Burgau |
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Die Gemeinde wurde durch ihre Aufteilung zwischen den souveränen Staaten Hohenzollern-Sigmaringen und Württemberg 1806 zerrissen. Bestehen blieb jedoch die gemeinsame Markung und zunächst auch der Gemeindebesitz, so daß die diesbezüglichen Funktionen der alten Gemeinde erhalten blieben. Die beiden Teile des Kondominats waren im übrigen verschieden organisiert. Der hohenzollerische bzw. preußische Teil hatte den Status einer selbständigen Gemeinde, während der württembergische ein Ortsteil bzw. eine Teilgemeinde von Heudorf (1934 von Dürmentingen) wurde. Da die Zugehörigkeit zu verschiedenen Landkreisen bis 1968 bestehen blieb, erhielt nur die Sigmaringer Kreisgemeinde Burgau 1958 ein Wappen. Einen Gemeinderat gab es 1966 noch nicht. Der Bürgermeister lud bei wichtigen Anlässen alle Wahlberechtigten zur Beratung und Beschlußfassung in den "Preußischen Hof" zur Bürgerversammlung. Der Gemeindesitz wurde im 19. Jh. fast ganz verteilt, so 1833 das sog. Burgauer Öschle auf Betzenweiler Markung (10 J), 1840 der Wald Buchstock (81 M), der sofort abgeholzt wurde, und der Wald Gemeinmärk (20 M), der erhalten bleiben sollte. Gemeindebesitz blieb eine Lehm- und Sandgrube, das Hirtenhaus mit einem Acker, eine Kapelle sowie Jagd- und Weiderechte. In die Gemeindelasten teilten sich beide Ortshälften. 1810 wurden die Unterhaltungskosten der Straße nach Strecken zerlegt, und 1820 fielen durch Los der Aufwand für die beiden Miesachbrücken dem hohenzollerischen Ortsteil, der für die Kanzachbrücke dem Württembergischen zu. Ebenso verteilte man die Unterhaltung der Dolen durch Losentscheid. Der Weiler war zunächst Filiale der Pfarrei Hailtingen mit Ausnahme eines Hofs, der nach Betzenweiler pfarrte und zehntete. 1810 wurde der ganze Weiler der Pfarrei Dürmentingen zugeteilt. Deshalb ist auch der hohenzollerische Ortsteil dem Bistum Rottenburg unterstellt. Eine Liebfrauenkapelle wird 1504 erwähnt, sie wurde vermutlich im 18. Jh . neu erbaut. Die Zehnten hatten je zur Hälfte das Kl. Reichenau, ab 1259 das Domkapitel Konstanz (für die inkorporierte Pfarrkirche Hailtingen) sowie die Liebfrauenkapelle in der Riedlinger Mühlvorstadt zu beanspruchen. Trotz einer gemeinsamen Neuverzeichnung 1504 gab es immer wieder Streit. Kleinere Zehntanteile bezogen die hiesige Kapellenpflege sowie Pfarrer und Vikar in Hailtingen. 1820 wurden der Kleinzehnt und der Betzenweiler Anteil am Großzehnt der Pfarrei Dürmentingen zugewiesen. Im 15. Jh. mögen in den 7 bekannten Gütern etwa 35 Menschen gewohnt haben. 1783 nennt eine Berechnung von kirchlicher Seite 42 Seelen. Salem zählte 1659 auf seinen 3 Gütern 15 Untertanen mit 11 Bedienstete. 1806 lebten im Württembergischen Ortsteil 22 Personen, 1937 waren es 36 bei einer Gesamtzahl von 75 Einwohnern. Allgemeine Beschreibung des Ortes:
Historischer Hintergrund
Es war eine Folge des Kondominats zwischen beiden Ländern, das alle paar Schritte den Gesetzen eines anderen Landes unterworfen war, daß hier höchst merkwürdige Verhältnisse im Ort Burgau auftraten. In dem Gasthof des Ortes, dem Preußischen Hof, ging die preußisch-württembergische Grenze mitten durch die Wirtschaftsräume, und zwar so, daß die Gaststube auf württembergischem, das Nebenzimmer aber auf preußischen Gebiet lag. Als nach dem ersten Weltkrieg die Polizeistunde in den ländlichen Gemeinden in Württemberg auf 23 Uhr, in Preußen aber auf 24 Uhr festgesetzt wurde, brauchte man nur, wenn der "Büttel" oder "Landjäger" zum "Abbieten" kam, sein Glas nehmen und einige Tische weiter zu rücken, so daß dem Gesetz Genüge getan wurde. Das war aber harmlos gegenüber anderen Verwicklungen: "Eine solche ergab sich, als eine sonst brave, aber etwas leichtsinnige junge Burgauerin sich in der Fremde mit einem Liebhaber eingelassen hatte. Sie fand im elterlichen Haus keine Annahme und mußte darum das Kind im Armenhaus zur Welt