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Der älteste Einwohner Basels ist vermutlich ein blinder, unterirdisch lebender Rüsselkäfer. Das Tier ist dem Geographen Stephan Brenneisen von der Hochschule Wädenswil im Naturschutzgebiet Rheinhalde in die Falle gegangen, als dieser trockenwarme Biotope im Raum Basel untersuchte. Die Käferspezialisten Andreas Kaupp vom Institut für Natur-, Landschafts- und Umweltschutz der Universität Basel und Eva Sprecher vom Naturhistorischen Museum Basel ordneten das Insekt, das in der kommenden Woche an der Messe Natur Basel zu sehen sein soll, der Art Raymondionymus marqueti zu. Dessen nächste Verwandten leben laut Brenneisen im Mittelmeerraum, einzelne Funde sind auch aus der Region Genf bekannt.
Bei der Art dürfte es sich laut den Forschern um ein Relikt aus dem Tertiär handeln; demnach würde sie seit mehr als zwei Millionen Jahren am Rheinknie leben. Da der Rüsselkäfer blind sei, unterirdisch lebe und nicht fliegen könne, sei es nämlich sehr unwahrscheinlich, dass er nach der letzten Eiszeit - in der die Tiere ihre Lebensräume in wärmere Gebiete verlagern mussten - von selbst eingewandert oder durch den Menschen eingeschleppt worden sei, erklärt Brenneisen. Laut dem Geographen dürfte das Insekt die Eiszeiten überstanden haben, weil es im Boden des südexponierten, licht bewaldeten Uferhanges der Rheinhalde, die auch während der Eiszeiten frei von Eis blieb, ein Mikroklima wie am Mittelmeer vorfindet. Bisher fanden die Forscher nur ein einziges Exemplar von R. marqueti; im Frühling wollen sie versuchen, weitere aufzuspüren sowie das Verbreitungsgebiet der Art zu bestimmen. Zudem soll in der Rheinhalde das Vorkommen anderer, insbesondere unterirdisch lebender Tiergruppen untersucht werden. Denn der neuste Fund habe gezeigt, so Brenneisen, dass in der Rheinhalde eine spezielle subterrane Fauna lebe und somit unter der Erde vermutlich auch ein spezielles Mikroklima herrsche. Genetische Vergleiche mit den geographisch am nächsten lebenden Verwandten sollen zudem zeigen, ob es sich bei den Tieren am Rheinknie sogar um eine eigenständige Unterart handelt. Dies könne nicht ausgeschlossen werden, sagt Brenneisen, da die Basler Population vermutlich schon lange isoliert lebe.
Dass R. marqueti ausser bei Basel und Genf noch an anderen Orten der Schweiz vorkommt, ist laut dem Forscher unwahrscheinlich, da es nur sehr wenige Gebiete gebe, die nie vergletschert gewesen seien. Sogar das Gebiet bei Genf sei während der Eiszeiten periodisch vergletschert gewesen. Es müsse daher noch untersucht werden, ob die blinden Rüsselkäfer dort nach der letzten Eiszeit aus einer Population aus dem südlicheren Teil des Rhonetals unterirdisch wieder eingewandert sein könnten.
Katharina Schöbi
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