Die neuapostolische Kirche bewegt sich. Aber wohin?

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Demagogie oder geschichtswissenschaftliche Verfahrensweisen? - Walter Drave im Verhör (3. Tag)

Zum Thema: Die Neuapostolische Kirche von 1938 bis 1955 - Entwicklungen und Probleme, präsentiert anlässlich des Infoabends am 4. Dezember 2007
Nach der heftige Reaktionen hervorrufenden tendenziösen Geschichtsaufarbeitung durch die innerkirchliche AG Geschichte wird der für die veröffentlichte "Zusammenschau" verantwortliche "NAK-Chefhistoriker" Walter Drave in einem fiktiven Prozess von einem ebenfalls fiktiven Staatsanwalt verhört. Im Verlaufe dieses 3. Vernehmungstages versucht der Staatsanwalt, Licht in die Darstellungen um den Ausschluss des damaligen Bezirksapostels Peter Kuhlen zu bringen und formuliert abschliessend die Anklage gegen Walter Drave.

Sie als Leser sind aufgefordert, in der Rolle von fiktiven Geschworenen über "Schuldig" oder "Nicht schuldig" nach bestem Wissen und Gewissen zu entscheiden.

3. Verhandlungstag: Der Fall Kuhlen und das Schluss-Plädoyer

Am ersten Verhandlungstag dieses fiktiven Prozesses ging es darum, die unwissenschaftliche Verfahrensweise Draves und die Hauptmotivation von J.G. Bischoff - die Stärkung der eigenen Position bzw. des Stammapostelamtes zu stärken - herauszuschälen. Der zweiten Verhandlungstag war dann dem "Fall Güttinger" gewidmet, und hier nun wird abschliessend der "Fall Kuhlen" behandelt.

Alle Antworten des angeklagten Leiters der innerkirchlichen Arbeitsgruppe Geschichte, Walter Drave, sind Originalzitate aus der von der Neuapostolischen Kirche International veröffentlichten Zusammenschau über Die Neuapostolische Kirche von 1938 bis 1955. Der fiktive Staatsanwalt führt mit seinen Fragen lediglich durch diese Aussagen und deckt dadurch Ungereimtheiten und Widersprüche und für eine wissenschaftliche Ausarbeitung unzulässige Wertungen und Irreführungen im Abaluf der Darstellungen Draves auf.

Staatsanwalt:
Herr Drave, in einigen Fragen zu Ihrer Vorgehensweise können wir bereits rascher Vorgehen, da sich bei Ihnenein bestimmtes demagogisches Verhaltensmuster abzeichnet. Wie im Fall Güttinger nehmen Sie auch im Fall Kuhlen bereits in den einführenden Zeilen die eigentlich anzustrebenden Untersuchungsergebnisse vorweg, oder besser gesagt: Sie formulieren eingangs wiederum die festen Ziele dessen, was Sie darstellen und dem Zuhörer indoktrinieren wollen. Bitte lesen Sie uns als Beispiel dafür die in Ihren einführenden Zeilen als Tatbestände formulierten Vorwürfe vor!

Drave:
Oppositionelles Verhalten gegenüber dem Stammapostel wurde jedoch nicht nur von Ernst Güttinger praktiziert.

Tradition und Geschichte des Stammapostelamtes seit 1897 belegen, dass das Stammapostelamt das kirchenleitende Amt unserer Kirche ist. In der Apostelsatzung von 1922 ist diese absolute Position des Stammapostels darüber hinaus sogar rechtsverbindlich festgeschrieben. Zum alleinigen Aufgabenbereich des Stammapostels gehörte es – wenn er es für nötig hielt –, sich einen Helfer zu erwählen bzw. seinen Nachfolger zu bestimmen und zu ordinieren. Bis zu seinem Tod finden sich beim Stammapostel Bischoff der Glaube und die Überzeugung, dass der Herr ihm keinen Nachfolger gezeigt habe. Er lebte der Gewissheit, dass er beauftragt sei, das Werk des Herrn zu vollenden.

Trotzdem ordinierte der Stammapostel am 1. August 1948 in Bielefeld den Bezirksapostel Kuhlen zum Stammapostel, bestimmte ihn zu seinem Nachfolger und übertrug ihm das Stammapostelhelferamt, obwohl er das nicht wollte und die ganze Handlung als ungöttlich ansah.

