Die Bundesregierung will nach dem brutalen Überfall zweier ausländischer Jugendlicher auf einen Rentner in München eine Verschärfung des Jugendstrafrechts prüfen. Über Lösungen wird weiter gestritten. Was ist sinnvoll - Erziehungscamps oder frühere Strafen?
Die Koalition werde darüber diskutieren, ob "zum Schutz der Bevölkerung jetzt weitere Verschärfungen" nötig seien, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Die Frage sei auch, ob bestehende Gesetze konsequent genug angewendet würden. In der Union wurde der Ruf nach härteren Maßnahmen lauter. SPD, Oppositionsparteien und Richterverbände warnten davor.
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) forderte erneut eine Verschärfung des Jugendstrafrechts und warf Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) Blockade vor. "Zypries ist personifiziert das Hindernis", sagte er zum Auftakt des hessischen Landtagswahlkampfes in Wiesbaden. Koch stellte einen Maßnahmenkatalog vor, der für jugendliche Kriminelle einen "Warnschuss-Arrest" zusätzlich zur Bewährungsstrafe vorsieht. Ausländische Straftäter sollten schneller abgeschoben werden.
Auch CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer forderte ein schärferes Strafrecht und schnellere Abschiebungen für Jugendliche. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach, Sachsens Justizminister Geert Mackenroth und Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (alle CDU) unterstützten die Forderung nach einem "Warnschuss-Arrest". Baden- Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) will mit einer im Bundesrat schon beschlossenen Initiative erreichen, dass für Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren nicht mehr das Jugendstrafrecht gelten kann, sondern nur noch Erwachsenenstrafrecht.
Jugendliche in Erziehungscamps?
Haderthauer sprach sich aber ebenso wie Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) für eine schnellere "Aburteilung" junger Täter aus. Manchem Täter wäre geholfen, "wenn man ihm möglichst schnell deutlich zeigen würde, wo der Hammer hängt", sagte sie in München. Anders als die Forderung nach Strafverschärfung wird dieser Aspekt auch von Kriminologen unterstützt.
Anklang fand in der Union auch die Forderung von Fraktionschef Volker Kauder (CDU) nach Erziehungscamps für straffällige Jugendliche. Bosbach verwies aber im Sender n-tv auf die erforderliche Freiwilligkeit: "Der Jugendrichter kann zum Beispiel eine Weisung erteilen, an einem Kurs in einem solchen Camp teilzunehmen zur Vermeidung einer Jugendstrafe." Saar-Justizminister Josef Hecken (CDU) sprach von einer "interessanten Möglichkeit", die aber verfassungsrechtlich geprüft werden müsse.
Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos) lobte Einrichtungen wie das hessische "Boxcamp", wo Intensivtäter harte Regeln lernen, um eine Jugendstrafe zu vermeiden. Er warnte im "Hamburger Abendblatt" aber vor Camps nach US-Vorbild. Der Kriminologe Christian Pfeiffer sagte im ZDF, in den USA sei die Rückfallquote bei Insassen solcher Camps höher als bei Verurteilten mit Bewährungsstrafe.
SPD wirft Union "primitiven Populismus" vor
Der SPD-Bildungspolitiker Jörg Tauss warf der Union primitiven Populismus vor. Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa, das Jugendstrafrecht habe sich bewährt. Auch FDP-Chef Guido Westerwelle hält es für scharf genug. Entscheidend sei für Ausländer, die deutsche Sprache zu lernen, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, warf Koch "billigste Stimmungsmache" im Wahlkampf vor. Auch ein Sprecher von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte vor rechtlichen "Schnellschüssen".
Der Präsident des Deutschen Richterbundes, Christoph Frank, sagte der "Thüringer Allgemeinen", das Jugendstrafrecht biete ein ausreichend "differenziertes Instrumentarium". Ein "Warnschuss- Arrest" sei lediglich in Einzelfällen sinnvoll. Auch die Deutsche Vereinigung der Jugendgerichte warnte vor einer Rechtsverschärfung.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will zunächst die Diskussion abwarten. Der Anteil aggressiver ausländischer Serientäter sei aber höher als ihr Anteil an der Bevölkerung, sagte Regierungssprecher Wilhelm. Deshalb müsse über eine Reihe von Vorschlägen, "die durchaus auf dem Boden des Grundgesetzes stehen", sorgfältig beraten werden. Neben dem Strafrecht gehe es auch um Integrations- und Bildungspolitik.
(saw/dpa)
Kommentare [ 14 ] Kommentar hinzufügen »
Die Perspektivlosigkeit für Junge Menschen nimmt zu und da hilft auch keine Verschärfung des Strafrechtes. Drogen- und Suchtabhängigkeit, mit der damit verbunden Beschaffungskriminalität, bestätigen dieses.
HINSEHEN und begreifen !!!
