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Die Geschichte des CIA-Agenten Eberhardt Fätkenheuer
Über das jahrelange Gezerre hinter den Kulissen, über das Feilschen um die Tauschware "Agent" ist damals wie heute nur wenig bekannt. Auch die Schicksale der Protagonisten sind im Dunkeln geblieben. Einer davon ist Eberhardt Fätkenheuer, Familienvater, gelernter KFZ-Ingenieur und CIA-Agent aus Ost-Berlin.
Eberhardt Fätkenheuer wird als 31-Jähriger für die CIA angeworben.; Rechte: Reportagen & Dokumentationen
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Eberhardt Fätkenheuer wird als 31-Jähriger für die CIA angeworben.
1975 wird der damals 31-Jährige durch einen Freund aus Österreich, einem Mittelsmann der CIA, während eines gemeinsamen Urlaubs in Ungarn angeworben. In einer angemieteten Wohnung werden die Grundbegriffe des Agentenhandwerks vermittelt: Dechiffrieren und das Abfassen von Geheimbriefen. Gleich nach seiner Heimkehr, beginnt der frisch gebackene CIA-Agent aus Berlin-Pankow mit seiner Arbeit. Nach außen hin läuft sein Leben weiter wie bisher. Keiner aus der Nachbarschaft ahnt etwas von seinen nächtlichen Kontakten zur CIA. Eberhardt Fätkenheuer (ehemaliger CIA-Agent in der DDR): "Ich fand es einfach mit das Größte für die Amerikaner tätig sein zu dürfen. Ich war im Grunde genommen stolz darauf, dass man mich ausgewählt hatte ..."
 
Regelmäßig geht der KFZ-Ingenieur auf die Pirsch, in den Wäldern um Berlin. Sein Auftrag, das Erkunden sowjetischer Militärobjekte - Radaranlagen, Truppenbewegungen, Raketenstellungen. Über alles was er hört und sieht, soll er berichten. Die Aufträge kommen über das Radio ins Wohnzimmer. In verschlüsselten Botschaften, die er dann dechiffrieren muss. Seine Ergebnisse schickt er, ebenfalls verschlüsselt, auf dem Postweg in den Westen. Instruktionen erhält Fätkenheuer von seinem CIA-Agentenführer. So hat er beispielsweise immer eine "Cover-Story" parat, die sein Spionieren im Ernstfall rechtfertigen soll. Mal sammelt er Pilze im Wald, mal macht er einen Spaziergang mit einem Mädchen als verliebtes Paar. Über die Risiken seiner Spionage-Operationen wird Fätkenheuer nicht wirklich aufgeklärt. Sein Agentenführer versicherte ihm allerdings schon beim ersten Treffen: Falls er auffliege, werde man sich um ihn kümmern, ihn rausholen.
 
John Mapother (CIA); Rechte: Reportagen & Dokumentationen
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John Mapother (CIA)
Die ersten Monate fühlt sich Fätkenheuer wie James Bond, der Gefahr ist er sich nicht bewusst. Er ahnt nicht, dass er bereits im Visier der DDR-Spionageabwehr steht. Nachdem die Staatssicherheit einen Geheimbrief von ihm abfängt, wird Fätkenheuer nahezu lückenlos observiert. 1977, zwei Jahre nach seinem Einstieg, installieren Spezialisten Wanzen in seiner Wohnung. Langsam zieht sich die Schlinge zu. Im Juni 1979 schlägt die Spionageabwehr zu. Eberhard Fätkenheuer wird nach vier Jahren Agenten-Tätigkeit auf offener Straße verhaftet.
 
"Ich bin cool geblieben und habe geleugnet. Bis ich merkte, dass es keinen Sinn hatte, sie wissen zu viel. Es entsteht in ihnen eine gewisse Leere, eine innere Leere. Eine Machtlosigkeit ... Sie wissen, dass es keinen Sinn mehr hat, sich zu wehren ...".
 
