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Stand: 21. November 2006
Presse

Umweltrecht unter einem DachArtikel in Notizzettel legen.

Das neue Umweltgesetzbuch als Beitrag für mehr Modernität und Effizienz in der Umweltpolitik
(Artikel von Sigmar Gabriel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 21.11.2006, Nr. 271, S. 14)

Die Schaffung eines Umweltgesetzbuchs steht wieder ganz oben auf der umweltpolitischen Agenda. Unionsparteien und SPD haben im Koalitionsvertrag vereinbart, das deutsche Umweltrecht zu vereinfachen und in einem Umweltgesetzbuch zusammenzufassen. Das Bundesumweltministerium arbeitet derzeit mit Hochdruck an diesem zentralen umweltpolitischen Vorhaben. Unser Ziel ist es, noch in dieser Legislaturperiode ein Umweltgesetzbuch (UGB) zu verabschieden. Regelungen, die zur Zeit noch über viele Fachgesetze verstreut sind, werden dann unter einem Dach vereint. Das bestehende Umweltrecht soll allerdings nicht nur zusammengeführt, sondern - bei Wahrung anspruchsvoller Umweltstandards - zugleich vereinfacht und modernisiert werden. Damit - und das ist unser zweites Anliegen - leisten wir als Bundesumweltministerium auch einen wichtigen Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung, zum Bürokratieabbau und zur Investitionsförderung. Das kommt auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland zugute.

Lange Zeit war die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern ein Hindernis auf dem Weg zu einem Umweltgesetzbuch. Im Rahmen der im Juni 2006 beschlossenen Föderalismusreform haben Bund und Länder nun auch im Umweltschutz die Zuständigkeiten neu geregelt. Die entsprechenden Änderungen im Grundgesetz sind zum 1. September 2006 in Kraft getreten. Damit ist auch das Fundament für die Wiederaufnahme der Arbeiten am UGB gelegt. Diese Chance wollen wir nutzen.

Zentrales Anliegen des Gesetzbuchs wird es sein, die bestehenden umweltrechtlichen Verfahren für die Zulassung und Überwachung von Anlagen zu vereinfachen. Kernelement soll dabei die sogenannte integrierte Vorhabengenehmigung sein. Was bedeutet das? Während für die Zulassung von Industrieanlagen heute oft noch mehrere Genehmigungen eingeholt werden müssen (zum Beispiel eine Immissionsschutzgenehmigung und zusätzlich eine wasserrechtliche Genehmigung), soll es in Zukunft nur noch einer Genehmigung bedürfen, mit der in einem Zulassungsverfahren umfassend geprüft und sichergestellt wird, daß ein Vorhaben unter allen Umweltgesichtspunkten den Anforderungen entspricht.

Positive Folge: Die Verfahren können dadurch für alle Beteiligten weniger aufwendig, effizienter und unbürokratischer durchgeführt werden. Darüber hinaus wird das Umweltgesetzbuch dafür sorgen, daß das deutsche Umweltrecht mit den Entwicklungen des europäischen Umweltrechts Schritt hält und Deutschland auch künftig seine umweltpolitische Vorreiterrolle in Europa behaupten kann. Die Umweltgesetze des Bundes und der Länder sind im wesentlichen vor dreißig Jahre entstanden. Anlaß waren gravierende Umweltschäden wie etwa das Waldsterben, die Verschmutzung von Gewässern oder die Schädigung des Bodens durch industrielle und bergbauliche Altlasten. Darüber hinaus führten Unfälle wie etwa der Großbrand der Schweizer Firma Sandoz 1986 zu Maßnahmen des Gesetzgebers. Die entsprechenden Regelungen hatten in der Regel jeweils nur den Schutz einzelner Umweltgüter zum Ziel. Europäisches Umweltrecht ist dagegen umweltübergreifend ausgerichtet. Es schützt nicht nur bestimmte Teilgebiete der Umwelt - Luft, Wasser, Boden oder Naturhaushalt -, sondern betrachtet die Umwelt als ökologisches Gesamtgefüge.

In einem Umweltgesetzbuch kann diesem übergreifenden europäischen Ansatz des Umweltrechts besser Rechnung getragen werden. Deshalb wird es mit einem UGB leichter sein, neue europäische Richtlinien in deutsches Recht umzusetzen. Das spart Zeit und Aufwand.

