Martin Birmann - der soziale Aufstieg

Schlüsselbegriffe: Sozialarbeiter - Aufstieg - Ständerat - Gemeindeautonomie - Elite
Der Sohn einer armen Weberfamilie brachte es zu Ruhm. Als Vertreter der Elite wehrte er sich gegen die Demokratisierungsbewegung, die von den einfachen Leuten angezettelt worden war. Andererseits war Martin Birmann auch der erste Sozialarbeiter des Kantons und setzte sich unentgeltlich für die Armen ein.

"Die Gemeinde [...] ist bei uns [...] seit der ganzen Zeit des Bestandes des Kantons so sehr und immer mehr die Trägerin des öffentlichen Lebens geworden, dass unser Staat noch nie zum Vollgefühle der Souveränität gekommen, sondern immer als blosses Aggregat von Gemeinden erschienen ist. So sehr auch die Verwaltung immer einen einheitlichen Mittelpunkt gesucht hat: unsere Geschichte zeigt hier mehr einen zentrifugalen Fortgang. Die Gemeinden sind so sehr autonom, dass auch die Oberaufsicht des Staates in der Verwaltung eine inhaltlose Figur und die Gemeinde, sofern sie nicht die Staatsbehörde fragen will, geradezu selbständig und unkontrolliert ist." Mit diesen Worten gab Martin Birmann 1874 als Präsident der ersten Reorganisationskommission seinem Ärger über die starke Stellung der Gemeinden im Kanton Basel-Landschaft Ausdruck. Doch nicht allein die Gemeindeautonomie war ihm ein Dorn im Auge, sondern auch die direkt-demokratischen Elemente, welche seit 1863 in der Baselbieter Staatsverfassung verankert waren.

Birmann war ein typischer Vertreter der politisch führenden Elite des Kantons, deren Einfluss durch die Gemeindeautonomie und durch das obligatorische Gesetzesreferendum begrenzt worden war. Während der Revi-Bewegung Anfang der 60er Jahre gehörte er den Anti an und war neben Stephan Gutzwiller einer der prominentesten Gegenspieler Christoph Rolles. Er machte die Politik der Knorzi und der Revi dafür verantwortlich, dass es mit dem Auf- und Ausbau der kantonalen Institutionen nicht vorwärts ging. Trotzdem bot Birmann immer wieder Hand zur Vermittlung zwischen den verfeindeten Lagern. Solange die Revi an der Macht waren, lehnten diese seine Angebote allerdings ab.

Birmanns politischer und gesellschaftlicher Erfolg war ihm nicht in die Wiege gelegt. Er kam als Kind der Tauner- und Posamenterfamilie Grieder in Rünenberg zur Welt. Trotz der armen Verhältnisse konnte er nach der Grundschule die Bezirksschule in Böckten und später das Pädagogium (Gymnasium) in Basel absolvieren. Nach der Matura studierte Birmann in Basel und Göttingen Theologie. 1852 wurde er in Liestal als Pfarrer ordiniert.

Bei seinem sozialen und politischen Aufstieg genoss Birmann die Unterstützung zweier Frauen: Zu seinem Namen Birmann kam Martin Grieder durch Juliana Birmann aus Basel. Sie nahm ihn während seiner Schulzeit im Pädagogium in ihr Haus auf und unterstützte ihn nach Kräften. 1853 adoptierte ihn die kinderlose Witwe. 1859 hinterliess sie ihm ihr grosses Erbe. Dank des Vermögens seiner Adoptivmutter konnte sich Birmann als unbesoldeter Armeninspektor (1853-90) des Kantons Basel-Landschaft und als kantonaler und eidgenössischer Parlamentarier betätigen (Landrat: 1854-90, Ständerat: 1869-90). Er stand dem Basellandschaftlichen Armenerziehungsverein als Präsident vor (1853-90), richtete in Augst eine Anstalt für verwahrloste Knaben ein (1854) und initiierte die Reorganisation und den Neubau des Kantonsspitals in Liestal (1877). Er half, die Basellandschaftliche Zeitung zu gründen (1854) und das kantonale Gesetz über das Armenwesen (1859) zu erarbeiten. Er war Verwaltungsrat der Hypothekenbank und der Waldenburgerbahn.

Die zweite Frau, die ihn unterstützte, war Elisabeth Socin, welche Birmann 1859 heiratete. Sie gebar eine Tochter und führte ihm den Haushalt. Nach seinem Tod sammelte sie seine Schriften, ergänzte seine Lebenserinnerungen und veröffentlichte beides bescheiden unter ihren Initialen E.B. Sie starb 1927.