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Informationen zur politischen Bildung (Heft 277)

Stationen der Innenpolitik seit 1945


Udo Steinbach
Inhalt

Einleitung

Ausbildung des Mehrparteiensystems

Staat in der Dauerkrise

Rückkehr zur Demokratie

Instabile Koalitionen

Islamistisches Zwischenspiel

Bilanz der Regierung Ecevit

Parlamentswahlen 2002

Staat in der Dauerkrise
Ende der sechziger Jahre häuften sich die tätlichen Auseinandersetzungen zwischen linksextremen Gruppen und Organisationen, die der nationalistischen MHP nahestanden. Da die Regierung unter Ministerpräsident Süleyman Demirel, der als Vorsitzender der AP das Land seit 1965 mit absoluter Mehrheit regierte, weder diese Aktionen unterband noch die politischen Probleme zu lösen schien, die mit dem raschen gesellschaftlichen Wandel und der wirtschaftlichen Entwicklung einhergingen, griff die militärische Führung am 12. März 1971 ein. Sie drohte mit Machtübernahme, falls es der Regierung nicht gelingen sollte, den Terrorismus wirksam zu bekämpfen und geforderte Reformen durchzuführen.

Ministerpräsident Demirel trat zurück, und es folgte eine über zweijährige Phase militärisch gelenkter Politik in der Türkei. Die Regierung wurde von - zum Teil parteilosen - Technokraten geführt. Es gelang aber trotz vereinzelter Verfassungsänderungen nicht, die Krise zu bewältigen. Die notwendigen Strukturreformen blieben aus, und die Polarisierung der Kräfte wurde nicht eingedämmt, sondern im Gegenteil gefördert. So fanden die freien Wahlen im Oktober 1973 unter keinen guten Vorzeichen statt.

Politische Patt-Situation

Die „Republikanische Volkspartei” (CHP) errang mit 33,3 Prozent der Stimmen und mit 41,1 Prozent der Sitze das beste Ergebnis seit ihrer vernichtenden Niederlage von 1950. Sie hatte sich seitdem in eine moderne sozialdemokratische Massenpartei umgewandelt. Für diese Entwicklung stand Bülent Ecevit, seit 1965 Generalsekretär und seit 1972 Vorsitzender der Partei, als Nachfolger Inönüs. Dies bedeutete neben einem Generationswechsel auch die Neuinterpretation des Kemalismus durch einen Vertreter der gemäßigten Linken. Ecevits Leistung lag darin, dass er es am Ende schaffte, die interpretierbaren Prinzipien des Kemalismus für eine Strategie sozialdemokratischer Gesellschaftsentwicklung zu nutzen.

Die „Gerechtigkeitspartei” (AP) von Süleyman Demirel wurde zweitstärkste Kraft und bekam 29,8 Prozent der Stimmen und 33,1 Prozent der Parlamentssitze.

Die islamische „Nationale Heilspartei” Necmettin Erbakans erhielt 11,8 Prozent der Stimmen und 10,7 Prozent der Sitze und war damit die drittstärkste Gruppierung im Parlament. Ihr Erfolg zeigte, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Wählerschaft, insbesondere auf dem Lande und in den anatolischen Städten, in der heilen Welt einer „islamischen Ordnung” Zuflucht suchte.

Da die beiden großen Parteien, CHP und AP, nach den Wahlen nahezu gleich stark waren, mussten sie zur Regierungsbildung Koalitionspartner gewinnen. Nach monatelangen Verhandlungen vereinbarte Ecevit schließlich ein Bündnis mit dem Vorsitzenden der MSP, Necmettin Erbakan. Eine sich sozialdemokratisch verstehende Partei tat sich mit einer islamisch-fundamentalistischen Partei zusammen, deren erklärtes Ziel die Errichtung einer „gerechten” (das heißt islamischen) Ordnung war.

In der Krise um Zypern von 1974 zerbrach die Koalition, und Anfang 1975 bildete Süleyman Demirel durch eine „Nationale Front”, in der neben seiner AP die beiden rechtsextremen Parteien MSP und MHP überproportional vertreten waren, eine neue Regierung. Diese war weder imstande, der sich gravierend verschlechternden wirtschaftlichen Lage (zum Teil verursacht durch steigende Energiepreise) zu begegnen, noch durch Reformen die akut werdende soziale Krise (so etwa sich verschärfende Einkommensunterschiede, Verstädterung, Arbeitslosigkeit) zu bewältigen. Polarisierung und Niedergang des politischen Lebens der Türkei schritten rasch voran.