Hinter Gittern, kaum Kontakt zu Frau und Kind, ahnt Fätkenheuer nicht, dass sich seit 1980 DDR-Anwalt Wolfgang Vogel im indirektem Auftrag der Berliner MfS-Zentrale um das Schicksal der aufgeflogenen CIA-Agenten in der DDR kümmert. Als sich die Verhandlungsführer in Ost und West schließlich einigen, sitzt Eberhardt Fätkenheuer bereits sechs Jahre im Gefängnis, nur etwa aller zwei Monate darf er mit seiner Frau sprechen. Noch ahnt er nicht, dass er neben 24 anderen CIA-Agenten am 11. Juni 1985 an der Glienicker Brücke gegen vier Ost-Agenten ausgetauscht werden wird.
 
Fätkenheuer - ein frisch gebackener CIA-Agent aus Berlin-Pankow.; Rechte: Reportagen & Dokumentationen
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Fätkenheuer - ein frisch gebackener CIA-Agent aus Berlin-Pankow.
Eberhardt Fätkenheuer: "Ich wurde zu einem Oberguru geholt. Das war vielleicht drei vier Wochen vor dem 11. Juni. Dieser fragte mich, wo ich denn nun hin wolle, nach Amerika oder zu meiner Frau. Ich konnte überhaupt nicht fassen, was dieser Mann von mir wollte. Er hatte wirklich davon gesprochen, ob ich nach Amerika gehen will. Ich habe das natürlich für eine Falle gehalten."
 
Einige Tage vor dem vereinbarten Termin werden alle Tauschkandidaten aus den verschiedenen Gefängnissen nach Karl-Marx-Stadt verlegt. Auf der Fahrt nach Potsdam am Morgen des 11. Juni 1985 kommen Fätkenheuer Zweifel, ob er die DDR verlassen soll. Er will zurück nach Berlin-Pankow, zu Frau und Kind. Seit sechs Jahren sehnt er diesen Augenblick herbei.
 
"Ich glaube ungefähr alle zwei Monate durfte ich mit ihr sprechen. Und wie man sich gefreut hat - von mal zu mal - man konnte sich körperlich ein bisschen näher kommen. Von solchen Berührungen hat man gelebt. Und im Grunde genommen hatte ich immer Angst, ich könnte sie verlieren."
 
Als schließlich US-Diplomat Richard Burt die DDR-Häftlinge im Namen von Ronald Reagan begrüsst, beginnt für Eberhardt Fätkenheuer das Wechselbad der Gefühle. Kurz vor dem lang ersehnten großen Augenblick, konfrontiert ihn Anwalt Vogel mit einer schockierenden Nachricht. Seine Frau lebe mit einem anderen Mann zusammen. Eine heikle Situation, denn Fätkenheuer steht vor der schwierigen Entscheidung, ob er mitfahren soll oder nicht. Schließlich versichern ihm die Unterhändler Vogel und Burt, dass seine Frau nachkommen könne, falls sie dies wolle und Fätkenheuer geht mit über die Glienicker Brücke Richtung West-Berlin. 14 Tage später reist Frau Fätkenheuer ihrem Mann nach, in den Westen. Nach sechs Jahren Haft und Ungewissheit ist die Familie wieder vereint und in Freiheit.
 
zuletzt aktualisiert: 08. April 2004 | 11:34
 
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Eberhard Fätkenheuer (CIA-Agent in der DDR):
"Im Grunde genommen, bin ich ja heute streng genommen noch nicht einmal legitimiert, darüber zu reden. Nur nach der Zeit und der heutigen politischen Situation, meine ich, man kann ruhig so ein Stück Vergangenheit aufarbeiten, ehrlich darüber reden, was damals wirklich war."
John Mapother (CIA):
"Wenn das Gebiet von einem feindlichen Sicherheitsdienst kontrolliert wird, dann kann man niemandem versprechen, dass er nicht ins Gefängnis kommt. Das geht nicht. Es ist unmöglich, einem Agenten zu versprechen, ihn aus dem Feindesland herauszuholen, falls er Probleme bekommt. Das ist etwas Unvorhersehbares."
James Schlesinger (CIA-Direktor):
"Alle Nachrichtendienste müssen versuchen, ihre Leute zurück zu bekommen, wenn sie gefangen genommen worden sind. Wenn sie nicht versuchen würden, alles dafür zu unternehmen, würde die Moral der Truppe darunter sehr leiden."
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