Felsbilder der Sahara PDF Drucken E-Mail
Die Felsbilder sind hauptsächlich in den Gebirgen der Sahara und der nördlichen Randgebiete verbreitet. Hier eine Einleitung ins Thema mit Bemerkungen zur Datierung und Interpretation und zu den Darstellungstechniken der Felsbildkunst.

Zeitliche Einordnung

Auch (bzw. gerade) bei den Felsbildern ist eine absolute Datierung äusserst schwierig und mit grossen Unsicherheiten behaftet. Die Felsbilder der Zentralsahara möchte ich, Mari und Kuper folgend, in folgende Epochen einteilen:
 
      • Jägerperiode ? - 7 000 (?) 
      • Rundkopfperiode 7 000 - 6 000 (?) 
      • Rinderperiode 6 000 - 1 500 
      • Pferdeperiode 1 500 - 0 
      • Kamelperiode nach Chr.

Besonders umstritten ist die Datierung der beiden ältesten Perioden. Es gibt viele Prähistoriker, die den Beginn der Felsbildkunst mit dem Beginn des Neolithikums in Zusammenhang bringen, also annehmen, dass die ältesten Bilder nicht vor 7000 entstanden sind. Muzzolini geht sogar soweit, die ersten beiden Perioden nicht als eigenständig zu betrachten, und ordnet sie der Rinderperiode zu. Dieser Meinung möchte ich mich nicht anschliessen, denn es unterscheiden sich die Bilder der drei Perioden sowohl in der Art der Darstellung als auch in den dargestellten Themen so stark, dass ich nicht von ein und denselben Urhebern ausgehen würde. Auch das Vorkommen zweier gleichzeitiger Kulturen auf so engem Raum (die Bilder der drei Perioden kommen nah benachbart vor) ist meiner Meinung nach sehr unwahrscheinlich. Im übrigen deuten schon die Bildinhalte auf sehr unterschiedliche klimatische Bedingungen und damit sehr lange auseinander liegende Zeitperioden hin. 

Eine feinere Datierung erfolgt mit Hilfe der relativen Chronologie, also dem Vergleich verschiedener Bilder untereinander unter den Gesichtspunkten: Darstellungsgegenstand und -technik, Dimension der Darstellung, stilistische Merkmale, Oberlagerung von Felsbildern und Erosionserscheinungen (Patina).

Dieser Methode sind natürlich Grenzen gesetzt, vor allem beim Vergleich räumlich getrennter Bilder können zeitliche oft schlecht von lokalen Differenzierungen unterschieden werden.

Darstellungstechniken

Man kennt zwei grundsätzlich verschiedene Techniken: Gravierungen und Malereien. Beide Techniken schliessen sich anscheinend aus und sind vielleicht ein kulturtypisches Merkmal, denn man kennt fast keine Stellen, an denen beide Techniken vorkommen.

Gravierungen

Bei der Gravur unterscheidet man wiederum zwei Methoden: den glatten, gezogenen Strich und den rauhen, geschlagenen Strich, der dann sekundär durch Schleifen der Linie geglättet sein kann.

Viele Gravuren zeigen den dargestellten Gegenstand nur im Umriss, es kommen aber auch Bearbeitungen der Innenfläche vor, die linear oder flächig ausgestaltet sein können. Diese Strukturen stellen entweder reale charakteristische Merkmale dar (Falten, Fellzeichnung) oder auch nur geometrische Formen unbekannter Funktion. Ob die Strukturen geschlagen oder gezogen werden, hängt wohl mehr vom Gestein ab und ist kein kulturspezifisches Merkmal.

Malerei

Während man Gravuren meist an freien Felsflächen findet, sind Malereien fast ausschliesslich unter Felsüberhängen, den sog. Abris. Es ist jedoch nicht bekannt, ob dies ein sekundäres, durch die Erhaltungsbedingungen hervorgerufenes Merkmal ist, oder ob die Malereien von vornherein an geschützten Plätzen angelegt wurden. Ersteres erscheint mir wahrscheinlicher, da wir Stellen gesehen haben, an denen Felsmalereien, die an ungeschützten Stellen angebracht waren, fast verschwunden sind. Bei den Malereien unterscheidet man zwischen monochromen und polychromen, linearen und flächigen Darstellungsformen und Mischtechniken davon.

In der Blütezeit der polychromen Malerei bleiben die Malereien flächig (also nicht plastisch), die Farben überschneiden sich nicht, und die Darstellung von Licht und Schatten und das Herausmodellieren von Details durch Farbnuancen sind unbekannt. Die perspektivische Darstellung sich überschneidender Gegenstände wird beherrscht.

Als Farben finden in der Natur vorhandene Pigmente Verwendung wie: Rot-, Gelb und Violettbraun, dann auch: Weiss, Gelb, Rot, seltener: grünliche und blaue Farbtöne. Schwarz wird selten benutzt. Bei Schwarz handelt es sich um Russ, bei Weiss um Gips oder Kalk. Die anderen Farben bestehen aus dem dort häufig vorkommenden Ocker, der mit eiweisshaltigen, leimartigen Substanzen gebunden wurde. Man vermutet hier Blut, Milch oder Knochenleim. Muzzolini nimmt auch Akaziengummi an.