Ein weiteres wichtiges Anliegen des UGB sind klare und überschaubare Regelungsstrukturen. Das Umweltrecht soll anwenderfreundlicher werden. Hiervon werden Unternehmen und Behörden gleichermaßen profitieren - und es hilft damit vor allem der Umwelt selbst. Die vielfältigen Umweltvorschriften des Bundes und der Länder sind in ihrer Gesamtheit heute selbst von Spezialisten kaum noch zu überblicken. Den Betroffenen erschwert dies in zunehmendem Maße die Orientierung und behindert zudem den Vollzug. Das UGB wird auch unter diesem Aspekt zu wesentlichen Vereinfachungen führen. Es wird so dazu beitragen, daß die umweltgesetzlichen Anforderungen besser wahrgenommen und eingehalten werden können.

Damit keine Mißverständnisse aufkommen: Es ist weder geplant noch daran gedacht, bestehende Umweltstandards abzusenken oder Abstriche von den Umweltzielen des geltenden deutschen Umweltrechts vorzunehmen. Denn erfahrungsgemäß sind es eben nicht die materiellen Umweltanforderungen, welche die Rechtsanwendung unübersichtlich machen, sondern die Vielzahl und mangelnde Transparenz der Vorschriften und Verfahren. Insofern wird in der Vereinfachung des Umweltrechtes der eigentliche Schwerpunkt der Neuregelung liegen.

Zeitliche Zielmarke der Bundesregierung ist es, das Umweltgesetzbuch bis 2009 fertigzustellen. Dieses Datum ist auch eine Konsequenz der Föderalismusreform. Der Bund hat durch diese Reform erheblich erweiterte Regelungsbefugnisse im Umweltbereich erhalten. Im Gegenzug ist dabei den Ländern die Möglichkeit eröffnet worden, auf bestimmten Regelungsfeldern, insbesondere im Wasser- und Naturschutzrecht, von Bundesvorschriften partiell abzuweichen. Übergangsvorschriften sehen allerdings vor, daß die Länder während dieser Legislaturperiode grundsätzlich noch keinen Gebrauch von ihren neuen Abweichungsbefugnissen machen dürfen.

Dieses umweltgesetzliche Moratorium ist denn auch als Appell des Verfassungsgebers an Bund und Länder zu verstehen, die Reformanstrengungen im Bereich des Umweltrechts während der nächsten drei Jahre auf das UGB zu konzentrieren und sich nicht in konkurrierenden Regelungsinitiativen zu verlieren.

Unser Ziel muß es daher sein, bis 2009 zusammen mit den Ländern und anderen wichtigen Akteuren überzeugende inhaltliche Lösungen zu entwickeln. Die Frage abweichender Ländervorschriften wird sich dann erst im Lichte des neuen UGB stellen. Ich bin mir allerdings sicher: Wenn es gelingt, im politischen Konsens mit den Ländern sachgerechte Regelungen zu finden, werden nachträgliche Abweichungen einzelner Bundesländer nur in Ausnahmefällen zu rechtfertigen und politisch durchzusetzen und zu vermitteln sein, etwa wenn es um die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten geht.

Keine Frage: Das Umweltgesetzbuch ist für alle Beteiligten eine politische Herausforderung von großer Bedeutung. Drei Jahre sind nicht viel für ein Projekt dieses Kalibers - wir stehen unter erheblichem Zeitdruck. Auch deshalb müssen wir mit Vernunft, Augenmaß und Realismus an dieses Vorhaben herangehen. Selbst bei größten Anstrengungen wird es nicht möglich sein, innerhalb der Zeitspanne bis 2009 ein alle Bereiche des Umweltrechts umfassendes UGB ins Werk zu setzen.

Daher werden wir schrittweise vorgehen: Rechtsmaterien, die noch in dieser Legislaturperiode unter das Dach des UGB gestellt werden, werden wir von solchen Regelungskomplexen abtrennen, die erst später "an Bord" genommen werden. Natürlich werden wir das deutsche Umweltrecht nicht von Grund auf neu erfinden, aber wir werden es auf ein übersichtliches gesetzliches Fundament stellen. Das UGB ist weder Selbstzweck noch Stilübung des Gesetzgebers. Und das heißt auch: Soweit sich bestehende Regelungen in der Praxis bewährt haben, können sie substantiell unverändert in das UGB übernommen werden.





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