Hauptnavigation:

Sie sind hier:

12. Dezember 2007
 

Zeitgeschichte

 
Rückblick: Zeitgeschichte vom 13.03.2007
Max Schmeling mit Nazi-Gruß nach Sieg über Steve Hamas 1935
APMax Schmeling nach dem Sieg über Steve Hamas 1935

Hitlers nützliche Idole

Max Schmeling - Der Boxer

Hitlers Vorzeige-Athlet

Als Max Schmeling am 19. Juni 1936 den bis dahin ungeschlagenen US-Boxer Joe Louis besiegte, war das mehr als nur ein Sportereignis. Die NS-Propaganda stilisierte den Wettbewerb zu einer Art "Rassenkampf Weiß gegen Schwarz". Schmeling wurde zum Idol. Und zum Instrument. Aus dem sportlichen Ereignis wurde in der faschistischen Lesart "ein deutscher Sieg" und der Film vom Kampf zum Pflichtprogramm in deutschen Kinos.

 
 
 
 

Max Schmeling war nun der "Vorzeigeathlet" des Regimes. Aber der Erfolg und die Gunst der Diktatur waren vergänglich - das musste Schmeling spätestens nach seiner Niederlage im Rückkampf gegen Louis 1938 erfahren.

Max Schmeling 1932. Quelle: ap
ap
Max Schmeling 1932

Das junge Talent

Mit gerade mal 20 Jahren kam Max Schmeling nach Berlin, schon damals ein Box-Talent und mit einem Startguthaben von 20 Pfennig in der Tasche. Auf Rummelplätzen trat er als Boxer und Ringer auf, denn noch galt sein Sport in erster Linie als Jahrmarktattraktion. Nur zwei Monate nach seiner Ankunft in Berlin wurde er Deutscher Meister im Halbschwergewicht.

Nach den ersten Siegen in Deutschland durfte Schmeling bald auf die ganz große Bühne: 1930 kämpfte er in Amerika als Außenseiter gegen Jack Sharkey um den Titel des Schwergewichtweltmeisters. 80.000 Zuschauer verfolgten den Titelkampf in New York. Den Kampf gewann Schmeling nur wegen eines unerlaubten Tiefschlags seines Kontrahenten. Kein weiterer Titelkampf in der Geschichte des Schwergewichts wurde seither auf diese Weise entschieden.

 

Vom Habenichts zum Lebemann

Über den so errungenen Titel konnte sich Schmeling zwar Zeit seines Lebens nicht freuen, wohl aber über das Preisgeld in Höhe von 177.000: Auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise in Deutschland eine ungeheure Summe. Während Millionen in Armut fielen, genoss der junge Star seine neuen finanziellen Möglichkeiten und weckte damit auch Missgunst.

 

Infobox

Sendehinweis

"Hitlers nützliche Idole" 3-teilige Dokumentation ab 6. März 2007.
Teil 2: Max Schmeling - Der Boxer; 13. März 2007, 20.15 Uhr. Ein Film von Stefan Mausbach und Christian Deick.


Schmeling-Biograph Volker Kluge erzählt: "Er hat dieses Geld gerne ausgegeben. Erst fuhr er ein mondänes Motorrad, dann kaufte er sich sein erstes Auto. Und eines Tages pachtete er einen Forst in der Nähe von Müncheberg bei Berlin. Und das haben viele Leute nicht verstanden wie ein Mann aus dem Volke, ein einfacher Junge, wie der auf einmal solche aristokratischen Attitüden an den Tag legen konnte."

Anny Ondra und Max Schmeling 1934. Quelle: ap
ap
Anny Ondra und Max Schmeling 1934

Schmeling im Glück

Den jungen Schmeling kümmerte das wenig - zumal ihm das Glück 1930 auch privat gewogen war. Er verliebte sich in den Leinwandstar Anny Ondra und die Tschechin wurde die Liebe seines Lebens. Die beiden waren drei Jahre lang ein heimliches Traumpaar. Erst 1933 folgte die Heirat - zu der Adolf Hitler schon als Reichskanzler persönlich gratulierte und dem Brautpaar einen wertvollen japanischen Ahorn schenkte.

Bald fehlte das junge Paar auf keiner Gala und keinem großen Empfang des Hitlerreiches mehr. In den Illustrierten wurden Max und Anny als das Society-Paar der 30er Jahre gefeiert. Die Schmelings verkehrten mit der Familie von Propagandaminister Goebbels und wurden mehrfach zu Besuchen bei Hitler persönlich eingeladen.

Schmeling nach seinem Sieg über Steve Hamas 1935. Quelle: ap
ap
Schmeling nach seinem Sieg über Steve Hamas 1935

Mangelnde Distanz

Ein Nationalsozialist war Schmeling nicht, aber er wusste, was geschah - etwa als der deutsche Boxverband jüdische Mitbürger über Nacht ausschloss. Die politische Vereinnahmung konnte das Volksidol nicht verhindern. Schmeling wurde bei offiziellen Anlässen herumgereicht, ließ sich mit der Prominenz des "Dritten Reiches" ablichten und wurde sogar in Hitlers Auftrag zum "Botschafter" des Regimes.

