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I. Kapitel.

Buchonia, Rhön, Salzforst.

Die heutige Rhön gehörte ehedem zu dem großen Wald- und Berggebiet Buchonien, welches sich von den weatlichsten Ausläufern des Thüringer Waldes über den Salzforst und die Rhön (im älteren Sinne), von da südwestlich bis zum Orber Reissig, von dort nördlich über den Vogelsberg bis zur Wetterau und von der Rhön nordwestlich über das Hessenland bis an die Eder erstreckte.[ 1 ]

Dieser Landstrich heißt Buchonien, weil er vorzugsweise von mächtigen Buchenbeständen überdeckt war, und wurde wegen seines rauen, unwirtlichen Charakters auch die buchische Wildnis genannt. Die Bezeichnung "in der Buchen" erhielt sich für Ortschaften, Schlösser und Pfarreien noch bis in späte Jahrhunderte.

In dieser waldigen Landschaft wimmelte es von Wild aller Art. Es gab da Auerochsen, Bären, Wölfe, Buchmarder, Waldkatzen, Hirsche, Rehen, Hasen, Füchse, Wildschweine, den Auerhahn, Birkhahn, wilde Enten, Reiher u.s.w. Eines der beliebtesten jagdbaren Tiere in alter Zeit war der Biber, [ 2 ]  von dessen Geschlecht in Europa nur noch ein einziges Paar auf einem herrschaftlichen Gut in Böhmen existieren soll. Auch wilde Pferde waren in den Wiesentälern nichts Seltenes.[ 3 ]

Die Menschen, welche das buchische Land bewohnten, gehörten verschiedenen altdeutschen Stämmen an und waren Heiden. Für Bodenkultur taten sie sehr wenig. Die freien Männer schämten sich der bäuerlichen Arbeit, und überließen dieselbe den Weibern, Greisen und Kriegsgefangenen, sie selbst dachten nur an Jagd und die wilde Aufregung des Kampfes, zu Hause aber waren sie müßige Bärenhäuter und dem Trunke ergeben. Sie liebten einen süßen, dunklen Met und den berauschenden Gerstensaft. Unter den Getreidearten wurde vorzüglich der Anbau der Gerste betrieben, da dieselbe ohne große Pflege fortkam. Der Viehbestand war in manchen Gegenden nicht unbeträchtlich, doch sahen die alten Deutschen nicht auf die Qualität des Viehes, sondern nur auf eine möglichst große Anzahl. So wenigstens berichtet uns der römische Geschichtsschreiber Tacitus, der den Boden Deutschlands nicht schlecht und unkultivierbar, aber sumpfig und vernachlässigt fand.

Aus fremden Ländern kamen in das buchische Land nur selten friedliche Wanderer. Thüringische und slavische Handelsleute allein hatten den Mut, über das Fuldaer Land ihre Handelsreisen bis an den Rhein, nach Mainz, auszudehnen.[ 4 ]  Christliche Missionare waren die einzigen Fremdlinge, welche sich furchtlos im alten Buchonien niederließen. Dass Thüringer und Slaven des Handels wegen durch das wilde Land zogen, erzählt uns Eigil, der das Leben des Sturmi, des berühmten Zöglings und Gehilfen des heiligen Bonifazius beschrieben hat. Als Sturmi aus der Gegend von Hersfeld nach Süden in der buchischen Wildnis vordrang, traf er nichts an, als wilde Tiere, Raubvögel und riesige Urwaldbäume, an der Fulda aber sah er eine Schaar Slaven, die eben lustig im Flusse badeten.

Im 5. und 6. Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung drang vom Niederrhein herauf gegen den Main, und von diesem nordwärts das tapfere Volk der Franken. Die von ihnen besetzten Landstriche erhielten den Namen Frankonia, Land der Franken, und zwar hieß unser Franken das östliche, im Gegensatz zum westlichen jenseits des Rheins, wo sich ebenfalls westliche Stämme festgesetzt hatten.

