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 Dienstag, 17.08.04 - 13:54 Uhr - Pressespiegel 
 Abschied von einem ganz besonderen Menschen - eine Erinnerung an Viktor Karachun


Eishockey NEWS vom 17.08.2004 von Marc Thorwartl

Ich kann mich noch ganz genau an das erste Treffen mit Viktor erinnern. Der HEC hatte kurz vor Saisonbeginn 1997 den 29-Jährigen mit einem Probevertrag für die ersten vier Punktspiele ausgestattet. Ich verdiente mir damals meine ersten journalistischen Sporen und hatte von der Redaktion die Aufgabe erhalten, den Neuzugang in einem Kurzportrait vorzustellen. Nach dem Training sprach ich ihn an. „Viktor, do you have time for an interview?“ Er schaute mich ein wenig hilflos an und antwortete: „Bitte, deutsch sprechen!“ Ich hatte mich blamiert. Ich wusste nicht einmal, welcher Sprache mein Gesprächspartner mächtig war. Im anschließenden Interview wirkte der Weißrusse zurückhaltend, ja fast schon introvertiert und ließ sich nur sehr wenige Informationen entlocken. Genauso schnell wie Viktor in Heilbronn auftauchte, verschwand er auch wieder. Nachdem er in den ersten beiden Spielen vier Tore erzielt hatte, wurde der DEL-Ligist Augsburg auf ihn aufmerksam, griff blitzschnell zu, sicherte sich die Dienste des Torjägers und Heilbronn musste sich nach einem neuen Kontingentspieler umschauen.
Bis ich Viktor wieder traf, sollten vier Jahre vergehen. Und wiederum war es eine Begegnung unter erschwerten Bedingungen. Heilbronn hatte ihn aus Wilhelmshaven an den Neckar geholt. Bei der Eingangsuntersuchung fielen Unregelmäßigkeiten in Viktors Blutbild auf. Nach weiteren Untersuchungen kam dann das erste Bulletin mit einer vernichtenden Diagnose. Eine Verdickung am Gallenausgang musste operativ entfernt werden. Die Operation wurde im Katharinenhospital Stuttgart durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt war ich in der Landeshauptstadt als Redakteur der Motorpresse angestellt. Keine 300 Meter vom Hospital entfernt. Zwei Tage nach der OP besuchte ich ihn in seinem Zimmer. Ich klopfte an und trat ein. Im abgedunkelten Raum lag Viktor auf seinem Bett, die Infusionsschläuche führten in die Armvene und er sah blass aus. „Hallo Viktor...“ - ich kam nicht weiter. Er blickte mich an. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen fragte er: „Do you have time for an interview?“ Das Eis war gebrochen. Wir unterhielten uns sehr lange an diesem Tag. Hauptsächlich übers Eishockey. Keine 48 Stunden nach seiner Operation schmiedete er bereits Pläne für seine Rückkehr auf die Eisfläche. Ich verließ ihn am frühen Abend mit dem Versprechen, niemals in der Eishockey NEWS über seinen Gesundheitszustand zu schreiben. „Ich habe Frau und zwei kleine Kinder. Ich möchte nicht, dass sie von fremden Menschen darauf angesprochen werden.“ Diese Besorgnis um die Familie war eine seiner herausragenden Charaktereigenschaften. Zwei Tage später lernte ich seine Frau Irina kennen. Ich nahm sie und ihre beiden Kinder mit nach Stuttgart, damit sie ihn besuchen konnten. Kurze Zeit später wurde eine zweite Operation notwendig. Es folgte ein Eingriff, über den mich der Arzt folgendermaßen aufklärte: „70 Prozent der Patienten sterben auf dem Operationstisch.“ Da wurde mir erstmalig klar, dass sein Leben am seidenen Faden hing. Aber Viktor war ein Kämpfer. Seine Liebe zur Familie und zum Hockey ließen ihn Bärenkräfte entwickeln. Er überlebte den Eingriff und immer wieder sprach er von seinem Comeback. Aussagen, die die behandelnden Ärzte mit einem ungläubigen Kopfschütteln quittierten. Keiner von ihnen konnte sich auch nur vorstellen, dass er jemals wieder Leistungssport betreiben würde. Aber er strafte sie Lügen. Ende Januar 2002 nahm er den Trainingsbetrieb in der ersten Mannschaft wieder auf und sechs Wochen später ging er für sein Team wieder auf Punktejagd. Es war wie ein Wunder. Natürlich hatte er, auch aufgrund der Nachbehandlungen, viel Gewicht verloren und kräftemäßig war er nicht ganz auf der Höhe, aber irgendwie spürte an diesem Abend jeder Zuschauer in der Halle dieses ganz besondere Flair.