Staatsanwalt:
Also es steht für Sie fest, ich zitiere: Und, wie im Fall Güttinger, belegen Sie dies und weitere Behauptungen, mit subjektiven Schriftzeugnissen Bischoffs und anderer dazu passender Äusserungen, die allesamt keine Beweiskraft haben. Gleichfalls findet sich die Parallele zu Güttinger in der Tatsache, dass in beiden Fällen ein eigentlich gültiger Beschluss der Apostelversammlung vorlag. Bei Güttinger war es der Beschluss zum begrenzten Dienstalter der Apostel und des Stammapostels, hier ist es die vollgültige Bestimmung eines neuen Stammapostels mit der zunächst auszuübenden Funktion eines Stammapostelhelfers durch die Apostelversammlung. Auch hier, ich betone, erfolgte der Beschluss mit Bischoffs Stimme!

Drave:
Stammapostel Bischoff schrieb aber, dass „es gegen seine ausdrücklichen Vorstellungen und gegen seine ausdrücklichen Warnungen zu der Wahl des Stammapostelhelfers Kuhlen kam. Er stand in jener Zeit den Aposteln gegenüber allein und war gezwungen worden zu handeln.

Staatsanwalt:
In einem Brief gut zwei Monate vor der Wahl vom 18. Februar 1948 schreibt Bischoff aber noch durchaus einsichtig:

In diesem Schriftsatz teilten mir die Apostel mit, dass sie den Apostel Kuhlen als meinen Nachfolger erwählt haben. Ich kann die Apostel in dieser Hinsicht verstehen; denn mit vollendetem 77. Lebensjahr ist man kein Jüngling mehr. In diesem Alter ist man dem Tag, an dem einem der Herr Feierabend machen heisst, näher, als wenn man 40 oder 50 Jahre alt ist.“ Aber wieder folgte ein Stimmungs- oder Meinungswechsel!

Drave:
Hätten die Apostel nicht gegen den Stammapostel konspiriert und ihn nicht mit vollendeten Tatsachen konfrontiert, sondern hätten sie sich offenherzig und in aufrichtigem Dialog mit Ihrem Anliegen der Nachfolgerregelung dem Stammapostel zugewandt, dann wäre wohl zumindest eine Zuspitzung des Konflikts im Apostelkreis vermieden worden. Davon zeugt eine Äusserung des Stammapostels, die er wiederum gegenüber dem Apostel Schneider sen. in einem Brief vom 24. März 1948 gemacht hat: „Nun war gestern Apostel Schmidt hier. Er ist zwar im Amte der jüngste Apostel, aber ein sehr ruhiger, sachlicher Mann. Ich habe ihm erst meine Stellung in klaren Ausführungen zur Kenntnis gebracht, und dann hat auch er mir in ruhiger Weise die Stellung der Apostel geschildert, was natürlich ein anderes Bild ergab, wie mir dies bisher nur in Bruchstücken zur Kenntnis gekommen war. Ich werde nun am 17. April [1948] nach Düsseldorf fahren und dort mit den Aposteln Lembke, Kuhlen, Knigge, Weinmann und Schmidt nochmals die ganze Sache besprechen.“

Staatsanwalt:
Man könnte also – wie schon im Fall Güttinger festgestellt - genau so gut die verletzte Eitelkeit, Engstirnigkeit und Uneinsichtigkeit Bischoffs als Ursache des Verhaltens der Apostel interpretieren! Erst der offensichtlich ankommende devote Ton Schmidts bewirkte, dass sich bei Bischoff nach seinen Worten nun „natürlich ein anderes Bild ergab, wie mir dies bisher nur in Bruchstücken zur Kenntnis gekommen war.“

Wie konnte Ihrer Meinung nach Bischoff letztlich zur Zustimmung „gezwungen“ werden?

Drave:
Offensichtlich konnte er dem Druck – der ja für ihn unerwartet kam – nicht standhalten; eine Verweigerungshaltung hätte einen Eklat und unabsehbare Folgen nach sich gezogen, und genau deshalb unternahmen ja die Apostel unter Federführung Kuhlens dieses überraschende Unternehmen.

Bei den Aposteln, besonders bei denen eines engeren Kreises um Kuhlen, stellen wir ein erhebliches Fehlverhalten fest: Sie agierten hinter dem Rücken des Stammapostels und respektierten nicht dessen ablehnende Haltung in der Frage der Nachfolgeregelung. ... Trotz dieser Feststellungen wollen wir ihnen die grundsätzlich aufrichtige Sorge um den Fortbestand des Werkes Gottes nicht absprechen.