Die Wahlen von 1977 brachten keine Änderung. Sowohl Ecevit wie Demirel weigerten sich, durch eine große Koalition von CHP und AP die politische Patt-Situation zu überwinden. Erst durch den Abfall von 14 Abgeordneten aus den Reihen der „Nationalen Front”, dem durch Geldzahlungen und Versprechungen von Ministerposten nachgeholfen wurde, konnte Ecevit Anfang 1978 eine Regierung bilden. Aber die Situation besserte sich nicht. Endlose Streiks des radikalen Gewerkschaftsverbandes DISK („Föderation der Gewerkschaften revolutionärer Arbeiter”) und allzu freigebige Lohnsteigerungen heizten die Inflation weiter an. Der Stillstand in der Regierungsarbeit lähmte in zunehmendem Maße auch das öffentliche Leben. Militante Kräfte blockierten die Tätigkeit öffentlicher Organisationen und Institutionen.

Im November 1979 übernahm Demirel wieder die Regierung. Öl- und Lebensmittelknappheit sowie bürgerkriegsähnliche Zustände durch Terroraktionen machten den Winter 1979/80 in der Türkei zu einem Alptraum für die Bevölkerung. Ein im Januar 1980 verkündetes neues wirtschaftliches Stabilisierungsprogramm unter Leitung von Turgut Özal kam zu spät.

Intervention der Generäle

In dieser Situation übernahm am 12. September 1980 das Militär zum dritten Mal seit dem Übergang zum Mehrparteiensystem die Macht. Dies bedeutete das Ende der Zweiten Republik (1961-1980), die aber trotz aller Turbulenzen, besonders nach 1976, auch positive Entwicklungen vorzuweisen hat, wie das rasche wirtschaftliche Wachstum und die zunehmende Industrialisierung zwischen 1963 und 1976, eine freie Presse nach 1963 und die Herausbildung einer großen Zahl von Verbänden und Interessengruppen.

Diesmal leistete das Militär „ganze Arbeit”. Das Parlament wurde aufgelöst und die Verfassung außer Kraft gesetzt. Allerdings ließen die Generäle unter Kenan Evren von Anfang an keinen Zweifel daran, dass sie ihre Machtübernahme nur als vorübergehend ansahen. Sie verfolgten für die „neue Türkei” drei Ziele:
  • Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung;
  • Schaffung eines stabilen politischen Systems;
  • Verwirklichung einer neuen Wirtschaftsordnung.
Außerdem strebten die Generäle die Entpolitisierung aller Bereiche der türkischen Gesellschaft - von den Gewerkschaften über den öffentlichen Dienst bis zu den Universitäten - an. Bald nach der Machtergreifung setzten Säuberungen großen Stils unter den Angehörigen des öffentlichen Dienstes ein, von denen Zehntausende betroffen waren. Der Einsatz von Foltermaßnahmen gehörte zu den besonders verwerflichen Begleiterscheinungen der Verfolgungen, die die Machthaber ignorierten oder zu vertuschen versuchten.

Der im Juli 1982 veröffentlichte Verfassungsentwurf wurde im November in einer Volksabstimmung mit 91,2 Prozent der Stimmen angenommen. Mit diesem Referendum verbunden war die Wahl des Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrates, Kenan Evren, zum Staatspräsidenten für einen Zeitraum von sieben Jahren. Er genoss zu diesem Zeitpunkt noch breite Popularität.

Im Gegensatz zur Verfassung von 1961 verlor sich das Grundgesetz von 1982 in einer Vielfalt detaillierter Regelungen. Den Belangen des Staates wurde durch die Begrenzung der individuellen Freiheiten Rechnung getragen. Die Grundrechte waren zwar generell verbrieft, ihrer Geltung wurden aber mit Rücksicht auf die staatliche Einheit sowie auf die öffentliche Ruhe und Ordnung enge Grenzen gesetzt. Der Plan der Generäle, ein neues Parteiensystem in Gestalt zweier Parteien - je einer Partei auf der rechten und linken Seite des politischen Spektrums - mit neuen Führern und neuen Namen entstehen zu lassen, scheiterte. Am 6. November 1983 stimmte das Volk mit klarer Mehrheit gegen das Konzept.

Die Wahlen gewann die „Mutterlandspartei” (Anavatan Partisi, ANAP, nach deutschem Sprachgebrauch eher „Vaterlandspartei”) unter Turgut Özal. Mit 45,15 Prozent der Stimmen und 211 von 400 Sitzen für die ANAP wurden die vom Militär begünstigten Parteien vernichtend geschlagen. Damit war der Versuch des Militärs, eine politische Neuordnung zu etablieren, bereits in den Ansätzen gescheitert.
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07. November 2007
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