bringen. Schließlich wurde die Sache aber doch eingerenkt, und der Bub wuchs mit der anderen Jugend im Ort auf, bis er in die militärpflichtigen Jahr kam. Da erhob sich die Frage nach der Staatsangehörigkeit und die hing vom Ort der Geburt ab. Nun ging die Landesgrenze aber ebenso wie im preußischen Hof mitten durch das Armenhaus und kein Mensch konnte mit Sicherheit feststellen, ob die Geburt im preußischen oder württembergischen Teil erfolgt war. So blieb nichts übrig, als den jungen Mann für staatenlos zu erklären, was für ihn der Vorteil hatte, daß er vom Militär frei kam. Wurde ein Handwerksbursche von dem Landjägern verfolgt, so mußte er nur den Preußischen Hof erreichen und er war vor ihnen sicher. Die Landjäger mußten, um ihren Missetäter doch noch zu bekommen, nach Langenenslingen zum preußischen Kollegen telefonieren, der dann 12 km zurücklegen mußte, um den Übeltäter festnehmen zu können. Es galt übrigens in Burgau folgende Regel: Wenn man etwas angestellt habe und erwischt werde, soll man sich lieber auf preußischen als auf württembergischen Gebiet erwischen lassen. In Riedlingen oder in Ulm spreche man zwar schwäbisch aber man strafe preußisch, in Sigmaringen und Hechingen dagegen spreche man vor Gericht zwar preußisch, strafe aber schwäbisch, was dem ersteren vorzuziehen sei. Eine Rauferei mit tödlichem Ausgang soll einmal vor dem preußischen Hof in der Nähe der Kapelle stattgefunden haben. Die Beteiligten konnten nachher aber nicht mit Sicherheit aussagen, ob der Schlag, der zum Tod eines Mannes geführt hatte, auf preußischen oder auf württembergischem Gebiet ausgeführt worden war. Die Angelegenheit wurde daher, um allen gerecht zu werden, zweimal verhandelt, einmal vor dem preußischen und zum andern vor dem württembergischen Gericht. Aber nicht nur damals, als das Gebiet durch zwei Landesgrenzen geteilt war, gab es solche Merkwürdigkeiten. Da die Kreisgrenze durch den Ort ging, sind noch einige Kuriositäten vorhanden. So hatte z.B. die Gemeinde Burgau eine eigene Feuerwehr. Die Inspektion durch den Kreisbrandmeister aus Sigmaringen war für alle "Preußen" ein Fest. In dem 1 km entfernten Dürmentingen war eine motorisierte Feuerwehr, die im Brandfall sehr schnell in Burgau sein hätte können. Durch alle Verwaltungsgebiete hindurch führte diese Teilung der Gemeinde. So mußte bei einer Röntgenreihen-Untersuchung das Gesundheitsamt Sigmaringen extra wegen 5 Personen nach Burgau fahren, das gleich hätte im Fall einer Impfung oder Mutterberatung geschehen müssen, wenn sich nicht die beiden Medizinalräte der Kreise Saulgau und Sigmaringen darüber geeinigt hätten, daß der vom Kreis Saulgau die Fälle des Gesundheitsamtes auch in der "preußischen" Gemeinde übernimmt. Das gleiche galt aber nicht für den Fall einer Röntgenuntersuchung. Das Gesundheitsamt Saulgau führte die letzte Röntgenreihen-Untersuchung n Burgau 14 Tage vor dem Gesundheitsamt Saulgau in Dürmentingen durch. Ein Württemberger sah das Auto in Burgau stehen und da er gerade Zeit hatte, wollte er sich mit den "Preußen" röntgen lassen. Trotz seiner Beteuerungen "er habe das Hemd schnell ausgezogen und eben so schnell wieder angezogen", mußte er den Raum verlassen und warten, bis das Gesundheitsamt von Saulgau nach Dürmentingen kam und dort die Untersuchung für die "Württemberger Burgau`s" durchführte. Burgau heute:Der Weiler Burgau am rechten Hang des Kanzachtals ist ebenfalls eine geschlossene bäuerliche Gruppensiedlung und verrät in seiner Anlage nichts von der jahrhundertelangen Aufspaltung unter zwei verschiedenen Herrschaften. Nur die Gasthausbezeichnung "Preußischer Hof" gibt einen Hinweis auf die Vergangenheit. 1960 wurde am Ortsausgang in Richtung Dürmentingen eine Glühwendelherstellung erbaut, und in der großen Kiesgrube südöstlich des Weilers entstand - von der Straße aus verdeckt - ein Betonröhrenwerk.
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