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Der 11. Juni 1985: Countdown des Agentenaustauschs
Die Glienicker Brücke, zwischen Potsdam und Berlin. Der Ort, der am 11. Juni 1985 mit dem bis dahin größten Agentenaustausch Geschichte schreibt.
Die Glienicker Brücke. Während des Kalten Krieges Grenzbrücke zwischen Westberlin und der DDR. Schauplatz der spektakulärsten Agenten-Deals des Kalten Krieges.; Rechte: MDR/Pressestelle
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Die Glienicker Brücke. Während des Kalten Krieges Grenzbrücke zwischen Westberlin und der DDR. Schauplatz der spektakulärsten Agenten-Deals des Kalten Krieges.
Niemals zuvor wechselten so viele Spione auf ein Mal die Seiten. 29 Agenten aus sechs Ländern. Der spektakuläre Agentenaustausch sorgte für Schlagzeilen: "High noon auf der Glienicker Brücke", "Agententhriller", "Das Superding"... Die Presse stürzte sich begierig auf das Ereignis. Ein Kamerateam der US-Army und ein ARD-Fernsehteam waren vor Ort. Zum ersten Mal gab es offizielle Filmaufnahmen eines Agentenaustauschs.
 
Rückblick auf die Geschehnisse vor dem 11. Juni:
DDR-Anwalt Wolfgang Vogel hatte jahrelang mit den Amerikanern um diesen Deal gepokert. Im Sommer 1980 bereitet Vogel erneut Tauschlisten vor, um die Amerikaner "anzuregen", sich endlich um ihre verurteilten Spione in der DDR zu kümmern. "West"-Journalist Lothar Löwe soll als Kurier fungieren.
 
Im Oktober 1981 erreicht die Liste Washington. Ein einmaliger Vorgang im Kalten Krieg. Ein ostdeutscher Anwalt lanciert über einen aus der DDR ausgewiesenen westdeutschen Journalisten eine Liste mit aufgeflogenen CIA-Agenten in die USA mit der Bitte, man möge sich um die Leute kümmern. Loewe leitet die Liste an die CIA und das US-Außenministerium weiter. Diese recherchieren und stellen fest, dass es sich bei allen Personen auf der Liste tatsächlich um CIA-Agenten handelt. Außerdem erfährt die Zentrale auf diesem Wege, dass einer ihrer Agentenführer das Auffliegen seiner DDR-Leute verheimlicht hat, um deren Sold in die eigene Tasche zu stecken. In Washington wächst der Handlungsdruck, etwas für die aufgeflogenen Leute in der DDR zu tun. Doch es fehlt den USA an geeigneter "Tausch-Masse".
 
Erst als der ostdeutsche Agent Alfred Zehe, Physikprofessor aus Dresden bei einer USA-Reise 1983 vom FBI festgenommen wird, kommt Bewegung in die Verhandlung um die CIA-Agenten in der DDR, die teilweise bereits mehrere Jahre in Haft sitzen.
Neben Zehe verfügten die Amerikaner inzwischen über drei weitere Ostagenten. Im Mai 1985 fliegt Vogel in die USA, um letzte Details zu besprechen und bekommt schließlich vom State Department eine abgesegnete Tausch-Liste vorgelegt: 25 CIA-Agenten gegen vier Ost-Agenten.
Als Ort des Agentenaustauschs wird die Glienicker Brücke bestimmt, die Brücke zwischen West-Berlin und Potsdam, auf der schon einmal, 1962 der erste Agentenaustausch des Kalten Krieges abgewickelt worden war. Zeitpunkt des Deals soll der 11. Juni 1985 sein. Einige Tage vor dem vereinbarten Termin werden alle Tauschkandidaten aus den verschiedenen Gefängnissen nach Karl-Marx-Stadt verlegt.
 
Der Tag des Agentenaustauschs
Karl-Marx-Stadt:

In den Morgenstunden des 11. Juni 85 fährt ein Bus vor, der die 25 Häftlinge zur Glienicker Brücke befördern soll. Auf der Fahrt von Karl-Marx-Stadt nach Potsdam ereignen sich wahre Familiendramen im Bus: Familienmitglieder, die sich jahrelang nicht sehen konnten, sehen sich wieder, einige sind hin- und hergerissen zwischen Rückkehr zur Familie in die DDR und einem Neuanfang im Westen. Der Agenten-Bus rollt derweil auf der Autobahn Richtung Glienicker Brücke. Immer im Visier einer Stasi-Eskorte.
 
Flughafen Berlin Tempelhof:

Gegen 6.30 Uhr landet eine US-Militärmaschine mit den vier Ost-Agenten an Bord. Die Unterhändler Richard Burt, John Kornblum und Tom Niles sind für die amerikanische Seite vor Ort. Kurze Zeit später trifft DDR-Anwalt Wolfgang Vogel ein, um die Identität der vier Tausch-Kandidaten festzustellen. Formalitäten werden erledigt - unter merkwürdig dramatischen Umständen. Die vier gefangenen Ost-Agenten sind derweil angekettet und voneinander in kleinen Zellen separiert. Nach zwei Stunden macht sich Vogel wieder auf den Weg zurück, auf die andere Seite des Eisernen Vorhangs.
 
Ost-West-Grenze Glienicker Brücke:

US-Diplomat Richard Burt fährt in den Osten, um die CIA-Agenten zu identifizieren. Als er den Bus betritt und sich als Vertreter der Vereinigten Staaten vorstellt, herrscht große Erleichterung unter den gefangenen CIA-Agenten im Bus. Man hatte ihnen bis zuletzt nicht gesagt, was genau mit ihnen geschehen würde. Gegen 13 Uhr verlassen 24 der 25 Häftlinge den Bus und gehen zur Glienicker Brücke, in Richtung Westberlin. Eine Frau bleibt auf eigenen Wunsch in der DDR zurück. Die vier Ost-Agenten verlassen in Gegenrichtung in einem Kleinbus den Westen und werden im Osten von Wolfgang Vogel in Empfang genommen.
 
Schließlich herrscht allgemeine Erleichterung auf beiden Seiten. Die amerikanischen Unterhändler Richard Burt, John Kornblum und Tom Niles scheinen mit dem Deal ebenso zufrieden wie ihr Gegenüber Wolfgang Vogel. Das Tauziehen um die so genannten "kleinen Fische" im Krieg der Geheimdienste geht zu Ende.
 
Flughafen Tempelhof:

Gegen 14.00 Uhr treffen die freigetauschten CIA-Agenten auf dem Flughafen Tempelhof ein, um nach Frankfurt ausgeflogen zu werden. Der Flug in die Freiheit. Der größte Agententausch der Geschichte ist abgeschlossen.
 
zuletzt aktualisiert: 23. August 2004 | 14:15
 
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Richard Barkley (US-Außenministerium):
"Um einen Handel zu machen, braucht man etwas mit dem man handeln kann. Wir hatten eine Anzahl von Leuten, die wir gefasst hatten, aus Polen, Bulgarien usw., aber wir hatten keine adäquate ostdeutsche 'Handelsware'."
Lothar Loewe (Fernseh-Journalist):
"Vogel sagte, unsere Geduld, die Geduld unserer Leute und auch die Geduld der Familienangehörigen sei nun zu Ende. Sie schmorten in den Gefängnissen und wenn diese Familien an die Öffentlichkeit gingen und berichteten, weshalb ihre Angehörigen im Knast säßen und dass die Amerikaner in ihrer typisch imperialistischen Art sich nicht um ihre ehemaligen Agenten kümmerten, dann würden die Amerikaner schlecht aussehen."
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