„Schon in den Jahren vor und nach dem Krieg zeigte sich deutlich und klarer werdend das Streben und Verlangen einzelner Apostel, einen Nachfolger für ihn zu bestimmen. Durch geheime Zusammenkünfte hinter seinem Rücken war es gelungen, die Apostel in Europa zu beeinflussen, so dass es gegen seine ausdrücklichen Vorstellungen und gegen seine ausdrücklichen Warnungen zu der Wahl des Stammapostelhelfers Kuhlen kam.“ Ohne jegliches Unrechtsbewusstsein stellte Kuhlen die Autorität des Stammapostels in Frage. Es würde dem Verhalten (der Apostel aber) nicht gerecht, wenn wir sie lediglich als Mitläufer Kuhlens und als dessen verführte Opfer betrachteten.

Staatsanwalt:
Also Sie interpretieren den Widerstand als konspiratives Verhalten der Mehrheit des Apostelkollegiums durch den Einfluss Kuhlens, aber auch aus eigenem Antrieb, weil sie sich „aufrichtige Sorge um den Fortbestand des Werkes Gottes“ machten! Deshalb ignorierten sie Bischoffs Haltung!

Drave:
Vielleicht könnte man so weit gehen, zu behaupten, die Apostel haben die Frage der zukünftigen Führung im Werk Gottes zu einer Frage der Organisation, der vernunftgesteuerten Regelung von Führung, gemacht.

Staatsanwalt:
Jede Führungsbesetzung sollte doch von der Vernunft für die beste Wahl geleitet sein! Auch gegen den Willen eines älteren Herren, der anderer Ansicht ist!

Drave:
„Das Schlimmste dabei war aber, dass die Apostel auch den lieben Gott beiseite setzten.“

Staatsanwalt:
Jetzt wird s interessant Herr Drave. Also das, wie Sie sich ausdrücken, was der „liebe Gott“ will und möchte, weiss demnach nur der Herr Bischoff? Deswegen enttäuschte ihn der beharrliche Widerstand „seiner“ Apostel?

Drave:
Der Stammapostel war gewiss nicht nur wegen des konspirativen Vorgehens der Apostel enttäuscht, nicht nur wegen der Missachtung seiner Amtsautorität in dieser Frage, sondern auch wegen der mangelnden Erkenntnis einiger Apostel in göttliches Walten und göttliche Vorsehung.

Staatsanwalt:
Nun, eine andere „göttliche Vorsehung“ hatte Deutschland gerade in ein unvorstellbares Chaos und Leid gestürzt, durch Hitler, der auch von sich behauptete, dass die „göttliche Vorsehung“ ihn in seinem Amt bestätigt hätte!

Also zu einer solchen Selbstüberhöhung und Menschenvergötzung gehört schon ein gehöriges Mass, Sie entschuldigen den Ausdruck, Herr Drave, an wahnhafter Selbstüberschätzung und ein abnormes Sendungsbewusstsein! In der Psychologie nennt man das pathologisch eine „Überwertige Idee“. Aus einer Idee wird eine Ideologie, die den ganzen Menschen ergreift und sich über Starrsinn und Selbstüberschätzung bis hin zum Wahn steigert! Gesundheitliche Folgen sind ebenfalls unausweichlich! Können Sie dazu etwas sagen?

Drave:
Der Stammapostel selbst bezahlte für den jahrelang schwelenden und später offen ausgetragenen Konflikt einen hohen persönlichen Preis: etliche schwere Nervenzusammenbrüche und Schwächeanfälle beeinträchtigten seinen Gesundheitszustand über viele Jahre.

Staatsanwalt:
Aha, das passt also auch ins Bild! Wie ging es nun weiter, Herr Drave?

Drave:
Am 21. Mai 1948 wurde Kuhlen während einer Apostelversammlung (...) von den Aposteln zum Stammapostelnachfolger und –helfer gewählt. (...) die Wahl Kuhlens hatte im zweiten Wahlgang Einstimmigkeit hergestellt.

Staatsanwalt:
Aha, also halten wir auch das deutlich fest: Es war ein einstimmiger Beschluss mit der Stimme Bischoffs. Kuhlen war der gewählte Stammapostelhelfer. !950 gabs dann einen weiteren einstimmigen Beschluss zur Änderung der Statuten?