Nichts ist einfacher, Gewalt zu verhindern, als sie nicht auszuüben. Es gibt keinen Automatismus, der einen Schläger zum Schläger macht, jeder muss sich für sich allein entscheiden, ob er mit dem Messer zusticht oder auf den Kopf tritt oder eben nicht. Das ist die einzige Möglichkeit, Gewalt zu verhindern. Diese Verantwortung kann ihm keine Gesellschaft abnehmen.
Und daher ist ein verschärfter Umgang mit diesen Tätern meines Erachtens richtig. Denn schuld sind nicht wir, schuld ist der, der zuschlägt. So kompliziert und doch so einfach.
Wenn wir nun davon ausgehen, daß ein 18jähriger eigenverantwortlich Auto fahren, heiraten, eine Familie gründen, wählen und gewählt werden kann, folgt m. E. daraus auch eine volle Straffähigkeit.
Daß ich mit Erziehungslagern so meine Probleme habe, habe ich schon zu einem anderen Artikel geschrieben. Ich gebe auch zu, daß ich nicht weiß, wie den harten Fällen beizukommen ist. Ich warne allerdings auch vor einem Experimentierfeld Jugend. Hier wird mir zu schnell gefordert und zu wenig gedacht.
Übrigens, die Leserschaft der von Ihnen so geschmähten Zeitungen besteht zu einem nicht unerheblichen Teil aus Geringverdienern, Arbeitslosen und Hartz 4-Empfängern, für die Sie doch hier sonst immer das große Wort führen. Jetzt beschimpfen Sie diese Leute auf eine solche Weise. Was soll man davon halten ?
oder
Leute fresst Sch....,
Milliarden Fliegen können nicht irren...
stefan will doch nicht bezweifeln, dass die Auswahl der täglichen Lektüre durchaus etwas mit Bildungsniveaus zu tun hat,
oder
dass ein entschlossenes "kreuzigt ihn" durch die angemessene Anzahl von Anwesenden, nebst angemessener Anzahl an Claqueuren, legitimiert ist.
Diese Zeitungen machen sich, seit W.R.Hearst sie erfunden hat immer die vox populi zum Gegenstand und füttern sämtliche, wie Kant es nennen würde, "niederen Triebe", dieser Menschen.
Dass diese Menschen oft in bedauernswerten Lebenslagen sind, entschuldigt kaum ihre dumpfen Schnellschüsse, die für alles eine Lösung haben.
Leute, die so etwas mit dem Volk macht nennt man, nach dem Steine lutschenden Demosthenes DEMAGOGEN,
Menschen haben das Recht dämlich zu sein,
man hat aber auch das Recht dämliche Äußerungen dämlich zu nennen, ohne dabei die FDGO zu verletzen...
Gewalt von "oben" in der Gesellschaft und Elternhaus sind eine Ursache.Doch auch Interesselosigkeit und die falsche Klicke trägt zur Gewalt bei. Das bestehende Recht, richtig angewandt, würde genügen. Das Elternhaus sollte ebenfalls mehr für die eigenen Kinder tun.
Im Extremfall ist eine gesoderte Erziehung mit Erziehern die diesen Namen verdienen, eine gute Sache.
Walter Wasilewski
Strafmaßnahmen erhöhen - erledigt nicht das Problem. Vielmehr sollte sich mit der Situation befassen, warum die Drogen- und Suchtabhängigkeit zunimmt.
Schaden würde es nicht, wenn man sich mit der Situation der Sozialarbeiter, der Jugendgerichtshelfer oder Bewährungshelfer ein wenig näher beschäftigen würde.
Jedenfalls Strafverschärfung löst nicht das Problem, sondern wird geschickt zum Wahlkampfthema missbraucht.
Erziehungscamps sind vielleicht eine Lösung den Jugendlichen umzuorientieren, aber sobald er in seine Umgebung zurückkommt wird sich da nichts geändert haben und somit fällt er, ohne Rückenstärken wieder zurück. DIE UMGEBUNG UND FAMILE MACHT ES DOCH, was soll da eine Strafverschärfung helfen?!
Wir die Wahlberechtigten geben doch mit unseren Urnengang den Politikern den Auftrag diese Strukturen so zu verbessern das diese Kriminalität abnimmt und was machen jetzt einige populistische Politiker um diese, in diesen Strukturen kriminell gewordenen Jugendlichen, aus diesen zu befreien?
Ja, sie überlegen ob nicht härtere Gesetze, der "Warnschuss-Arrest" oder die Abschiebung der kriminell gewordenen Jugendlichen helfen würde aber an die Verbesserung der Lebensbedingungen in den zahlreichen sozialen Brennpunkten der Grosstädte wird leider nicht gleichzeitig gedacht.
Ich denke, die Anwendung des Jugendstrafrecht ist ausreichend.
Die populistischen Politiker sollten sich lieber um die Ursachen kümmern.