Bericht im Magazin für Infrastruktur & Technologie
März 05
März 2005
Peter f.mayer
Energieplanung leicht gemacht

Die Liberalisierung der Märkte stellt Energieerzeuger und große Verbraucher bei der Planung und Beschaffung vor neue Herausforderungen. Die Wiener Firma IRM hat die Lösung dafür.

Eine Papierfabrik wie SCA Laakirchen hat einen Energieverbrauch wie eine Stadt mit 50.000 Einwohnern. Verständlich, dass das Preisniveau einen bedeutenden Einfluss auf Produktionskosten und Betriebsergebnis hat. Ein Großkonzern wie die deutsche Bayer AG verbraucht mit 7,5 TWh Pro Jahr sogar mehr Strom als das ganze Bundesland Kärnten, das nur 3,5 TWh benötigt.
Wie der Ölpreis schwanken auch die Preise anderer Primärenergieträger beträchtlich. Die Konsumenten der Sekundärprodukte Strom oder Papier erwarten sich aber halbwegs stabile Preise. Insbesondere bei Strom, Gas oder Fernwärme würden so wilde Schwankungen für den Konsumenten wie wir sie vom Öl kennen sofort die Politik auf den Plan rufen. Also heißt es Planen, Prognostizieren und für alle möglichen zukünftigen Szenarien entsprechende Reaktionen bereithalten.

Verbrauchsprognosen
Die Software von IRM (Integriertes Ressourcen Management AG) ermöglicht genaue Prognosen des zukünftigen Verbrauchs von Strom, Gas und Fernwärme. Auf Grund historischer Daten und äußerer Einflüsse wie Temperatur, Helligkeit und Wind lassen sich sehr exakte Vorhersagen des privaten Bedarfs machen. Diese Rechnung geht einige Jahre im Voraus und zwar stündlich. "Wir können sogar das Risikomanagement in 45.000 Zeitschritten durchführen und decken damit mehr als fünf Jahre im Stundenraster ab", erläutert IRM Vorstand Markus Seiser stolz
Kommt Wind auf, steigt sofort der Bedarf an Gas und Fernwärme, denn der Wind weht die Wärmekegel um Häuser weg, was erhöhte Heizleistung zur Folge hat. Langfristig gehen somit die Klimadaten einer Region in die Planung ein und kurzfristig lässt sich die Wetterprognose in Energiebedarf umrechnen.

Optimale Lastdeckung
Auf die Bedarfsprognose folgt im nächsten Schritt eine Deckungsplanung. iOPT, so heißt das Softwarewerkzeug von IRM, kann dafür eine ganze Reihe von Szenarien berechnen, die auf unterschiedlichen Preisen für die verschiedenen Energiearten beruhen. Energieversorger planen damit mittelfristig auch die Abschaltung eigener Kraftwerke für Revisionen und den Einkauf von nur langsam transportierbaren Trägern wie Kohle. Auf Basis dieser Szenarien trifft das Management seine Entscheidungen.
Kurzfristig wird entschieden welches Kraftwerk wann angefahren werden soll und welche und wie viel Energie auf welchem Markt gekauft werden soll. Für Österreich gibt es zwei relevante Energiebörsen: die EXAA (Energy Exchange Alpe Adria) und die EEX (European Energy Exchange), wobei letztere zehnmal mehr Mitglieder hat.
Bei der Optimierung der Lastdeckung gibt es zwei grundsätzliche Richtungen: Minimierung der Kosten oder Maximierung des Gewinns. Ersteres wird vor allem für größere Energieverbraucher das Ziel sein, letzteres wird eher beim Energieversorger eine Rolle spielen. Die zwangsläufige Folge ist dann, dass man in den Handel mit Energieverträgen einsteigt. So rekrutieren sich die Kunden von IRM sowohl aus Verbrauchern und Erzeugern, wobei die Einstiegsschwelle vom Energiewirtschaftler Seiser bei etwa 300 GWh Jahresverbrauch gesehen wird.

Kauf und Trading
Mit iOPT können die IRM Kunden verschiedene Energiesorten kaufen. Während Strom wegen seiner sehr eindeutigen physikalischen Beschaffenheit recht einfach zu handhaben ist, gibt es bei Gas unterschiedlichste Qualitäten und Methoden der Mengenmessung (Kubikmeter, Giga Joule, KWh oder so genannte Standard-Kubikmeter). Ein Energieversorger wie die BEWAG, die seit einem Jahr iOPT im Einsatz hat, wickelt über iOPT etwa 40 bis 50 Kontrakte im Jahr ab. Eingekauft wird nur zur Bedarfsdeckung und natürlich ist der Einkauf von Emissionszertifikaten ein Thema. Für Johannes Paeck, stellvertretender Abteilungsleiter für Stromeinkauf, liegt "die wichtigste Bedeutung von iOPT in der Reduzierung unseres Risikos". Bei Preisschwankungen auf den Spotmärkten um den Faktor 30 innerhalb eines Jahres eine sehr relevante Funktion.
Ein großer Schweizer Kunde der IRM hatte früher etwa 200 Verträge im Jahr. In der Zwischenzeit ist diese Zahl auf 2000 bis 2500 Verträge pro Monat gewachsen, Tendenz weiter steigend. Das Wachstum liegt darin begründet, dass einerseits die Laufzeit der Verträge wesentlich kürzer geworden ist und andererseits nicht nur für den Eigenbedarf gekauft wird, sondern auch gehandelt wird. Auch die steirische Steweag-Steg nützt iOPT für Tradingzwecke. Den Optimierungsteil hatte man, so der Leiter der Software Entwicklung Alois Stadler, von 1997 bis 2002 im Einsatz und anfänglich sogar die Entwicklung gemeinsam mit IBM unterstützt. Seit der Übergabe der Kraftwerke an die AHP (Austrian Hydrogen Power) und ATP (Austrian Thermal Power) wird dieser Programmzweig aber nicht mehr benötigt.