Drave:
Als Ergebnis eines längeren Prozesses (seit Sommer 1948) treten die „Statuten des Apostelkollegiums der Neuapostolischen Kirche“ am 1. Januar 1950 in Kraft. Der Stammapostel und alle Apostel der Erde haben dieses Dokument unterschrieben.

Diese Statuten bringen im Kern – zum ersten Mal in der Geschichte der Neuapostolischen Kirche seit Bestehen des Stammapostelamtes – ein neues Modell von Kirchenleitung zum Ausdruck. Während es bisher das Stammapostelamt war, das die Kirche leitete, sollte nun nach dem Kollegialitätsprinzip die Summe aller Apostel in den Apostelversammlungen die Geschicke der Kirche leiten.

Zwar wurde der Stammapostel „als Haupt der Kirche“ noch immer als „Hauptleiter“ bezeichnet (§ 3), doch lassen wesentliche Änderungen und Ergänzungen der neuen Statuten ein neues Bild von Kirchenleitung erkennen:

Staatsanwalt:
Hatten Bischoff oder sein Sohn Friedrich dagegen opponiert?

Drave:
Noch vor Inkrafttreten dieser neuen Apostelstatuten erscheinen bis Ende 1949 in der neuapostolischen Presse Artikel, die die absolute Position des Stammapostelamtes betonen. Diese Form von Willensbildung bleibt jedoch erfolglos. Es bleibt deshalb festzuhalten, dass im Apostelkreis um 1950 (aber nicht bei den Kirchenmitgliedern) für eine solche die Exklusivität des Stammapostelamtes betonende Sichtweise zu jener Zeit keine Mehrheit vorhanden war.

Dass die Mitglieder mehrheitlich anderer Meinung waren, ist eine Behauptung. Und überhaupt stellt sich die Frage, wann jemals Ihre Kirchenleitung auf die Mitglieder gehört hätte, wenn sie nicht einmal die Ansichten der leitenden Funktionsträger beachtet!

Drave:
Anders ausgedrückt – da wir über Zahl und personelle Stärke der verschiedenen Fraktionen und Meinungsführer zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu wenig wissen –, es scheint im Apostelkreis dominierende Kräfte gegeben zu haben, die es vermochten, die traditionelle Position des Stammapostelamtes in Frage zu stellen, um die Frage der Kirchenleitung neu zu regeln. Ausdruck und Erfolg eines solchen Bestrebens sind dann die Statuten von 1950.

Staatsanwalt:
Na lassen wir das mal, Sie drehen sich im Kreis, Herr Drave! Wie äusserte sich Bischoff nun zu diesen Änderungen?

Drave:
Im Sommer 1951 scheint sich das Blatt gewendet zu haben. Am 6. August 1951 treten neue Apostelstatuten ....

Staatsanwalt:
Ich muss Sie unterbrechen, Herr Drave, Sie greifen nicht ungeschickt voraus. Und in dieser Reihenfolge zitieren Sie ja auch in Ihren schriftlichen Ausführungen. Bitte schildern Sie jetzt mal chronologisch!

Drave:
Im März 1951 verfasste Stammapostels Bischoff einen Brief und schrieb:

„Da werden Sie staunen, was die Geister gegenwärtig hinter meinem Rücken hervorbringen, um den Stammapostel allmählich zu beseitigen. Es liegt ja im Zuge der Zeit: Erst wurden Kaiser und Könige weggefegt, damit sich das Wort des Herrn erfüllte: Laodicea (d.i. Volksherrschaft). Dieser Geist ist nun auch bemüht, die Autorität des Stammapostels zu beseitigen. Wenn dieser Geist das erreichen würde, so wäre das Werk Gottes am Ende. Die Lebensgemeinschaft mit Christo ist keine Autokratie (Diktatur), auch keine Demokratie (Volksherrschaft), sondern Theokratie (Gottesherrschaft)“

Und am 14. Juli 1951 schrieb er an die Apostel: „Die in den letzten Jahren durchlebten unguten Verhältnisse im Werke Gottes haben mich anhand vielseitiger Erfahrungen erkennen lassen, dass die Ursache zu all dem vielen Leid darin liegt, dass man im Kreis der Apostel die Grundsätze der Theokratie (Gottesherrschaft) verlassen hat und die kirchliche Führung nach demokratischen Grundsätzen ausgeübt wissen wollte. Damit unliebsame Vorkommnisse wie in der Vergangenheit künftighin vermieden werden, ergab sich die Notwendigkeit, die Statuten des Apostelkollegiums vom 1. Januar 1950 grundlegend zu ändern. Ein neuer Entwurf der Statuten geht Ihnen hiermit zu mit der Bitte, denselben genau durchzusehen und evtl. Änderungsvorschläge oder Ergänzungen mir bis spätestens 23. Juli zukommen zu lassen“.