In seinen "Erinnerungen" erzählt Schmeling von einem Treffen mit dem Diktator: "Hitler wünschte mir alles Gute für meinen bevorstehenden Kampf - 'Ich habe gelesen, dass Sie nach Amerika fahren. Ich wünsche Ihnen viel Glück', sagte er und fügte plötzlich ganz beiläufig hinzu: 'Vielleicht fragt man Sie drüben, wie es in Deutschland aussieht. Dann können Sie ja die Schwarzseher beruhigen, wie friedlich hier alles ist und dass alles vorangeht." Schmeling gehorchte. Nach seiner Ankunft in den USA erzählte er die Lüge vom "friedlichen Deutschland".

 
Schmeling mit seinem Manager Joe Jacobs 1933. Quelle: ap
ap
Schmeling mit seinem Manager Joe Jacobs 1933

 

"Man hat versucht, mich zu benutzen, aber in Wirklichkeit habe ich mich der Nazis bedient, um anderen Menschen zu helfen" - so wollte Schmeling seine Position im "Dritten Reich" später verstanden wissen. Tatsächlich versteckte er beispielsweise die Söhne eines jüdischen Freundes während der Pogromnacht 1938 in der eigenen Hotelsuite und trennte sich auch nach Aufforderung der Reichssportführung nicht von seinem jüdischen Manager Joe Jacobs. Allerdings schmälerten solche Episoden nicht den Wert des Vorzeige-Athleten für das Nazi-Regime.

Louis gegen Schmeling 1936. Quelle: ap
ap
Louis gegen Schmeling 1936

Der große Triumph

Am 19. Juni 1936 war es soweit: Schmeling trat in Ney York gegen Joe Louis an, den neuen Stern am US-Boxhimmel. Der Boxhistoriker Hank Kaplan erinnert sich: "Die meisten Boxfans hatten ehrlich gesagt Mitleid mit Max Schmeling. Man hielt ihn damals schon für einen abgehalfterten, verbrauchten, alten Mann, einen Veteranen, der gekommen war, um noch mal Kasse zu machen. So dachten eigentlich alle. Joe Louis würde ihn in drei bis vier Runden aus dem Ring fegen, so wie er es mit jedem tat."

Aber es kam anders. Bei seiner Rückkehr wurde der Sieger Schmeling von mehr als 10.000 Schaulustigen in Frankfurt empfangen. Ein Ereignis mit Symbolkraft - nicht nur für die Nazi-Propaganda. Auch Joe Louis hatte wegen der ideologischen Überhöhung des Kampfes unter enormen Druck gestanden. "Schmeling repräsentierte alles, was Amerikaner nicht mögen", schreibt er in seiner Autobiografie. "Sie wollten ihn geschlagen sehen. Nun stand ich hier, ein schwarzer Mann. Ich hatte die Bürde, ganz Amerika zu vertreten."

Schmeling und Louis 1938. Quelle: ZDF
Schmeling und Louis 1938

Die Revanche

Joe Louis forderte Revanche und Schmeling nahm an. Aber der Kampf 1938 dauerte nur 124 Sekunden. Bereits in der ersten Runde lag Schmeling am Boden. Wegen der Verletzung eines Rückenwirbels musste er seine Spotkarriere aufgeben, das Regime wandte sich ab und Goebbels schimpfte empört: "Eine furchtbare Niederlage. Das ganze Volk ist deprimiert."

Blacky Fuchsberger erinnert sich an den Kampf: " Als es hieß, Max Schmeling liegt am Boden und kann sich nicht mehr erheben, da fing mein Vater bitterlich an zu schluchzen. Das war für mich beeindruckender und bewegender als Schmeling der am Boden lag, mein Vater weint, warum?"

 

Krieg und Stunde Null

Schmeling meldete sich 1940 freiwillig zum Kriegsdienst und landete nur ein Jahr später mit der ersten Welle deutscher Fallschirmjäger auf Kreta. Seinen Ruhm als deutscher Held konnte er nicht zurückerkämpfen. Er verletzte sich bei der Landung und wurde in ein deutsches Lazarett verschickt. Das Idol hatte für die Nazis endgültig ausgedient.

 

Die Nachkriegszeit begann für Schmeling vor Gericht, am Ende wurde er jedoch als unbelastet eingestuft und machte Karriere als Unternehmer - seine glücklichsten Jahre, wie er später sagte. Mit der Deutschland-Lizenz für Coca-Cola gelang ihm schließlich ein Millionen-Deal.

 
Louis und Schmeling 1973. Quelle: dpa
dpa
Louis und Schmeling 1973

 

Mit Joe Louis, mit dem er zwei so schicksalhafte Begegnungen seines Lebens teilte, war er bis zu dessen Tod 1981 befreundet. Er übernahm sogar einen Teil der Beerdigungskosten, die Louis' Familie nicht allein bewältigen konnte. Max Schmeling starb am 2. Februar 2005 im Alter von fast 100 Jahren.

 
 

Sendungsinformationen

Dienstag, 13.03.2007 20:15 - 21:00 Uhr

VPS 13.03.2007 20:15

Länge: 45 min

  • Untertitel