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Chloë Sevigny
Ein bisschen krass muss sein
© LUCAS JACKSON, PHOTOGRAPHER
Besonders sexy wirkt Chloë Sevigny, 32, wenn sie sich ein bisschen verschandelt. Aber in Dolce & Gabbana sieht sie natürlich auch gut aus
Von Oliver Fuchs
Sie ist jung, schön und glamourös. Trotzdem hat sich die Schauspielerin
Chloë Sevigny auf kaputte Charaktere spezialisiert.
Filmküsse sind meist eine gesittete
Angelegenheit. Augenlider senken
sich, Lippen verschmelzen, dazu wird
symphonisch gegeigt. Der Kuss, der Chloë
Sevigny bekannt machte, ist dagegen ziemlich
krass. Zwei Münder in Großaufnahme,
Saugen, Schlabbern, Schmatzen, endlos
lang. Es geht um Lust und Gier und, ja,
verdammt noch mal, auch um Macht. Aus
dem Zungenduell geht Sevigny, die Zerbrechliche
mit der Pergamenthaut, ganz
klar als Siegerin hervor.
Larry Clarks Film "Kids" von 1995
bleibt vor allem durch diesen Brachialkuss
in Erinnerung. Und durch eine Handvoll
anderer Szenen mit Sevigny. Die war damals
19 und spielte eine 14-Jährige, die
sich erst mit Aids infiziert und dann im
Partydrogenrausch vergewaltigt wird. Sie
schlurft durchs nächtliche New York, mit
hängenden Schultern und gesenktem
Blick. Ein trauriger Racheengel auf der Suche
nach Erlösung. Andere Schauspielerinnen
starten ihre Karriere eher mit einem
Auftritt beim Mickey Mouse Club.
Bei ihr folgen weitere Elendsrollen:
Cracksüchtige, geschlechtskranke Disco-Abenteurerin, vom schizophrenen
Bruder geschwängertes Mädchen.
Maximal kaputte Charaktere in ausweglosen
Situationen zu geben
macht ihr offenbar Spaß. Nur konsequent
also, dass sie jetzt auch in dem
düsteren Serienkiller-Thriller "Zodiac"
mitspielt. Wenn auch nur in einer
Nebenrolle, als bebrillte, leicht
verhuschte Ehefrau.
Wobei man sagen muss, dass
Chloë Sevigny immer dann besonders
sexy ist, wenn sie ihren angeborenen
Glamour herunterdimmt und
sich ein bisschen verschandelt. Wie
als Sekretärin im mausgrauen Kostüm
in "American Psycho" - fabelhaft
sah sie da aus.
Aufgewachsen ist Sevigny in der
heilen Welt einer Kleinstadt in Connecticut
als Kind wohlhabender Eltern
- alles deutet zunächst tatsächlich
eher in
Richtung Mickey
Mouse
Club. Woher
sie ihr besonderes
Einfühlungsvermögen
in Gestörte
und
Gestrandete
nimmt, bleibt
jedenfalls ihr
Geheimnis.
Mit 17
zieht sie nach
New York,
hängt mit
Punks und
Skatern herum, arbeitet für
ein Modemagazin. Sevigny
ist von Geburt an geschmackssicher
und ungeheuer
stilbewusst. Sie sieht keine Veranlassung, den
Stil der Großstadtjugend zu kopieren. Lieber wartet
sie, bis die ihren Stil kopiert. Bald würdigt auch das
Intelligenzblatt "New Yorker" Sevigny in einem siebenseitigen
Essay als "coolstes Mädchen der Welt".
Über zwanzig Filme hat sie gedreht, alles künstlerisch
ehrgeizige Independent-Produktionen. "Ich
hätte auch in Titanic‘ spielen können", sagt sie.
"Aber damals konnte ich diese schwachsinnigen Dialoge
einfach nicht ertragen." Heute immerhin
träumt sie von einer Rolle in einem Blockbuster wie
"Spiderman". Irgendwas Normales, Nettes, Nichtgestörtes.
Auf die Kuss-Szene freuen wir uns jetzt schon.
Vorsicht, Spiderman! Das wird ein harter Kampf.
Artikel vom 10. Juni 2007
Artikel-URL: http://www.stern.de/unterhaltung/film/:Chlo%EB-Sevigny-Ein/590578.html
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