchte
schließlich sechs Monate und über hundert verschiedene Entwürfe,
bis der kleine Bär fertig war. Mischa wurde unglaublich populär.
Es gab Mischas auf Pins, aus Plüsch, aus Porzellan, Holz und Glas. Mischa
bekam seine eigene Briefmarke und war das erste Olympiamaskottchen im Weltall.
Bildquelle:
http://www.collectors.olympic.org/
Auch
bei der Entstehung des nächsten Olympiamaskottchens hatte die Bevölkerung
ein Mitspracherecht. Künstler schickten insgesamt 836 Entwürfe für
das Maskottchen der Olympischen Winterspiele 1984 in Sarajewo ein. Die Zeitungen
druckten Stimmzettel ab, und die Jugoslawen wählten aus sechs Finalisten
den Wolf Vucko des slowenischen Malers Joze Trebec aus.
Bildquelle:
http://www.collectors.olympic.org/
Das
Maskottchen der Olympischen Sommerspiele 1984 in Los Angeles war ein Adler,
das Nationalsymbol der Vereinigten Staaten. Etwaige Ähnlichkeiten von
Sam the eagle mit einem stinkreichen Erpel aus Entenhausen sind nicht rein
zufällig – Sams „Vater“ C. Robert Moore war Designer bei Walt Disney.
Bildquelle: http://www.collectors.olympic.org/
Hidy
und Howdy waren das erste Doppelmaskottchen der Olympischen Spiele. Sie warben
für die Winterspiele 1988 in Calgary und waren Bruder und Schwester.
Das Organisationskomitee wählte Eisbären, weil sie Assoziationen
mit dem Winter und mit Kanada wecken. Der Zoo von Calgary veranstaltete einen
Wettbewerb, um Namen für die Maskottchen zu finden. 7000 Einsendungen
gingen ein. Hidy und Howdy traten bereits bei der Abschlussveranstaltung der
Olympiade 1984 in Sarajewo zum ersten Mal auf – als Eisläufer in Begleitung
von Vucko.
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http://www.aafla.org/6oic/primer_frmst.htm
Auch
bei den Olympischen Sommerspielen 1988 in Seoul gab es eigentlich ein Doppelmaskottchen.
Es waren zwei Tiger namens Hodori und Hosuni. Hodori war allerdings viel beliebter,
und so vergaß man Hosuni schnell. Die Maskottchen wurden von dem Designer
Kim Hyun entworfen. Ho ist das koreanische Wort für Tiger und dori ist
eine männliche Namensendung. Der Name wurde aus 2295 Einsendungen ausgewählt.
Bildquelle: http://www.collectors.olympic.org/
Der
Schneestern Magique von Philippe Mairesse war 1992 das Maskottchen der Olympischen
Winterspiele in Albertville. Eigentlich sollte Chamois, eine Bergziege, das
Maskottchen werden. So richtig konnte sich aber niemand für diese Ziege
begeistern, und so wurde sie zwei Jahre vor den Spielen ad acta gelegt.
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Cobi,
das Maskottchen der Sommerspiele 1992 in Barcelona, hatte es anfangs ziemlich
schwer. Niemand wusste, was es darstellen sollte. Der Comiczeichner Javier
Mariscal hatte den etwas abstrakt wirkenden Schäferhund entworfen. Im
Verlauf der Spiele wurde Cobi allerdings immer populärer und bekam sogar
seine eigene Fernsehshow.
Bildquelle: http://www.collectors.olympic.org/
1994
waren zum ersten Mal zwei Menschen die Maskottchen der Olympischen Spiele.
Haakon und Kristin warben für die Winterspiele in Lillehammer. Ihre Namen
sind der norwegischen Folklore entnommen: Haakon war ein sagenumwobener König
und Kristin seine Tante. Während der Spiele gab es auch etliche Haakons
und Kristins aus Fleisch und Blut, die die Olympiade repräsentierten.
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Izzy
war wahrscheinlich das unbeliebteste aller Olympia-Maskottchen. Es wurde für
die Sommerspiele 1996 in Atlanta entworfen. Niemand wusste, was es sein sollte,
und so kam auch sein Name zustande – ursprünglich hieß das Maskottchen
Whatizit. Das wurde dann später zu Izzy verkürzt. Izzys Erscheinungsbild
veränderte sich mehrmals. Es bekam einen Mund und Sterne in den Augen.
Seine Beine wurden muskulöser und zum Schluss bekam es sogar eine Nase.
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http://news.bbc.co.uk/sport1/hi/olympics_2004/
Auch
die vier Schneeeulen Sukki, Nokki, Lekki und Tsukki die Maskottchen
der Winterspiele 1998 in Nagano eroberten die Herzen der Zuschauer
nicht gerade im Sturm. In der zweiten Woche der Spiele wurden sie dann beliebter.
Ihr Vorgänger, das Wiesel Snowple, konnte niemanden begeistern und wurde
deshalb schnell wieder verworfen.
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Drei
für Australien typische Tiere repräsentierten die Olympischen Sommerspiele
2000 in Sydney: Olly der Eisvogel, Syd das Schnabeltier und Millie der Schnabeligel.
Sie wurden von Matthew Hatton entworfen und stellen die Natur Australiens
in drei verschiedenen Elementen dar: der Eisvogel steht für Luft, das
Schnabeltier für Wasser und der Schnabeligel für Erde. Auch ihre
Namen haben eine tiefere Bedeutung: Olly für Olympia, Syd für Sydney
und Millie für Millenium, weil die Spiele in Sydney die ersten des neuen
Jahrtausends waren.
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http://www.collectors.olympic.org/
Die
Maskottchen der Olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City stammen aus
der amerikanischen Folklore und symbolisieren das olympische Motto „Citius,
altius, fortius“: Schneehase Powder (schneller), Koyote Copper (höher),
Bär Coal (stärker).
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Ursprünglich wurden die Maskottchen
als Symbole für die Olympischen Spiele eingeführt, um den olympischen
Gedanken in die Welt zu tragen. Sie sollten Sympathien wecken und die Spiele
emotionaler machen. Im Laufe der Zeit steckte man immer mehr Zeit und Aufwand
in die Entwicklung der Maskottchen. Ihr Aussehen und ihre Namen sind wesentlich
symbolträchtiger geworden, denn heute spielt noch ein anderer Faktor
eine entscheidende Rolle: Die Maskottchen müssen sich zu Geld machen
lassen. Sie sind Werbeikonen und tragen entscheidend zum finanziellen Erfolg
der Spiele bei. Diese Entwicklung hat der Popularität der Maskottchen
nicht unbedingt gut getan. Die Maskottchen sind immer verkopfter geworden;
der emotionale Gehalt ging verloren. Vielleicht haben die schleppenden Ticketverkäufe
für Athen ja damit etwas zu tun: Die Maskottchen Phoebus und Athena sind
möglicherweise einfach nicht sympathisch genug. Die griechische Presse
nimmt diesbezüglich jedenfalls kein Blatt für den Mund: Mehrere
Tagesblätter verspotteten die beiden Puppen bereits als "aufgeblasene
Kondome" und "Mutanten eines Atomunfalls".
Übrigens: Die Suche nach dem
Maskottchen für die Sommerspiele 2008 in Peking ist bereits in vollem
Gange. Hier kann man Vorschläge einreichen: http://en1.beijing-2008.org/37/30/column211623037.shtml
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Veröffentlicht
am 20.08.2004
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