Die oben beschriebene, weitausgedehnte buchische Wildnis wurde nach und nach in ihren einzelnen Teilen genauer bestimmt und mit besonderen Namen bezeichnet. So hieß jener Teil Buchoniens, der sich von der Milseburg gegen Haun hinzog, der Bramforst (Brombeerwald), ein anderer zwischen der Fulda und Luder und längs der Fulda bis zum Fliedenbache der Zunderenhart (Zunderwald), ein dritter Fugalesberc (Vogelsberg), ein vierter Ronaha, Ron, Rön, und wieder ein anderer Salzforst.[ 5 ]

Der Landstrich Ron hieß in ältester Zeit Rhetico[ 6 ] und ward erst später Ron genannt. Indessen auch unter dieser späteren Bezeichnung hat man nicht unser Rhöngebirg in seiner heutigen Ausdehnung zu verstehen, sondern das Bergland, das vom Bramforst, Zunderenhart, Salzforst und den südwestlichstenAusläufern des Thüringer Waldes umschlossen war, also den Teil unserer heutigen Rhön,der sich von Abtsroda etwa bis an den Ehlenbogen bei Meiningen hinzieht. Am Dammersfeld,dem Himmeldunkberg bei Bischofsheim und der s.g. Weisbacher Rhön lief die südliche Grenze der Rhön im älteren Sinne hin, an die dort abwärts der Salzforst sich anschloß.[ 7 ]  Auf der Rhön hatte das Kloster Fulda von Kaiser Heinrich IV. das Jagdrecht erhalten, der Salzforst dehnte sich südlich der Fuldaer Jagdgrenze aus. Bischofsheim lag also damals nicht in der Rhön, sondern im Salzforst., und zwar in demjenigen Teile dieses Forstes, der später ausschließlich der Kammerforst genannt wurde. Weil nun aber der Salzforst schon am nahen Himmeldunkberg aufhörte, lag der Ort vor oder an der Rhön. Später kamen die Bezeichnungen Zunderenhart, Bramforst Salzforst mehr und mehr außer Übung und es wurde die Bezeichnung Rhön über das ganze Gebirgsland ausgedehnt, das wir noch heute so nennen.

Was der Name Ron, Rön eigentlich bedeuten soll, läßt sich nicht mit Bestimmtheit beantworten. Da Ronaha (aha, verkürzt â) offenbar der Name eines Wassers ist, haben die Einen vermutet, Ronaha bedeute das helle klare Wasser, das aus jenen Bergen hervorquillt, andre leiten das Wort auf rona=Baumstamm, wieder andere auf ein Dörfchen Ronaha zurück, das im 11. Jahrhundert zum erstn mal erwähnt wird.[ 8 ]

Wie in Buchonien, so traten auch im Gebiet der heutige Rhön verschiedene Volksstämme auf. In den ältesten Zeiten die Hermunduren, die nach dem Berichte des Tacitus mit den Katten um die Salzquellen kämpften, dann die Thüringer und Franken und endlich durch Karls des Großen Maßregeln auch die Sachsen. Jäger will den Rhönern zwischen Bischofsheim und Aschach die Hermunduren-Abstammung anmerken, denen um Fladungen die fränkische, den Hinter-Rhönern die sächsische.[ 9 ]  Man darf das wohl auf sich beruhen lassen.

Der Salzgau mit dem Salzforst umfasst das Gebiet der Brend, deren Einmündung in die Saale gegenüber die Salzburg liegt, ferner das Quellengebiet der Sinn bis zum Diesbach, welcher von Rothenrain am Auersberg herab bei Riedenberg in die Sinn geht. Südlich trennt die Aschach den Salzgau vom Saalgau, nördlich die Sondernau vom Baringau. Durch den Salzgau hängt das s.g. buchische Grabfeld (westliches Grabfeld) mit dem eingentlichen (östlichen) Grabfeld zusammen.[ 10 ]

Die fränkischen Herzöge und Könige teilten, wie bekannt ist ihr Land in Gaue ein. Dadurch, dass sie den Gaugrafen, Edelleuten, Bischöfen und Klöstern viele Rechte und Besitzungen in den einzelnen Gauen übertrugen, nahm ihr Einfluss auf dieselben immer mehr ab. Den Salzgau mit dem Salzforste aber behielten sie sich ausschließlich als königliche Domäne, als Königsgut vor, das von einem fränkischen König auf den anderen als Hausgut überging.[ 11 ]  Salzgau hieß dieser Gau, weil er in der Nähe des herrlichen Salzburg-Palastes lag, den sich die Könige unweit der jetzt noch bestehenden Salzburg im Tale erbaut hatten. Dieser Palast ist leider im Laufe der Zeit spurlos verschwinden.[ 12 ]