Staatsanwalt:
Herr Drave, diese polemische Argumentationskette „Grundsätze der Theokratie (Gottesherrschaft) verlassen“, „unliebsame Vorkommnisse“, „Notwendigkeit, die Statuten grundlegend zu ändern“, „Ein neuer Entwurf ... Bitte, denselben genau durchzusehen ... evtl. Änderungsvorschläge oder Ergänzungen bis spätestens 23. Juli“ mit einer gesetzten Frist von 9 Tagen, Postwege gar nicht eingerechnet, ist doch eine Farce!

Hier hat sich kein Blatt gewendet, wie Sie das eben ausdrücken wollten, das ist knallharte „Autokratie (Diktatur)“ innerkirchlich verbrämt als „Theokratie“ verkauft! Oder wie sehen Sie das?

Drave:
Die enge Terminierung zeigt, dass der Stammapostel keinen Aufschub duldet. Und tatsächlich treten die neuen Statuten am 6. August 1951 in Kraft. Offensichtlich hatten sich die Kräfteverhältnisse im Apostelkreis zugunsten des Stammapostels derart verschoben, dass eine Debatte über ein so überaus wichtiges Dokument nicht mehr stattgefunden zu haben scheint.

Staatsanwalt:
Was Sie hier geschickt neutral umschreiben mit „Kräfteverhältnisse im Apostelkreis verschoben“ ist doch wohl eher ein knallharter, machtpolitischer Prozess gewesen, den aber kaum der alte Bischoff angeschoben haben wird. Auch die Textausarbeitung muss ja jemand vorgenommen haben. Alles deutet hier doch auf die vertraute Person des jungen Friedrich Bischoff hin, der seinen Vater wohl deutlich manipuliert haben wird!

Eine spezifische neuapostolische „Trinität“ zeichnet sich also ab: Vater, Sohn und Verlag F. Bischoff!

Sie selbst Herr Drave, berichten, ich zitiere:

„Am 7. Februar 1950 erhielt der Stammapostelhelfer Kuhlen von der Apostelversammlung den Auftrag, die Glaubensartikel einer Prüfung zu unterziehen. Nach von ihm zögerlich vorgestellten Ergebnissen – die Apostelversammlung stellte die Änderungsinitiative am 3. Juli 1950 zurück – wurde ihm vom Stammapostel die Aufgabe aus den Händen genommen und dem Bezirksältesten Friedrich Bischoff übertragen.

Auch das Lehrbuch „Fragen und Antworten“ sollte von Kuhlen überarbeitet werden. Ein entsprechender Entwurf blieb Anfang Juli 1950 unbeachtet, und der Auftrag wurde vom Stammapostel wiederum in die Hände seines Sohnes gelegt.“


Was meinen Sie dazu?

Drave:
Das Verhältnis zwischen Friedrich Bischoff und Kuhlen kann als Konkurrenzverhältnis mit feindlichen Zügen charakterisiert werden. Die nachweisbare Option Kuhlens, über den Verlag zu verfügen, bot ebenso Konfliktstoff wie die Tatsache, dass Kuhlen Mitte des Jahres 1953 viele Gemeinden aus seinem Apostelbezirk an den neugegründeten Apostelbezirk Mainz abgeben musste – und diesem neuen Apostelbezirk stand der neuordinierte Friedrich Bischoff als Bezirksapostel vor.

Staatsanwalt:
Das sieht aber eher danach aus, als ob Kuhlen der Einfluss entzogen werden sollte. Die Konkurrenz liegt also auf Seiten von Vater und Sohn Bischoff!

Drave:
Im Verlauf des Jahres 1950 erschienen in der neuapostolischen Presse einige Artikel, die als Angriff auf die Position und Legitimation des Helfers Kuhlen verstanden werden können. Initiatoren waren im Wesentlichen Apostel Rockenfelder und Friedrich Bischoff. Die Intention war die Stärkung der Stellung des Stammapostels, und es spricht etliches dafür, dass dieses Vorgehen eine Strategie war.

