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1-09-04
Interview: Secret Machines
 
Licht am Ende der Band




Brandon Curtis über ausgedehnte Songs, Alben der 70er, Vorbilder und reiche Eltern mit musizierenden Söhnen
„First Wave Down“ singt Ben Curtis emphatisch und erlösend im Opener „First Wave Intact“ nach zwei Minuten und acht Sekunden Rhythmus/Riff/Vokal- Geplänkel der stoischen Art und flutet damit den Emotionskanal eines impertinenten und unerwarteten Debutalbums einer Band mit dem umkomplizierten Namen „Secret Machines“. Eine Band, der Konventionen komplett am Arsch vorbei gehen. Eine Band, die sich Zeit nimmt, einen Song aufkeimen zu lassen. Nicht im Studio, sondern im Song – live zum Mithören. Das klingt empirisch, gesetzt und qualifiziert.
Dürfte es aber nicht sein, denn  „Secret Machines“ bewegen sich erst seit 2000 im Gleichschritt. Ben Curtis (Vocals, Gitarre) und sein Bruder Brandon (Vocals, Bass, Keyboards) sowie Schlagzeuger Josh Garza erkannten schnell, dass Dallas (Texas, USA) wenig bereit hielt, um erfolgreiche und bedeutende Rockmusik zu machen. Wässrig und  mit abgewetzten Hemden ging man nach New York, um sich einstweilen lokal zu verbessern, was aber als Ereignis nur einen kleinen Schritt der Band- Evolution repräsentierte. „Eine groteske und verwirrende Zeit begann“, erinnert sich Brandon Curtis. „Es ging gar nicht darum auf Biegen und Brechen eine Platte zu machen, sondern prinzipiell wollten wir mehr über uns erfahren, wollten wissen, wer genau wir sind. Wir wussten, dass uns der Schritt nach New York komplett überfordern könnte, überwiegend finanziell. Also haben wir in Chicago eine Pause eingelegt und dort unser Geld für die EP „September 000“ verprasst. Kein schlechter Anfang für eine Band, die gerade einmal sechs Wochen lebte“.




In der Tat, wenn man die Ausformungen der EP in der aktuellen und „richtigen“ Platte „Now here is Nowhere“ hört. Rocksongs mit korpulentem Sound, wackeligem Teilzeit- Piano, kolossalen John Bonham- Drumsounds und Songs der unruhigenStille wie „The leaves are gone“. Eine Intensität und Fähigkeit, die das Trio entwickelt hat und nahe zu perfekt beherrscht, ist der Umgang mit der so genannten Dynamik, also das Schaukeln des Songs durch emotionale Stadien. Songs taumeln da verfroren zwischen abgeschirmten Refrains von einer Schlucht in die nächste und öffnen gefräßig den Schlund um Songs wie „Sad and Lonely“ oder „Light’s On“ dem gierigen Hörer weg zu fressen. Man geht konstant danieder mit „Secret Machines“. Seltsam, was New York bewirkt. „Ja“, hält Brandon Curtis kurz inne, „ich denke wir haben uns von der New Yorker Umgebung beeindrucken lassen und das musikalisch ausgelebt. Es scheint der Rhythmus zu sein, der in New York den Lebenstakt vorgibt. So gelangten wir zu „Now here is Nowhere“, ein Album der Kategorie „Post Nine Eleven“, das zudem da entstand, wo der Großteil der Songs geschrieben wurde“.



Wobei man Brandon Curtis anmerkt, dass er noch nicht gänzlich zufrieden ist. Wohl mit dem Album, aber der Weg der Band in den Kern des Miteinanders, lässt einen kleinen Unterton des Zweifels vielleicht sogar der Skepsis mitschwingen. „Weil wir immer noch nicht am Ende unserer Selbsterforschung sind“, bestätigt Brandon Curtis. „Wir kommen zwar langsam besser mit uns zu Recht, lernen durch Gespräche mit Journalisten und Fans bei Liveauftritten dazu, aber man muss diesen Prozess zu würdigen wissen, denn vor einiger Zeit hatten wir diese Chance noch nicht, mehr über uns zu erfahren“. Doch Chancen muss man ergreifen und ewige Phasen des Zauderns fördern gruppenstrategisch gesehen nur bedingte Entwicklungen. Kann Brandon Curtis wenigstens eine Zwischenbilanz ziehen, sieht er Licht am Ende des Holland- Tunnels? „Absolut. Wir können zumindest behaupten, dass uns alle Menschen in der näheren Umgebung den Rückhalt gaben, den wir für unsere Pläne benötigten. Das erscheint mir die wichtigste Erkenntnis. Und dass wir im Stande waren unser Talent zu beweisen. Ich denke, bei der Menge an talentierten Musikern, stellt diese Fähigkeit doch etwas Besonderes dar“.