Transport
Ist die Energie einmal gekauft, muss sie durch die europäischen Netze von der Quelle zum Verbraucher befördert werden. Die Buchung der Netzkapazitäten heißt in der Fachsprache der Energiewirtschaft Fahrplanmanagement, das einen wesentlichen Teil von iOPT darstellt. "Das Fahrplanmanagement für Strom ist standardisiert und daher einfach. Recht komplex wird es aber beim Gas." umreißt IRMs Seiser die Aufgabenstellung. Die Buchung der Netzkapazität für Strom erfolgt in Zentraleuropa durch eine XML-Datei.
Gas wird nicht nur in unterschiedlichen Einheiten gemessen, sondern jedes Land hat auch noch ein eignes Format für die Bestellung der Netzkapazitäten. In einigen Fällen geschieht die Buchung sogar noch per Fax. Für die italienische ENI hatte IRM einige harte Nüsse zu knacken, kauft dieser Großkonzern doch Gas von Algerien bis Norwegen und der Transport geht durch jeweils einige Länder mit ganz unterschiedlichen Mengen- und Bestellsystemen - an der Grenze erfolgt etwa die Umwandlung von GigaJoule in Standard-Kubikmeter und das je nach Gassorte mit unterschiedlichen Umrechnungen.
Bewag und Steweag-Steg benötigen das Fahrplanmanagement mehrmals täglich. Die Steirer haben aber zusätzlich noch ein eigenes System zur Kontrolle und Absicherung im Einsatz. Der Zeithorizont für Fahrplanmanagement reicht bei einem Großkonzern wie ENI bei Gas sieben und bei Strom ein bis zwei Jahre in die Zukunft. Der Schweizer Energiekonzern wickelt 500 bis 900 Fahrpläne monatlich mit iOPT ab.

Planung
Mit iPlan hat IRM ein neues Tool geschaffen, das vor allem auf die Herausforderung des Handels mit Emissionszertifikaten eine Antwort geben soll. Die Zertifikate können schon in einigen Jahren ein beträchtlicher Engpass und damit Kosten bestimmender Faktor werden. iPLAN soll bei den Investitionsentscheidungen mithelfen. Es kann Szenarien über den Lebenszyklus eines Kraftwerkes, also einen Zeitraum von 30 Jahren im Voraus berechnen.
Die Variablen sind Energieverbrauch, die Entwicklung von Technologien, die Preise für Primärenergie, Emissionen und politische Einflüsse wie etwa die Förderung von Biomasse oder Wasserkraft. Das Ergebnis ist eine Modellierung der Bereitstellung und des Transportes sowie die Auswirkungen auf verschiedene Emissionen.

 

KÄSTEN:

ÜBER IRM
Die IRM AG existiert seit 1999 und entwickelte sich zu einem der führenden Lösungsanbieter in ganz Europa mit mehr als 20 Referenzen in neun europäischen Ländern und über 50 Mitarbeitern. Vorstand Markus Seiser beschreibt die IRM als eine Ansammlung von Naturwissenschaftlern und Energiewirtschaftern. Finanziert wurden die Entwicklungen der IRM von den Venture Fonds Global Equity Partner (GEP) und Attila Venture. Der Umsatz beträgt sechs Millionen Euro. Davon werden nur zehn Prozent in Österreich, aber mehr als die Hälfte in Deutschland und der Schweiz erzielt.
In den nächsten Jahren soll über Partner wie HP ein indirekter Vertrieb in Europa aufgezogen werden. Die Lizenz für die Software kostet zwischen 50.000 und 1,3 Millionen Euro. Die Höhe richtet sich nach der Zahl der Benutzer und der eingesetzten Module. Dazu kommen Kosten der Implementierung - das heißt Eingabe historischer Daten, Modelle der Kraftwerke sowie Anpassung des Systems an die Prozesse des Kunden.

Erfahrungen in Österreich
In Österreich wird iOPT unter anderem von der Bewag und der Steweag-Steg genutzt.
Die Bewag kauft damit Strom und Zertifikate, wickelt das Fahrplanmanagement ab und bewertet ihr Portfolio (zum Beispiel Berechnung des Wertes der offenen Positionen im nächsten Jahr). Fahrplanmanagement und Portfolioberechnung werden mehrmals täglich benötigt und durchgeführt. Etwa 40 bis 50 Kontrakte werden pro Jahr abgeschlossen. iOPT dient aber auch zur Vertriebsunterstützung indem die Einkaufspreise für Großkunden in verschiedenen Szenarien durchgerechnet werden. "Wir haben iOPT seit einem Jahr in Betrieb und sind sehr zufrieden damit. Besonders wichtig ist uns seine Funktion zur Risikominimierung." meint Johannes Paek, Abteilungsleiter-Stellvertreter des Stromeinkaufs.
Die Steweag-Steg hatte den Optimierungszweig von iOPT in den Jahren 1997 bis 2002 im Einsatz und hat zu Anfang auch die Entwicklung unterstützt. Nun kommt vor allem iOPT als Handelssystem aber auch für Fahrplanmanagement zum Einsatz. "Wir waren bei der Entwicklung von iOPT von Anfang an dabei", so Alois Schadler, Leiter der Software Entwicklung bei Steweag-Steg.