Inhalt und Informationswert der Felsbilder

Die dargestellten Themen sind äusserst mannigfaltig. Neben geometrischen Formen und Mustern wie z.B. Spiralen, deren Funktion völlig im Dunkeln liegt, werden hauptsächlich Tiere und Menschen abgebildet.

Bei den Tieren kann man die jagbaren Tierarten der früheren Phasen und die Haustiere der späteren Phasen unterscheiden. Aus den grösstenteils bestimmbaren Tierarten lassen sich Rückschlüsse auf die im Gebiet vorhandene Fauna und teilweise auch auf die Bedeutung dieser Tiere für die Ernährung schliessen. Letzteres jedoch nur sehr bedingt, man beachte z.B., dass Schnecken, die ja eine grosse Bedeutung für die Ernährung hatten, nie dargestellt wurden.

Die Darstellung bestimmter Tierarten (z.B. Kamel) lässt Rückschlüsse auf das Alter eines Bildes zu, und die Häufung bestimmter Tierarten stellt die Basis für die Definition verschiedener Felsbildperioden dar.

Wesentlich mehr Information kann der Wissenschaftler aus den anthropomorphen Darstellungen ziehen. Sie sind hier als historische Quelle von unschätzbarem Wert: erfahren wir doch Näheres über Bekleidung, Bewaffnung und Behausung der Bevölkerung. Nur von Felsbildern kennen wir die Existenz von mit Pferden bespannten Wagen in der Sahara und das Vorkommen weisser und negroider Volksstämme im Tassili. Gerade in den Felsbildern der Rinderperiode des Tassili erfährt man eine ganze Menge von den ökonomischen und sozialen Strukturen früherer Kulturen:

Männer bei der Versorgung von Haustieren und bei der Jagd, Frauen bei häuslicher Tätigkeit (Arbeitsteilung!),Menschen im Gespräch und ruhend, Haartracht, Schmuck, Körperbemalung werden dargestellt. Die Hervorhebung bestimmter Figuren deuten auf eine soziale Differenzierung innerhalb der Gesellschaft hin.

Insgesamt liefert die positivistische Betrachtung der Felsbilder und deren Analyse Rückschlüsse auf die natürliche Umgebung, die kulturelle Ausprägung und die materielle Ausrüstung der frühen Saharavölker. Man muss diese Folgerungen freilich mit grosser Vorsicht ziehen, denn die Informationen, die aus den Felsbildern gewonnen werden können, sind nicht objektiv und repräsentativ. Die Urheber der Felsbilder haben ihre Umwelt nicht buchhalterisch festgehalten, sondern sie stellen natürlich nur eine Auswahl subjektiv für wichtig gehaltener Dinge und Handlungen dar, wobei das Interesse an bestimmten Dingen natürlich regional, zeitlich und kulturell wandelbar ist. Zur Illustration denke man sich einen zukünftigen Archäologen, der Kirchengemälde untersucht. Er würde aufgrund der häufigen Darstellung gekreuzigter, gesteinigter, auf dem Rost gebratener oder mit Pfeilen durchbohrter Menschen sicher eine sonderbare Vorstellung vom christlichen Glauben bekommen.

Sinn und Zweck der Bilder

Über die Motive, die die Menschen vor Jahrtausenden dazu bewogen haben, Felsen zu bemalen, lässt sich heute und vermutlich auch in Zukunft so gut wie nichts aussagen. Die Verknüpfung der Felsbilder mit kultisch-religiösen Vorstellungen (Jagdzauber), wie sie für die paläolithischen Höhlenmalereien in Frankreich und Spanien wahrscheinlich sind, ist zumindest für die späteren Perioden in der Sahara zweifelhaft. Werden hier doch zum Grossteil eindeutig Alltagsszenen dargestellt, denen ein kultischer Hintergrund ganz offensichtlich zu fehlen scheint. Die Darstellung banaler Alltagsszenen scheint doch eher ein künstlerisch-ästhetisches Bedürfnis zu befriedigen. Dafür würde auch sprechen, dass die Felsbilder zum Grossteil an Orten gefertigt wurden, die zumindest zweitweise als Wohn- und Arbeitsstätte dienten (Abris) und nicht wie die Höhlenmalereien des franko-iberischen Raums an sehr unzugänglichen Orten der Höhlen. Dagegen spricht jedoch die Beobachtung, dass vielfach Bilder übereinander angebracht wurden, obwohl an der gleichen Stelle genügend freier, geeigneter Raum zur Verfügung steht. Diese Tatsache deutet darauf hin, dass es weniger auf das Bild an sich, sondern eher auf den Prozess seiner Anfertigung ankam, was also eher auf einen kultischen Bezug hindeutet. Die Motivation könnte natürlich auch für die verschiedenen Epochen unterschiedlich gewesen sein. Allgemein lässt sich feststellen, dass die saharische Felsbildtradition eine Enwicklungstendenz von der realistischen Reproduktion zur gedanklichen Abstraktion, vom Bild zur bildschriftartigen Komposition (dem sog. Idiogramm) zeigt.
 
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