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Johannes XXIII. (Gegenpapst) in Heidelberg und Mannheim (1415-1418)

Fachbezogene Informationen Geschichte

Johannes XXIII. (Gegenpapst) als Gefangener in Heidelberg und Mannheim (1415-1418)

Beitrag von Friedrich Walter - - -Neue Literatur - - - Linksammlung

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Ein mit "W." [= Friedrich Walter] gezeichneter Beitrag im 1. Jahrgang der Mannheimer Geschichtsblätter (1900), Sp. 20 f., berichtet unter der Überschrift
"Die Gefangenschaft des Papstes Johann XXIII. in Heidelberg und Mannheim":

Der auf dem Konzil von Konstanz im Jahre 1415 abgesetzte Papst Johann XXIII. wurde bekanntlich von Kaiser Sigismund (Genealogie Mittelalter. Mittelalterliche Genealogie im Deutschen Reich bis zum Ende der Staufer) dem Pfalzgrafen Ludwig III. [Virtual Library Geschichte der Kurpfalz] übergeben, der ihn als Gefangenen in die Pfalz, zuerst nach Heidelberg und dann nach Mannheim brachte. Da seine deutschen Wächter weder lateinisch noch italienisch, er aber kein Deutsch verstand, so konnte er ihnen nur durch Winke zu verstehen geben, wenn er etwas wollte. In seiner Mannheim Haft gab er in poetischen Aufzeichnungen seinem Schmerz über die Vergänglichkeit alles Irdischen Ausdruck. Eines dieser lateinischen Gedichte lautet (nach Finsterwald, vom ganzen pfälzischen Hause 1746, S. 807):

Qui modo summus eram, gaudens et nomine praesul,

Tristis et abiectus, nunc mea fata gemo.

Excelsus folia nuper versabar in alto,

Cunctaque gens pedibus oscula prono dabat,

Nunc ego poenarum fundo devolvor in imo

Vultum deformem quemque videre piget.

Omnibus in terris aurum mihi sponte ferebant,

Sed nec gaza iuvat, nec quis amicus adest.

Sic varians fortuna vices adversa secundis

Subdit, et ambiguo nomine ludit atrox.

Über den Ort seines Mannheimer Gefängnisses herrscht keine Übereinstimmung. Häußer [Porträt mit Lebensdaten, Historisches Seminar der Universität Heidelberg] giebt in seiner Geschichte der Pfalz 1, 277 die Burg Rheinhausen an (später Rheinhäuser Hof), in der Nähe des jetzigen Bahnhofs gegen Neckarau gelegen), nach anderen dagegen saß Johann XXIII. in der Burg Eicholzheim (eine von vier mächtigen Ecktürmen flankierte Tiefburg an der Stelle des späteren Milchgütchens, jetzigen Rheinparks), gefangen und der alte Wartturm Gäuchelingen dieser Burg soll nach Christs Aufsatz über das Dorf Mannheim S. 64 als Gefängnis des Papstes gedient haben. Kremer, Geschichte Friedrichs des Siegreichen [Virtual Library Geschichte der Kurpfalz] 1, 306 citiert eine Stelle aus einer Heidelberger Handschrift, derzufolge in demselben Gemach, das der Papst während seiner Haft bewohnte, im Jahre 1462 nach der siegreichen Schlacht bei Seckenheim auch Bischof Georg von Metz gefangen gehalten wurde [vgl. Das Mahl zu Heidelberg, Virtual Library Geschichte der Kurpfalz]. Johann XXIII. saß bis 1418 in Mannheim gefangen und wurde erst gegen ein Lösegeld von 30 000 Dukaten vom Pfalzgrafen freigegeben. Bald darauf starb er. Einen Versuch des Erzbischofs Johann von Mainz im Jahre 1416, den Papst zu befreien, verhinderte der Pfalzgraf. Er ließ damals den verräterischen Burghauptmann, der vom Erzbischof bestochen war und den Papst inzwischen entlassen wollte, im Rhein ertränken.

Über die Gefangenhaltung Johannes XXIII. in Heidelberg und Mannheim finden sich nur sehr wenige und spärliche Nachrichten. Eine weniger bekannte geben wir im folgenden aus einer im Jahre 1620 in deutscher Übersetzung erschienenen, auf die Religionskriege bezüglichen Schrift eines vornehmen italienischen Geistlichen, die den Titel führt: P o s t - R e u t t e r , an Bäpstliche Heiligkeit, Bapst Paulum V. durch einen fürnemen Geistlichen Praelaten in Italiänischer Sprach außgefertigt: Ein sehr schöner außführlicher D i s c u r s u.s.w. Darin heißt es auf Seite 49:

"Als man Anno 1415 und 1416 wegen deren in Böhemen eingerissenen Hussitischen Ketzerey das Concilium zu Costnitz hielte, wurde Bapst Johannes der XXIII. (dem Bäpstlichen Stuel und all dessen Besitzer zu ewiger Schand) deß Bapstthumbs entsetzt, und viel Artickel deß Todes würdig auff ihne bewiesen, deßwegen sich derselbe durch die Flucht zu salviren vermeinte. Er wurde aber von Pfaltzgraf Ludwigen, Churfürsten zu Heidelberg gefangen, und daselbsten ins Gefängniß (so man den alten Affen nennet) gestossen, auch darinnen und zu Mannheim etliche Jahr enthalten. Hernacher aber auff grosse Fürbitt, und damit man den Bäpstlichen Stuel, welchen er zuvor beherrschet, nicht allzusehr despectirte, wieder entlediget, und ohne ihme ein Praelatur untergeben..."


Neue Literatur

Ulrich Nieß /Michael Oberweis: Ein rebellisches Dorf und ein gefangener Papst. Mannheim vor der Stadtgründung. Kleine Schriften des Stadtarchivs Mannheim Nr. 21. Verlagsbüro v. Brandt, Mannheim 2004 (Buchanzeige Stadtarchiv Mannheim) [Signatur UB Heidelberg: 2005 C 134]; Verlagsinformation mit kurzer Zusammenfassung des Inhalts (Zitat aus Äußerungen des abgesetzten Papstes über die Gefangenschaft in Mannheim: „Meine Unterkunft war beengt, ich schlief mit verkrümmten Gliedmaßen, mein Bett war zu kurz, und ich musste schmutzige Kleider tragen. Nichts Gutes ist mir widerfahren, sondern Gespött und mancherlei Kränkung hatte ich zu erdulden.“ (Verlagsbüro v. Brandt, Aktuelle Neuerscheinungen); ausführliche Inhaltsbeschreibung (Stadt Mannheim: Aktuell, Archiv, Dezember 2004). - In Neuauflage (2005) wieder lieferbar (Szyllas Lesezeichen. Literatur in Heidelberg, Mannheim und der Kurpfalz)

„Ein rebellisches Dorf“ – Mannheim vor der Stadtgründung


Linksammlung

Stand: Dezember 2006 - Verantwortlich für den Inhalt (bis Dezember 2006): Dr. Ursula Perkow (Perkow@ub.uni-heidelberg.de)

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