Dabei untergräbt Brandon freilich die widrigen Lebensumstände, die sie in New York zu bewältigen hatten. Versifftes Apartment zu dritt. Gerade genug Platz, das Equipment unterzubringen. Ansonsten war da nichts. Aber wären „Secret Machines“ Söhne reicher Eltern, würde das doch alles nicht funktionieren. Sie hätten mehr Zeit zu grübeln, aber mehr Geld zum Verjubeln. Brandon Curtis zum „Was wäre wenn Spielchen“: „Klar wäre das Ergebnis im Sinne der jetzigen „Secret Machines“ nicht das gleiche. Wenn Du nur einen kleinen unscheinbaren Aspekt in unseren Leben ändern würdest, sähe das Endergebnis völlig deformiert aus. Allerdings redet man sich im „Was wäre wenn“ - Zustand leichter. Das Leben wäre dann leichter, wenn wir genug Geld hätten. Alles wäre leichter. Ich denke das stimmt so nicht, obwohl ich meinen jüngeren vergangenen Tagen öfter mal neidisch auf New Yorker Bands gesehen habe –ich möchte jetzt keine Namen nennen-, die aus wohlhabenden Familien stammen, sehr erfolgreich sind und sicher wichtige Musik machen. Da denkt man schnell mal, dass das nicht fair wäre, denn was hatten sie schon aufgeben müssen. Doch der Punkt ist ein völlig anderer. Denn wenn man sich ständig damit beschäftigt, was die haben und wir nicht haben, verschwendet man unnötig Zeit. Jeder hat das, was er hat und wenn er möchte, bietet ihm unsere Welt alle Möglichkeiten sich neu zu verwirklichen oder Interessen nach zu gehen. Ich persönlich würde nichts an meinem Leben oder „Secret Machines“ ändern wollen. „Secret Machines“ und meine derzeitige Existenz habe ich mir mit eigenen Händen erarbeitet. Das ist ein Schatz, den man sich bewahren sollte“.
Brandon Curtis spricht diesen letzten Satz erschöpft. Fast so, als schulde er dieser Welt nichts mehr. Als er hätte er sich mit „Secret Machines“ seinen Friedensanteil und seine Ruhe erarbeitet. Ein Zustand, den man als Hörer des Albums ähnlich greifen könnte, denn „Secret Machines“ verlangen viel. Bei gleichzeitig immenser Gabe für ein ausgesuchtes Publikum, denn Brandon Curtis versichert, „dass das Album nicht mit der Absicht gemacht wurde, jedem zu gefallen“. So hart sich das zunächst anhört, so geschmeidiger ist Brandon Curtis Erläuterung. „Trotzdem bekommt man es auf dem Album nicht mit esoterischem Kram oder verwirrten Songs oder schwerem Verständnis zu tun. Die längeren Songs können einem Hörer schon mal zu schaffen machen, aber nur weil man „Neun Minuten Songs“ nicht jeden Tag hört. Im Albumkontext finde ich nicht, dass wir dem Hörer zu viel abverlangen. Im Zeitkontext vielleicht wieder doch, denn in den 60er oder 70er Jahren hast Du ein Album auf den Markt gebracht, die Leute haben es gehört und es schien im Sinnes des „Unterhaltungs- Effekt genug zu sein. Heute musst Du etwas vorlegen, das die Leute in 30 Sekunden berührt. Sonst kannst Du es vergessen. So gesehen hast Du nun doch wieder Recht, denn ein bisschen fordern wir den Hörer auf, zuzuhören. Nur für ein paar Minuten. Vielleicht ist jedoch abverlangen zu brutal ausgedrückt“.



Brandon Curtis hat nicht Unrecht, denn „Secret Machines“ haben ihr Album gerade mal mit zwei längeren Nummern am Anfang und Ende eingerahmt. Dennoch scheint die Art, wie sie die kurzen Songs vorlegen eine imaginäre Stunden dauernde zu sein. Einer Wattenmeer ähnlicher Nachströmung etwa, wenn man von „Sad and Lonely“ in „The leaves are gone“ stürzt und dabei an die Verwirrtheit (Heulen oder Schock) eines kindlichen Radsturzes auf das mit Milchzähnen sprießende gefüllte Kinn erinnert wird.
Weil –und so sieht es Brandon Curtis die Minuten- Gründe: „Secret Machines machen ja keine Popmusik. Es gibt genügend großartige Künstler, die alles in drei Minuten sagen können und seit Jahren grandiose Musik machen. Ich denke da an „The Strokes“ oder „Elvis Costello“. Für mich gab es daneben immer noch die alternative Musik, die eben 20 Minuten brauchte um Dir nahe zu gehen und eine logische, zu entdeckende Entwicklung nahm. Das hat mich stets interessiert“.

Da möchte man doch gleich den Einfluss- Verteiler zitieren. Vorbereitet sind als Referenzen bei „The Secret Machines“ schon einmal: Pink Floyd, Led Zeppelin, Can. Oder müssen sie gar erhalten? Deutlich hörbar sind die kolportierten musikalischen Suggestionen allerdings nicht. „Now here is Nowhere“ steht eindeutig als autarkes Schallwesen im Raum. „Gut, dass Du das mal ansprichst“, fällt Brandon Curtis ins Wort. „Damit haben wir schon zu kämpfen, denn wir sind der Meinung, dass wir uns keine musikalischen Einflüsse von anderen Künstlern geholt haben, sondern eher aus nicht Musik fremden Bereichen. Ich denke da an Schriftsteller wie Milan Kundera. Man möchte neue Bands eben gerne vorstellen, indem man behauptet, die klingen so wie alle anderen im Fernsehen. So bekommen die Bands ihren Stempel. Wir sähen es gerne, wenn man wieder dahin käme, Bands weniger zu katalogisieren, sondern wieder als Menschen mit unterschiedlichen Charakteren zu sehen. Dann würde man sich vielleicht wieder eher darauf fokussieren, was die Band eventuell mit ihren Songs beabsichtigte als dauernd zu sagen, der Song klingt nach Pink Floyd, der hier hört sich an wie NEU und das könnte von Can sein“.
Fromme Wünsche, die Brandon Curtis da formuliert. Aber Medien sind eben wahre Maschinen. Und was ist einfacher als mit dem Finger auf andere zu zeigen. Die Finger bei „The Secret Machines“ bleiben jedenfalls unten.

www.thesecretmachines.com
(SF)