Kamen nun die Karolinger auf ihre herrliche Salzburg, um von ihren Regierungssorgen auszuruhen, oder mit den Großen des Reichs Ratsversammlungen zu halten, so war es ihre höchste Freude, im nahen Salzforste des edlen Weidwerks zu pflegen.[ 13 ]  Wir dürfen darum unbedenklich annehmen, dass Karl Martell, Karlmann, Pipin und Karl der Große im Brendgrunde bei Bischofsheim Jagden abgehalten und vielleicht auch auf der nahen Osterburg geweilt haben.

Dieser Herrengau mit seinem schönen, wildreichen Forst blieb ausschließlich Eigentum der deutschen Könige und Kaiser bis zum Jahre 1000. Die zu jener Zeit regierenden Kaiser aus dem sächsischen Hause arbeiteten planmäßig auf Vernichtung der alten Gauverfassung hin, indem sie an weltliche Große, die häufig unbotmäßig wurden, keine Ämter-, Besitz- und Herrshaftsvergebungen mehr machten, sondern nach und nach fast alle Gaugrafschaften an geistliche Immunitätsherrn verliehen, von denen sie sich größere Treue versprachen.[ 14 ]  Diesem System seines Hauses getreu, schenkte im Jahre 1000 Kaiser Otto III. den Salgau mit dem Salzforst an die Bischöfe von Würzburg, denen er auch fortan verblieb.[ 15 ]  Da der Salzgau bis zum Jahre 1000 kaiserliche Domäne war, finden wir in ihm weit weniger Burgen und Klöster, als in den Provinzial-Gauen. Die Bischöfe von Würzburg gaben, als sie die Eigentümer des Salzgaues geworden waren, die Verwaltung des Forstes (dessen Forstamt) an die Herren von Henneberg. Die kaiserlichen Pfalzgrafen auf der Salzburg hatten bis dahin das Forstamt gegen den dritten Teil der Holz- und Jagderträgnisse ausgeübt. Darum überwies Otto II. bei der besagten Übergabe nur die zwei Dtittteile der kaiserlichen Einnahmen aus dem Salzgau an den Bischof von Würzburg, das letzte Drittel blieb nach wie vor den Pfalzgrafen. Von diesem letzten Drittel hatte den dritten Teil eine Königin von Polen, geborene Pfalzgräfin des Grabfeldes, den anderen Teil ihr Bruder Otto, Herzog von Schwaben. Beide schenkten ihre Rechte 1085 ebenfalls an das Hochstift. Den dritten Drittelsanteil vermachten die Herrn von Henneberg, als Nachfolger der kaiserlichen Pfalzgrafen, der Familie von Windheim, unter dem Namen "Vögte" oder "Voite von Salzburg" bekannt, als Afterlehen, weswegen sich die hochstiftliche Regierung nach Aussterben des henneberg'schen Hauses mit diesen Nachbelehnten wegen ihrer Nutzung im Salzforst vergleichen musste.[ 16 ]

Schon zu Karls des Großen Zeiten wurde, wie in anderen Reichswäldern, so auch im Salzforste viel Honig von wilden Bienen gewonnen, so dass eigne Zeidelwarte (Bienenwarte, Honigschneider) mit besonderen Vorrechten angestellt und eigne Zeidlergerichte angeordnet wurden.[ 17 ]

Die Jagd im Salzforste blieb noch viele Jahrhunderteeine gute, doch zum Teil auch gefährliche. Nach einem Verzeichnisse von 1697/98 wurden damals folgende Raubtiere erlegt: 337 Raubvögel, 15 alte und 26 junge Wölfe und 6 Regel (Fischreiher).[ 18 ] Der letzte Wolf des Salzforstes wurde zu Anfang dieses Jahrhunderts erschossen.