Staatsanwalt:
Nur gegen Kuhlen?

Drave:
Bezirksapostel Rockenfelder – damals noch Bischof – drängte den Stammapostel wiederholt, Güttinger in die Schranken zu weisen und gegen die Verantwortlichen im Saarland juristische Schritte einzuleiten, für die er detaillierte anwaltliche Gutachten vorlegte,

Staatsanwalt:
Eben, Sie reden hier durchaus deutlich von der Beeinflussung! Gab es weitere Widerstände gegen Güttinger und Kuhlen?

Drave:
Mit dem Argument, sie hätten schriftliche Beweise des Stammapostels, dass dieser nicht mit Kuhlen und dem Apostelkollegium eins sei, heizten etliche der „Gegner“ Güttingers im Saarland und später auch die „Gegner“ Kuhlens im Bezirk Düsseldorf den Konflikt an.

Staatsanwalt:
Also Aufhetzung gegen bestimmte Personen der örtlichen Kirchenleitung! Was ja bestimmten Herren, wie Rockenfelder und Bischoff jun. sehr Recht sein konnte! Wie ging die Manipulation weiter?

Drave:
Im Jahr 1950 wurden neue Männer in das Apostelamt berufen: Apostel G. Rockenfelder (im Februar), Apostel Volz (im April) und Apostel Hahn (im September). Diese Apostel verstanden sich als treue Nachfolger des Stammapostels. Auf sie hat Kuhlen keinen Einfluss ausüben können.

Am 5. August 1951 ordinierte der Stammapostel zudem acht weitere Apostel, die ihm treu zur Seite standen: die Bezirksapostel Eschmann (Schweiz), Dauber (Frankreich und Saarland) und Tan Bian Sing (Indonesien) sowie die Apostel Friedrich Bischoff (Frankfurt a.M.), Schiwy (Herne), Hermann Schumacher (Bremen), Tiedt (Berlin) und Wintermantel (Pforzheim). So hatten sich die Verhältnisse innerhalb des Apostelkreises zugunsten des Stammapostels seit Sommer 1950 (langsam beginnend) bis August 1951 wesentlich verändert.

Staatsanwalt:
Falsch, Herr Drave, nicht verändert! Sie wurden aktiv beeinflusst, besser ausgedrückt auch hier mit dem Wort: Sie wurden strikt manipuliert!

Sie zitieren dazu passend: „Apostel Weinmann schreibt, dass er auf der Hollandreise vom 15.-20.Juni 1950 Apostel Schmidt näher gekommen sei: „Ich habe mich gefreut, dass Apostel Schmidt ebenso dachte, wie ich. Wir hatten das ewige Intrigenspiel satt und nahmen uns vor, zusammen- und zum Stammapostel zu halten.“

Im Gegensatz zu Ihrem Versuch der Darstellung scheint jedoch selbst aus Ihren Quellen noch hinreichend deutlich zu werden, wer hier welche Intrigen spinnt!

Auch Sie selbst, in jetzt bereits bekannter gleicher Manier, leiten den Abschnitt zum Rücktritt Kuhlens kausal aus wieder drei erhobenen Anschuldigungen ab. Bitte lesen Sie uns Ihre einleitenden Worte vor!

Drave:
Die Zeit Kuhlens als Stammapostelhelfer ist gekennzeichnet von drei Faktoren, die auch als die entscheidende Ursache für seinen Rücktritt gesehen werden können: Staatsanwalt:
Was tat Kuhlen konkret?

Drave:
Insgesamt offenbaren die Quellen, dass Kuhlen mehr um unterstützenden Kontakt zu den Aposteln bemüht war als um die Übereinstimmung bewirkende Feinabstimmung mit dem Stammapostel. Dieser brachte im August 1950 sein Missfallen darüber zum Ausdruck, dass Kuhlen sich als Mittler zwischen die Apostel und den Stammapostel geschaltet hatte. Er signalisierte, dass Kuhlen seine Kompetenzen überschritten habe.