Viktor war es zu dieser Zeit enorm wichtig, gute Freunde hinter sich zu wissen. Der damalige Manager Ernst Rupp machte bereits am Tage seines Comebacks unmissverständlich klar, dass er die kommende Saison mit Viktor plant und er auf alle Fälle einen Vertrag erhält. Eine zu diesem Zeitpunkt gewagte Aussage, denn keiner wusste, wie sich Viktors Gesundheitszustand entwickelt. Aber mit der Sicherheit des neuen Vertrages im Rücken machte er große Fortschritte. Er trainierte hart über den Sommer und in der Saison 02/03 rechtfertigte er das ihn in gesetzte Vertrauen. In der Reihe mit Kaufmann und Khaidarov setzten sie die spielerischen Glanzlichter und am Ende der Saison war er der Topskorer des Teams.
Vielleicht war es genau diese Saison, die auch mich den Blick für die Realität verlieren ließ. Seine Krankheit lag mehr als ein Jahr zurück, wer wollte daran noch erinnert werden? Wir trafen uns des Öfteren und in seinem Haus in Biberach war ich jederzeit herzlich willkommen. Bei all diesen Treffen sprachen wir nie wieder über seine Krankheit. Er hatte mit dem Kapitel abgeschlossen und den Blick nur nach vorne gerichtet. Er freute sich auf die neue Spielzeit, auch wenn diese unter dem neuen Coach Jamie Bartman bereits im Vorfeld für Missstimmung sorgte. Das Verhältnis Karachun-Bartman wurde eine Zwangsehe, mit viel Zähneknirschen auf beiden Seiten. Es war eine Zeit, in der Viktor das erste Mal den Spaß am Hockey verlor und ihn erst im Januar, als Bob Burns den erfolglosen Bartman ablöste, wieder fand. Was keiner wusste. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich bereits wieder in ärztlicher Behandlung. Bei einer turnusmäßigen Vorsorgeuntersuchung waren neue Krankheitsherde aufgetaucht. Viktor ließ sich nichts anmerken. Er biss die Zähne zusammen und hatte nur ein Ziel vor Augen: Mit seinem Team doch noch die Playoffs zu erreichen. Erst als dies auch rechnerisch nicht mehr möglich war, resignierte er. Die Schmerzen nahmen zu, immer häufiger quittierte der Körper den Dienst bei starken Belastungen. Trotzdem wohnte er jeder Partie seines Teams als Zuschauer noch bei. Eishockey war für ihn immer Lebensinhalt, den wollte er sich auch durch eine Krankheit nicht nehmen lassen.
Wir sahen uns nach der Saison noch drei Mal. Immer, wenn ich ihn und seine Familie besuchte, lag sein Trikot neben mir auf dem Beifahrersitz. Ich habe es nie gewagt, ihn darauf unterschreiben zu lassen. Auch ich wollte mich mit der finalen Diagnose der Ärzte nicht abfinden. Ich hoffte immer auf ein weiteres Treffen mit ihm und danach noch eins und noch eins. Aber die Krankheit kannte kein Erbarmen. Am Mittwoch den 11. August, einen Tag vor seinem 36. Geburtstag, hatte Viktor den Kampf verloren. Er starb zu Hause um 10.20 Uhr. Mein ganzes Mitgefühl gilt seiner Frau und den beiden Buben. Möge Gott ihnen die Kraft geben, diesen schweren Schicksalsschlag zu verkraften. Die Hockeywelt ist um eine Lichtgestalt ärmer geworden. Mögen ihn die Fans so in Erinnerung behalten, wie er es gerne selbst gesehen hätte: Als Eishockeyästhet, der diesen Sport über alle Maßen liebte und mit seinen technischen Kabinettstückchen ein bisschen Magie auf dem Eis verbreitete.

Eishockey NEWS vom 17.08.2004 von Marc Thorwartl



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