Nach langen Verhandlungen und teueren Prozessen brachten einzelne Gemeinden Teile des Salzforstes in ihren Besitz. Die Stadt Bischofsheim hat heue noch ihren alten "Vorst", der ihr schon gehörte, als sie an die Herren von Trimberg kam.

In den ältesten Zeiten war für das Städtchen die Lage im Salzforst nicht unvorteilhaft, später war sie zum Nachteil, da man durch die geschlossenen Waldkomplexe keine Verkehrsstraßen bauen ließ, so dass Bischofsheim erst in diesem Jahrhundert eine gute Straße bekam, nachdem der Verkehr sich schon längstens andere Wege gesucht hatte.


[ 1 ] Schannat, Buchonia vetus (ab initio): Buchonia, sive Boconia, Bocauna, Buockhunna & Puohunna - orientalis Franciae solitudo vastissima, cujis limites potissimum circa Thuringiam, Hassiam et Wedereibam longius ex currebant. - cfrs. J. Gegenbaur, das Kloster Fulda in der Karolingerzeit, II. Buch, S. 16.

[ 2 ] Eckhart, comment, etc. Tom. II. pag. 97.

[ 3 ] Schannat, corp. trad. fuld. Nr. 384, 426, 887.

[ 4 ] cfrs. Schannat, Buchonia vetus, pag. 322.

[ 5 ] cfr. Schannat, Buchonia vetus, pag. 321.

[ 6 ] J. Gegenbaur, loc. cit. II. Buch S. 22.

[ 7 ] Eine Urkunde von Kaiser Heinrich IV., die darüber Aufschluss gibt, nennt das Dammersfeld - Staberesfeld, den Himmeldunkberg - Hugimuododung. Es wird auch ein Baum in der Nähe des oberen Laufes der Sundernawe erwähnt, an dem ein Stein befestigt war. Ob an das s.g. steinerne Haus oder an ein Überbleibsel des Heidentums zu denken ist? Die Urkunde bei Schannat, Buch. vetus, pag. 321

[ 8 ] J. Gegenbaur, loc. cit. Jäger meint, Rona bedeute so viel als Rain.

[ 9 ] Jäger, Briefe über die hohe Rhön, 2. Band, S. 133

[ 10 ] Dr. Stein, der fränkische Saalgau, d. Archiv d. hist. V. f. Unterfr. u.A. 21. Bd. 3. Heft, S. 238 und 239 und ebenda 1. u. 2. H. S. 32

[ 11 ] Kaiser Otto III. nennt die anderen Gaue pagi provinciales, dagegen den Salzgau pagus dominicalis, Herrengau.

[ 12 ] cfrs. Eckhart, gründl. Nachrichten, S. 50 u. 51

[ 13 ] Eckhart, comment etc. I. 390: pertinebant ad castrum hocce (Salzburg) pagus Salagewe vel Salzgau, sylvaque Salzforst dicta, regum Francorum propter autumnalem venationem delicium et oblectamentum.

[ 14 ] Dr. Fr. Stein, die Reichslande Rineck, v. Archiv d. h. V. f. Unterfr.. u. Aschaffenbg. 20 Bd., 3. Heft, S. 118.

[ 15 ] Eckhart, gründl. Nachr. S. 50 u. 51 dedimus, largiti sumus et firmissima traditione donavimus Castellum et nostri juris Curtem, Salce dictum, et omnia, quale ad eum pertinent, et villas et sylvas innumerabiles, imo quandam pagum Salzgowi dictam, quam ex integritate nostram fuisse jure proprietario cognovimus, cum omnibus pertinentus etc. etc.

[ 16 ] Schultes, diplomat. Geschichte d. gräfl. Hauses Henneberg, 2. Teil, S. 21; Jäger, Geschichte Frankenlands, 1. Bd., S. 288 und Ußermann, cod. prob. pag. 46.

[ 17 ] Judicia mellicidorum. cfrs. Jäger, Gesch. Frankenlds, 2. Bd., 119.

[ 18 ] Würzburger Chronik von Fries und Gropp, II Bd. S. 351.


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Letzte Änderung am 01.03.2001