Staatsanwalt:
Aber damit widersprechen Sie sich! Eben noch hiess es von ihnen, dass „Aktivitäten Kuhlens von vielen Aposteln als ein sie in ihrer Kompetenz beschneidendes persönliches Machtstreben verstanden wurde“, und nun sagen Sie, er hätte sich als Mittler eingeschaltet. Auch ein Widerspruch zur Behauptung, die Kommunikation stimme nicht zwischen Kuhlen und Bischoff!

Deutlich aber wird wiederum, dass Bischoff selbst „Missfallen“ daran hatte, „dass Kuhlen sich ... zwischen die Apostel und den Stammapostel geschaltet hatte. Er signalisierte, dass Kuhlen seine Kompetenzen überschritten habe.“

Also offensichtlich erneut verletzte Eitelkeit und in unerlaubter Eingriff ins Machtgefüge der beiden Bischoffs.

Was bedeutet Ihr dritter Vorwurf: „und schliesslich das von Stammapostel Bischoff vertretene theologische Argument, Kuhlen sei nicht von Gott zu diesem Amt erwählt gewesen.“

Drave:
Es ist anzunehmen, dass der Stammapostel Bischoff zu der Überzeugung gelangt war, dass eine Abberufung bzw. Abwahl Kuhlens in Übereinstimmung mit Gottes Willen stehe, eben weil dessen Berufung nicht göttlich war.

Staatsanwalt:
Aha, Sie nehmen also an ... Können Sie das auch konkreter belegen?

Drave:
Kuhlen scheiterte als Stammapostelhelfer, weil es ihm nicht gelang, das Vertrauen des Stammapostels zu erlangen. Sein Handeln im Amt hinterliess den Eindruck, dass er sich weniger dienend einbrachte, sondern dass er populistisch, opportunistisch und machtorientiert agierte. Dass er grundsätzlich dem Werk Gottes nützen wollte, wird damit nicht in Frage gestellt. Reaktionen des Stammapostels und aus dem Kreis der Apostel und des Verlags führten dazu, dass er zunehmend mehr isoliert wurde. Als er zurücktrat, fühlte er sich zutiefst gedemütigt und als Opfer.

Staatsanwalt:
Starke Worte der Verleumdung, Herr Drave. Woraus begründen Sie z.B. die Behauptung, „dass er sich weniger dienend einbrachte“?

Drave:
Zum Umgang Kuhlens mit der aus seinem Amt als Stammapostelhelfer resultierenden Macht, die zunehmend von immer mehr Aposteln – je länger Kuhlen als Helfer tätig war – als Machtmissbrauch wahrgenommen wurde, siehe die Ausführungen und Beispiele im vorigen Kapitel; die Beispiele dort werden durch etliche weitere Quellen gestützt.

Staatsanwalt:
Was aber bereits in Zweifel gezogen und widerlegt werden konnte!

Im weiteren beschreiben Sie nun die Vorgänge um die Kirchenausschlüsse von Ernst und Otto Güttinger (1954) und Kuhlen (1955). Da Ihre Darstellungsweise auch hier in gleicher Weise verfälschend und vernebelnd ist, gestützt von vorwiegend subjektiven Quellen oder Behauptungen möchte ich nur einige dieser Passagen herauslösen. Aus dem Manifest von Güttinger nehmen Sie z.B. ausschliesslich solche Zitate, die Ihre These untermauern, keinesfalls aber das Gesamtbild spiegeln. Eine Erörterung scheint mir deswegen nicht notwendig, weil Ihr Prinzip auch weiterhin das gleiche bleibt. Ich zitiere aus Ihren Ausführungen: Herr Drave, auch ich ziehe hier nach der Quellenlage keineswegs Ihre Aussage in Zweifel, dass die zerrütteten Verhältnisse der damaligen Zeit nur auf die „Botschaftsfrage“ zurückzuführen wären. Alleine aber Ihre Fokussierung auf dieses Spezielthema ist schon durch die Einengung ein geschickter Schachzug, weil Ihnendadurch möglich wird, viele andere Faktoren völlig ausser Acht lassen oder zu verschleiern.

Auch den immer wieder aus Ihren Reihen gehörten Vorwurf, Kuhlen und die Güttingers hätten sich gegen die Botschaft gewandt, belegen Sie selbst als falsch. Sie sagen zurecht: „Kuhlen sprach sich als einziger Apostel gegen den Wunsch aus, Gläubige nur dann zu versiegeln, wenn diese zuvor auch ihre Botschaftsgläubigkeit bekannten“, resümieren aber danach in Bezug auf Kuhlen: