Es ist nicht leicht,    ein Held zu sein...

Eine Auseinandersetzung mit dem Kriegerdenkmal in Dülken
 
 
 

Wettbewerbsbeitrag des Kurses "Praktische Philosophie"
der Klassen 9d, 9e und 9f
der Anne-Frank-Gesamtschule Viersen

November 1997


 





Wir, der Praktische-Philosophie-Kurs der Klassen 9d, e und f, haben uns mit dem Krieger-Denkmal in Dülken beschäftigt. Nachdem uns unser Lehrer Herr Berens vorgeschlagen hatte, an dem Schülerwettbewerb mit dem Thema „Denkmal! Was soll das Denkmal?" teilzunehmen, haben wir erst einmal gesammelt, welche Denkmäler es in unserer Umgebung überhaupt gibt. Dann haben wir abgestimmt, über welches Denkmal wir berichten wollen. Der überwiegende Teil des Kurses entschied sich für das Krieger-Denkmal in Dülken, wahrscheinlich weil die dargestellte Siegfried-Figur uns irgendwie interessant erschien.
 
 

1. Das Denkmal

Sieht man im Lexikon unter dem Stichwort „Denkmal" nach, erfährt man, dass ein Denkmal theoretisch jedes Objekt sein kann, „das von der Kulturentwicklung Zeugnis ablegt" (Meyers Grosses Taschenlexikon). Meist soll es an eine Person oder an ein Ereignis erinnern. Die meisten Denkmäler in der Umgebung Viersens sind vor einigen Jahrzehnten aufgestellt worden und heute weiß man eigentlich garnicht mehr, an wen oder was sie erinnern sollen. Weil an dem Dülkener Denkmal, mit dem wir uns beschäftigt haben, keinerlei Inschrift zu finden ist und zunächst mal nicht klar war, wer die Figur eigentlich sein soll, haben wir als erstes bei der Stadt Viersen nachgefragt. Im Gebäude des Stadtarchivs gibt es auch ein Büro, das sich ausschließlich mit Denkmalpflege beschäftigt. Dort erhielten wir viele interessante Informationen.
Das Denkmal in Dülken, das 1934 von dem Bildhauer Willy Meller aus Bad Godesberg geschaffen wurde, steht vor der alten Stadtmauer in der Nähe des einzig erhaltenen Turmes, dem ehemaligen Gefangenenturm. Es wurde von der Stadt Dülken in Auftrag gegeben. Was einem zunächst überhaupt nicht auffällt, ist, dass zu dem Denkmal noch fünf Basaltsteine gehören, die hinter der Figur an der ehemaligen Stadtmauer stehen. Auf diesen Steinen sind 451 Namen von gefallenen Soldaten eingemeisselt worden. Auf dem rechteckigen Sockel aus Tuffstein steht ein Gestalt, die 3,80 Meter hoch ist. Sie soll den jungen Siegfried darstellen.
Weil unsere Schule ziemlich weit von dem Dülkener Denkmal entfernt ist, hat Herr Berens mit Mona und Ilker dort ein paar Diaaufnahmen von der Figur gemacht und sie später im Unterricht gezeigt. Wir haben erst mal gesammelt, welche Wirkung von der Figur ausgeht. Hier ein paar Stimmen:
„Siegfried wirkt sehr mächtig und zielstrebig. Er sieht so aus, als ob er einen Menschen wie ein Insekt zertreten kann" (Christian).
„Das Denkmal wirkt auf mich stolz, mutig und kraftvoll. Also es wirkt beeindruckend auf mich" (Hüseyin).
„Das Denkmal ist ein wenig angsteinflößend, da das Bild sehr kraftvoll wirkt. Siegfried wird hier sehr muskulös und kampfbereit dargestellt. Seine Muskeln sind sehr übertrieben abgebildet und auch seine nackten Füße, die kaum denen der Menschen ähneln, sind unrealistisch (Jasmin).
„Das Denkmal von Siegfried ist sehr ansehnlich. Wenn alle Kleinigkeiten an diesem Denkmal angeschaut werden, dann finde ich es total cool. Es ist zwar nicht ganz realistisch, aber es gefällt mir trotzdem" (André).
„Er wirkt sehr stark auf mich. Er sieht aus wie die Helden, die man jeden Tag im Fernsehen sehen kann, also gutaussehend und stark. Offenbar wurde der perfekte Held so früher dargestellt" (Mona).
„Auf den ersten Blick sieht es realistisch aus, ein paar Einzelheiten sind da, die beim näheren Hinsehen nicht so menschlich aussehen, z.B. die Füße. Die Hände sind auch im Vergleich zum Rest des Körpers viel zu groß" (Christa).
„Wenn er mir auf der Straße begegnen würde, würde ich mir in die Hose machen" (Thomas).
 
 


 




Sieht man sich den Siegrfried näher an, fallen noch ein paar interessante Sachen auf. Die Figur macht einen großen Schritt nach vorne, es sieht so aus, als wenn sie schnell laufen würde. Die Arme sind sind nach hinten gerichtet, sodaß die kräftige Brust aufgebläht erscheint. In der rechten Hand hält die Figur ein Schwert, das über einem merkwürdigen Steinsockel schwebt. Wie wir später erfuhren, handelt es sich um einen Amboß, auf dem das Schwert gerade fertiggestellt wurde. Das Schwert in der Hand macht deutlich, dass Siegfried gerade in den Kampf zieht. Die linke Hand ist zur Faust geballt und zeigt, dass der Held zu allem entschlossen ist. Der staare Blick und der gefühllose Gesichtsausdruck unterstreichen diesen Eindruck. Außerdem sehen die Haare so aus, als wenn sie nach hinten abstehen, vielleicht weil die Figur sich so schnell nach vorne bewegt.
Ausserdem lassen sich einige Beschädigungen feststellen: Auf dem Rücken der Figur sieht man einige Risse, die wohl irgendwann mal wieder zugemacht worden sind. Auf der rechten Seite der Figur sind blaue Lackstreifen zu sehen. Vermutlich hat jemand einen Farbtopf über die Figur geschüttet. Auf dem Sockel sind Reste verschiedener Graffittis zu erkennen, die allerdings jemand zum großen Teil wieder weggebürstet hat.
Das Denkmal wäre damit ausreichend beschrieben. Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Wer ist oder war Siegfried?
 

2. Siegfried

Sierfried war ein germanischer Sagenheld. Die Germanen waren viele einzelne Völker, die ursprünglich eine gemeinsame Sprache hatten, aus der sich die heutigen Sprachen wie z.B. deutsch, Holländisch, Dänisch usw. entwickelten. Die Germanen stammten aus dem heutigen Südskandinavien, aus Dänemark und Norddeutschland und sind im weiteren Sinne unsere Vorfahren, die vor mehr als 2000 Jahren Europa besiedelten. Die Sage von Siegfried stammt aber aus der Zeit um 1200 und entstammt dem „Nibelungenlied". Dieses Lied ist ein ziemlich langes Gedicht, aus dem der berühmte Komponist Richard Wagner auch eine Oper machte. Außerdem wurde seine Geschichte mehrfach verfilmt. Wie es der Zufall wollte, wurde ein Siegfried-Film aus Jugoslawien in zwei Teilen während unserer Arbeit im Fernsehen gezeigt.
Die Geschichte von Siegfried soll hier kurz erzählt werden. Eine Arbeitsgruppe hat sich eine ganze Zeit lang mit der Heldenfigur Siegfried beschäftigt.
Siegfried, der Königssohn von Niederland, hört von der Schönheit Kriemhilds und will sie für sich gewinnen, weshalb es ihn nach Worms an den Hof der Burgunder unter den Königen Gunther, Gernot und Giselher zieht.
König Gunther ist von der Ankunft des Fremden überrascht; Hagen von Tronje, sein Berater, erklärt ihm, wen er vor sich hat. Er berichtet von Siegfrieds Taten, den Kämpfen gegen Riesen, den Zwerg Alberich, dem geraubten Hort des Königs Nibelung, dem Schwert Balmung, der Tarnkappe, dem Drachenkampf, selbst von Siegfrieds Bad im Blut der Schlange weiß er. Man nimmt Siegfried als Gast am Hof zu Worms auf, gestattet ihm jedoch nicht, Kriemhild zu sehen. Erst nach einer Schlacht der Burgunder gegen die Dänen, die durch Siegfrieds Hilfe gewonnen wird, treffen die beiden aufeinander und verlieben sich.
König Gunther beschließt inzwischen, Brunhild, die Königin von Island zu heiraten. Doch diese Jungfrau besitzt übermenschliche Kräfte und will nur den Mann an ihrer Seite dulden, der sie im Wettkampf schlägt. Siegfried ist bereit, Gunther zu unterstützen; ihm wird für diesen Dienst Kriemhild versprochen.
In Island gibt sich Siegfried als Vasall König Gunthers aus, trotzdem erkennt Brunhild in ihm den wirklich Starken und begrüßt ihn zuerst. Ein wenig enttäuscht muß sie jedoch feststellen, daß nicht Siegfried der Werber ist, sondern König Gunther. Der Wettkampf beginnt, und mit Siegfrieds Hilfe gelingt es König Gunther, die nordische Königin zu schlagen.
Zurück in Worms heiraten die beiden Paare.
In der Hochzeitsnacht verweigert sich Brunhild dem König - sie fesselt den König und hängt ihn an einen Nagel in der Wand. Wiederum muß Siegfried Gunther helfen. In der folgenden Nacht ringt er die Widerspenstige unter seiner Tarnkappe nieder, Gunther kann endlich die Ehe vollziehen. Siegfried raubt ihr Ring und Gürtel als Trophäen seines Sieges und geht. Nach der vierzehntägigen Feier zieht Siegfried mit seiner neuen Gattin nach Xanten, seiner Heimatstadt, wo ihm sein Vater die Königswürde überträgt.
Die zornige Brunhild veranlaßt ihren Gatten, Siegfried und Kriemhild zu einem Fest einzuladen. Beim Kirchgang erklärt Kriemhild, daß es Siegfried war, der als erster mit Brunhilde geschlafen hatte; als Beweis zeigt sie Brunhild den Ring und den Gürtel. Der Berater des Königs, Hagen, sieht in Siegfried eine Gefahr für das Ansehen der Königsfamilie und er überzeugt Gunther davon, daß man sich Siegfrieds entledigen müsse. Hagen überlistet Kriemhild und erfährt durch sie die verwundbare Stelle auf Siegfrieds Rücken. Denn das Blut des Drachen hatte seinen ganzen Körper unverwundbar gemacht, bis auf eine Stelle zwischen den Schulterblättern, an der beim Bad ein Lindenblatt gehaftet hatte. Bei einer Jagd ermordet Hagen den ahnungslosen Helden hinterrücks.
Kriemhild ist klar, wer der Täter ist, und sie schwört Rache. Mit dem Hort kauft sie Soldaten und Krieger. Die Bedrohung für die Burgunder wird immer größer. Mit Einwilligung der Brüder raubt Hagen den Hort und versenkt ihn im Rhein.
Nachdem wir die Geschichte gelesen hatten, haben wir kurz über die einzelnen Hauptpersonen der Sage gesprochen und uns vor allem über die Siegfried Gedanken gemacht. Einserseits ist Siegfried ein heldenhafter, schlauer und vertrauenswürdiger Typ, andererseits ist seine Hilfe für Gunther unfair und gemein. Immerhin hilft er ihm, Brunhild zu vergewaltigen. Außerdem konnten wir nicht ganz klären, ob Siegfried als Mensch zu sehen ist oder ob er durch seine übermenschlichen Fähigkeiten nicht eher so etwas wie ein Gott ist.
 

3. Helden

Nachdem wir uns mit dem Helden Siegfried näher beschäftigt hatten, kam die Frage auf, ob es heute auch noch Helden gibt. Auf die Frage „Wer ist für Dich persönlich heute ein Held?" kamen ganz unterschiedliche Antworten, von denen hier einige vorgestellt werden sollen:
„Prinzessin Diana war bis zu ihrem Tod vorletzte Woche eine Heldin für die ganze Menschheit. Sie setzte sich für die Menschen ein und besonders gegen Tretminen. Sie wurde von jedem gemocht und respektiert und dies auch heute noch" (Selma).
„Für mich gibt es keine Helden!!! Held ist für mich nicht definierbar. Ein Held wäre vielleicht ein Gott, aber ich glaube nicht an Götter. Viele Menschen stellen sich Helden vielleicht groß und mächtig vor, jemand der perfekt ist. Es gibt keinen perfekten Menschen. Deshalb gibt es keine Helden." (Udo)
„Mutter Theresa war und ist eine Heldin. Sie starb vorletzte Woche. Sie hat Leuten in Hungersnot geholfen und Kinderdörfer aufgebaut. Sie hatte ein großes Herz für Menschen in Not. Sie tat nichts für Geld, ihre Bezahlung waren die glücklichen Menschen." (Aylin)
„Eigentlich kann jeder ein Held sein, da jeder, aber auch jeder einzelne mit seiner Arbeit einen wertvollen Beitrag zu unserem Leben leisten kann. Jeder, sogar Leute, die so doof sind wie D. und andere zum Lachen bringen können. Denn mit seinem Erscheinungsbild gibt er mir immer wieder ein abschreckendes Beispiel. Was ich damit sagen will, ist, daß wir nicht nur Helden brauchen, sondern auch Antihelden." (Faried)
„Berti Vogts ist ein Held, weil er fast die Deutsche Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft in Frankreich gebracht hat. Er ist ein guter Bundestrainer." (André)
„Ich finde, dass Soldaten Helden sind. Sie sind es nämlich, die in die Kriege ziehen, sie gewinnen oder getötet werden. Wer hat eigentlich einen Krieg gewonnen ? Das jeweilige Volk natürlich. Aber werden dann die getöteten Soldaten genannt ? Die Soldaten sind für mich nicht deshalb Helden, weil sie töten, umbringen und morden. Sie sind für mich Helden, weil sie für ihr Vaterland kämpfen und eigentlich nur ihren Job tun." (David)
„Mein Held ist Albert Einstein. Er hat viele Sachen erfunden und einiges über physikalische Gesetze herausgefunden." (Martin)
„Helden sind ausgestorben. Weil sich heutzutage jeder um seine eigenen Probleme kümmert. Die Menschen entwickeln sich zu blinden, feigen, ichbezogenen Personen. Mann kann auf der Straße jemanden totschalgen, ohne dass irgendein Passant Hilfe herbeiholt. Helden gehören in die Kirche oder in Geschichtsbücher, für Leute, die etwas brauchen, woran sie sich klammern können. Oder für kleine Kinder zum Träumen." (Angelo)
 

4. Jugend im Nationalsozialismus

Nachdem wir die Fragen nach Siegfried und nach heutigen Helden geklärt hatten, kam immer mehr die Frage auf, warum das Denkmal überhaupt aufgestellt wurde. Um das bantworten zu können, muss man sich natürlich mit der damaligen Zeit beschäftigen. Wie wir im Stadtarchiv erfahren hatten, wurde die Siegfried-Figur 1934 aufgestellt. Wie muß man sich diese Zeit vorstellen ?
Wir haben im Unterricht dazu viele Fragen gestellt. 1934 war die Zeit der Nationalsozialisten. Adolf Hitler hatte schon 1933 die Macht übernommen und war dabei, in Deutschland alles nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Herr Berens hat uns dazu einige Texte gegeben. Besonders deutlich wird dieser Abschnitt der deutschen Geschichte, der immerhin bis 1945 dauerte, wenn man sich z.B. Hitlers Meinung zur Jugenderziehung anguckt:
„Meine Pädagogik ist hart. Das Schwache muß weggehämmert werden. In meinen Or-densburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird. Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich. Jugend muß das alles sein. Schmerzen muß sie ertragen. Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein. Das freie, herrliche Raubtier muß erst wieder aus ihren Augen blitzen. Stark und schön will ich meine Jugend. (...)
Ich will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen verderbe ich mir die Jugend. Am liebsten ließe ich sie nur das lernen, was sie ihrem Spieltriebe folgend sich freiwillig aneignen. Aber Beherrschung müssen sie lernen. Sie sollen mir in den schwierigsten Proben die Todesfurcht besiegen lernen. Das ist die Stufe der heroischen Jugend.
(...) Das Ziel der weiblichen Erziehung hat unverrückbar die kommende Mutter zu sein."
Auch der Bericht eines Zeitzeugen (K.-H. Janßen) über den Ordnungsdienst im Jungvolk macht deutlich, wie die Jugendlichen früher erzogen wurden:
„Ich habe beklemmende Erinnerungen an die Zeit im Jungvolk. In unserem Fähnlein (et-wa 120 Mann) bestanden die Jungvolkstun-den fast nur aus Ordnungsdienst, das heißt, aus sturem militärischem Drill. Auch wenn Sport oder Schießen auf dem Plan standen, gab es erst immer „Ordnungsdienst": endloses Exerzieren mit „Stillgestanden", „Rührt Euch", „Links um", „Rechts um", „Ganze Abteilung - kehrt" - Kommandos, die ich heute noch im Schlaf beherrsche.
(...) Zwölfjährige Hordenführer brüllten zehnjährige Pimpfe zusammen und jagten sie kreuz und quer über Schulhöfe, Wiesen und Sturzäcker. Die kleinsten Aufsässigkeiten, die harmlosesten Mängel an der Uniform, die geringste Verspätung wurden sogleich mit Strafexerzieren geahndet.
Aber die Schikane hatte Methode: Uns wurde von Kindesbeinen an Härte und blinder Gehorsam eingedrillt."
Auch der Begriff Nationalsozialismus muß an dieser Stelle kurz erklärt werden: Die politische Bewegung um Adolf Hitler ging von der Überlegenheit der nordischen (bzw. germanischen, „arischen") Rasse aus. Bei dem Wort „Rasse" ging man davon aus, dass ein Volk nicht nur geminsame Vorfahren hat, sondern auch eine Urheimat und Ureigenschaften. Dabei vergaß man, daß sich die europäischen Völker über die Jahrhunderte hinweg mehrfach miteinander vermischt hatten und es insofern keine rein germanischen Vorfahren geben konnte. Außerdem war man der Überzeugung, daß das Judentum eine Rasse sei, obwohl es vielmehr eine Weltreligion ist. Die Eigenschaften der „arischen Rasse" wurden natürlich als die besten und hochwertigsten angesehen. Aus diesem Grund forderte der Nationalsozialismus die Niederzwingung oder Vernichtung aller anderen „Rassen" und darüber hinaus auch aller andersdenkenden Menschen. Es gab offiziell nur eine politische Meinung, die in erster Linie von Adolf Hitler vorgegeben wurde. Der zweite Weltkrieg war das Ergebnis der Politik Hitlers. Durch den Krieg wurden 55 Millionen Menschen auf der ganzen Welt getötet, und zwar nicht nur Soldaten, sondern auch eine große Anzahl von Zivilpersonen. Allein in den von den Nationalsozialisten errichteten Vernichtungslagern wurden ungefähr 6,5 Millionen wehrlose Menschen - meist jüdischen Glaubens -getötet. Große Teile der Welt wurden verwüstet. Flucht, Verschleppung und Vertreibung ganzer Volksteile forderten weitere unzählige Menschenopfer.
 

5. Die Brücke

Wir haben uns in diesem Zusammenhang auch den Film „Die Brücke" angeguckt. In dem Film geht es um einige Jungen, die kurz vor Kriegsende noch eingezogen werden, obwohl sie noch viel zu jung sind. Ein unglücklicher Zufall führt dazu, dass die Jungen meine, sie müßten eine bedeutungslose Brücke gegen die Amerikaner verteidigen. Dabei kommen fast alle Jungen nach einem Kampf mit angreifenden Panzern um. Wir haben überlegt, wer in dem Film eigentlich der Held ist. Dabei sind wieder ganz unterschiedliche Ergebnisse herausgekommen:
„Der mit der Panzerfaust ist in diesem Film der Held, weil er, als er die Brücke verteidigte, die Nerven behielt und weil er nicht ausflippte oder einen Schock bekam.
Nein, er ist ein Held, weil er, nachdem er den ersten Panzer mit einer Panzerfaust zerstört hatte, sich zu dem nächsten Panzer vorarbeitete.
Er kroch durch den Dreck, versteckte sich hinter Fässern und wartete, bis er von seinen Kameraden Feuerschutz bekam. Dann kroch er zu einem Haus, hinter dem sich der zweite Panzer versteckte.
Er kroch in das Haus, wo sich aber auch feindliche Soldaten versteckten und seine Kameraden unter Beschuß nahmen.
Als er im Haus ankam, schlich er sich in ein Zimmer und wartete, bis der Panzer vorbei fuhr. Auf einmal kam der Hausbesitzer und wollte ihn überreden, zu gehen, aber er hörte nicht darauf und schoß den Panzer ab. Der Hausbesitzer stand währenddesssen hinter der Panzerfaust, bekam den Rückstoß ab und starb.
Da kam ein feindlicher Soldat. Plötzlich flog der Panzer in die Luft und er und der Soldat waren tot.
Deshalb finde ich, ist er der Held, weil er die Nerven behielt und seine Freunde rettete und dann selber starb. Aber eigentlich sind alle Helden, weil sie die Brücke bis zum letzten Mann verteidigten." (Robert)
„Ich habe lange nachgedacht und überlegt, ob nicht die Menschen Helden sind, diefür ihr Land kämpfen und sogar für ihr Land bereit sind, zu sterben. Sie bekämpfen die bösen Menschen, die in ihr Land eindringen wollen. Und genauso denken die anderen. Sie sehen die anderen als böse an und bekämpfen sie bis auf den letzen Bluttropfen. Sie fragen sich nicht einmal, warum sie sich bekämpfen, sie tun es einfach. (...)
Nein, das sind keine Helden. Das sind für mich Menschen, die sich wie Roboter von anderen Menschen kontrollieren lassen. Das sind Roboter, die keine Gefühle mehr haben und keinen Funken Grips haben, daß sie allein entscheiden könnten, ob es richtig ist, in den scheiß Krieg zu ziehen, ihre Familien allein zu lassen und sich töten zu lassen, nur damit irgendwelche Leute mit ihren fetten Hintern und ihren dicken Bäuchen zufrieden sind (...).
Was sind das für Helden, die durch ihr Rumgeschieße Müttern die Söhne wegnehmen, Säuglinge die Mutter und sich gegenseitig die Familien ? Für mich können solche Menschen niemals Helden sein. (...)
Die Jungen, die im Film in den Krieg gezogen sind, können für mich gar nicht diese falschen Helden darstellen, weil sie nicht mal gut und böse auseinanderhalten können. Obwohl es keinen Bösen gibt, sondern nur dumme Menschen und davon anscheinend reichlich viele. Für mich sind die Menschen Helden, die sich bemühen, so etwas zu stoppen." (Mona)
 

6. Die Einweihungsfeier

Das Kriegerdenkmal in Dülken wurde am 21. Oktober 1997 enthüllt. Es sollte an die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkrieges erinnern, der von 1914 bis 1918 dauerte. Auch in diesem Krieg war Deutschland schon das machthungrigste Land gewesen. Weil sich immer mehr Länder gegen Deutschland verbündeten, mußte es schließlich einen Waffenstillstand schließen. In allen beteiligten Ländern mußten 8,5 Millionen Menschen sterben, 21 Millionen wurden verwundet. 16 Jahre nach Ende des Krieges wurde also die Siegfried-Figur als Erinnerung an die gefallenen deutschen Soldaten aufgestellt.
Im Stadtarchiv fanden wir zwei Zeitungsartikel vom 22.10.34, die über die Einweihungsfeier des Denkmals berichten.
„Eine zahlreiche Menschenmenge hatte sich eingefunden, die dieser Einleitung der Feierlichkeiten beiwohnte. Unter Anführung der Tambourkorps rückten zur festgesetzten Zeit die Kolonnen der SA, SS und Hitlerjugend an, um die Wache antreten zu lassen. Je zwei Leute aus jeder Formation standen an den vier Ecken des großen Rasenfeldes, zwei Hitler-Jungen zu Füßen der Siegfried-Figur. Scheinwerfer warfen vom Realgymnasium aus ihr starkes Licht auf die Denkmalsanlage und hoben die Figur des jungen Krigers scharf aus dem Dunkel der Nacht. Auf dem planierten Gelände rechts von der Anlage war eine geräumige Tribüne erbaut, hinter der sich eine riesige, wohl 10 Meter hohe Schmuckwand erhob, die im Mittelfelde drei riesenlange Hakenkreuzfahnen trug. Am Rathaus selbst flammte bei Einbruch der Dunkelheit das Hakenkreuz auf."
In der Rede des Bürgermeisters wird deutlich, warum das Denkmal aufgestellt wurde:
„Dem geistigen Wirken unseres Führers verdankt auch unsere Stadt das Ehrenmal, das der Größe der Opfer unserer Gefallenen würdig ist. So wie unsere Gefallenen wie eine Mauer in Nord und Süd, in Ost und West die Heimat vor den Schrecknissen des Weltkrieges bewahrten, so sollen sie fortleben in unserem Gedächtnis. Deshalb haben wir ihre Namen in den schlichten, grauen Basalt unserer rheinischen Heimat gemeißelt und haben sie vor unsere alte Stadtmauer gestellt, schützend, zum Zeichen, daß ihr Opfer nicht vergebens war, daß aus ihrem Blute heute die Saat aufgeht, die sie gesät haben. Deshalb tritt als Symbol des Deutschtums der junge Siegfried aus ihren Reihen, kraftvoll und stark. Er soll uns daran erinnern, daß wir heute mehr denn je alle unsere Pflicht Volk und Vaterland gegenüber tun müssen."
Als Gastredner wandte sich später Prinz August Wilhelm an das Publikum. Er sagte unter anderem:
„Gewiß wird es wieder Menschen geben, die da sagen, man hätte ein anderes Symbol hier aufrichten sollen, als die Gestalt dieses Heldenjünglings Siegfried. Das kann uns nicht anfechten. Er hat das ja in der Hand, was zerbrochen wurde durch Feigheit und Hinterlist in der Heimat und hat es neu geschmiedet und will es vorantragen einem neuen Deutschland."
Der Zeitungsartikel beschreibt weiterhin in allen Einzelheiten die folgenden Feierlichkeiten, z.B. die Kranzniederlegung.
Die Einweihung des Siegfried-Denkmals, das eigentlich zum Gedenken an die gefallenen Soldaten aufgestellt werden sollte, wirkt dabei eher wie eine Feier für die Nationalsozialisten. Hunderte von Soldaten stellten sich auf, um die Stärke des Deutschen Reiches zu demonstrieren. Die nationalsozialistischen Organisatoren nahmen die Gelegenheit wahr, den Glauben der Bevölkerung in ihre politik zu stärken. Sie stellten die Opfer des 1. Weltkrieges nicht so sehr als zu beklagenden Trauerfall dar, sondern als Beispiel von Heldentum und festen Glauben an das Vaterland. Sicherlich ist es aus heutiger Sicht schwer zu sagen, ob bei den Anwesenden wirkliche Trauer oder die geschickte Propaganda für die Ziele der Nazis überwog.
 

7. Volkstrauertag

Am 16.11.97 wurde am Volkstrauertag in Dülken der gefallenen Soldaten gedacht. Inzwischen dient das Kriegerdenkmal der Erinnerung an die Toten beider Weltkriege. Das Siegfried-Denkmal steht immer noch und ist Mittelpunkt der Trauerfeier. Sebastian hat sich die Veranstaltung angeguckt:
„Zum Anlaß der Kranzniederlegung hingen die Fahnen der BRD, Italiens und der Stadt Viersen auf Halbmast. Außerdem brannte vor dem Denkmal ein Feuer. Viele verschiedene Gruppen wohnten dem Ereignis bei, unter anderem die Deutsche Bundeswehr, die Feuerwehr und die Schützenvereine der Stadt mit ihren Fahnenabordnungen. Zwei Redner gedachten der Gefallenen in beiden Weltkriegen, der toten im In- und Ausland. Dabei sprachen sie auch über den Rassenhass und Völkermord der Nationalsozialisten. Zwischendurch sang der Chor „Liedertafel Dülken". Nun gingen die Gruppen zum Denkmal und legten ihre Kränze nieder. Anschließend spielte ein Trompeter und man sang die Deutsche Nationalhymne. Am Rande dieses Ereignisses fand eine Demonstration der Jusos statt. Sie demonstrierten gegen die Kranzniederlegung an einem Nazi-Denkmal."
Über diesen Vorfall wurde auch in der Viersener Presse berichtet. Aus den Artikeln geht hervor, daß die Jusos es für einen Fehler halten, die Gedenkfeier gerade an einem Ort zu veranstalten, der Soldatentum und Heldentum glorifiziert. Bisher nahm von den Dülkener Politikern niemand Stellung zu diesem Thema.
 

8. Umfrage

Uns interessierte, was die Dülkener Bevölkerung von dem Siegfried-Denkmal wirklich hält. Dazu haben wir einen Umfragebogen vorbereitet und befragten auf der Dülkener Fußgängerzone 39 Passanten nach ihrer Einschätzung. Dabei kamen wir zu einigen interessanten Ergebnissen.
Die große Mehrzahl der Befragten wußten sofort, um wen es sich bei der Figur handelt. Nur 15 % vermuteten, daß es sich um einen unbekannten Soldaten handele. Nur knapp die Hälfte wußte, daß das Denkmal 1934 aufgestellt wurde. 78 % der Befragten gaben richtig an, dass das Denkmal an die gefallenen Soldaten 1914-18 erinnern soll. Auf die Frage, wer 1934 an der Macht war, antworteten lediglich 38 % richtig (Adolf Hitler). So dachten z.B. 23 %, daß Konrad Adenauer 1934 Kanzler war. 78 % der Befragten gaben an, daß das Denkmal eher angenehm auf sie wirke, 22 % empfanden es eher unangenehm. Da das Denkmal durch Witterung und Farbe beschädigt ist, fragten wir, wieviel DM für die Restaurierung des Denkmals gespendet würden. Die Mehrheit von 57 % gab an, sie wolle nichts spenden. 30 % waren bereit, bis zu 5 DM zu spenden, 13 % bis zu 20 DM und ein Passant war sogar bereit, über 50 DM locker zu machen. Auf die Frage, ob das Denkmal stehenbleiben oder abgerissen werden sollte, waren 62 % für den Erhalt des Denkmals. Nur 1 Passant empfahl den Abriß, den anderen war es egal. Die letzte Frage, was das Denkmal für die Befragten persönlich bedeute, wurde nur von wenigen ausführlich beantwortet. Den meisten bedeutet das Denkmal garnichts. Den anderen dient das Denkmal als Erinnerung an vergangene Zeiten oder es gehört ganz einfach zum Stadtbild dazu.
Als Ergebnis läßt sich sagen, daß die Geschichte und die Hintergründe des Kriegerdenkmals wahrscheinlich nur von wenigen Bürgern in Dülken gesehen werden. So erklärt sich auch die Gleichgültigkeit, die sich vor allem in der finanziellen Zurückhaltung zeigt. Zwar duldet und befürwortet man das Denkmal, gleichzeitig will man aber auch nichts für den Erhalt tun.
 

9. Fazit

Wie die Demonstration am Volkstrauertag gezeigt hat, gibt es zum Siegfried-Denkmal verschiedene Meinungen. Zwar wird das Denkmal heute nicht mehr so gesehen wie 1934, doch ist man sich uneinig, wie man mit dem Denkmal umgehen soll. Während die einen das Denkmal als geeigneten Platz der Trauerbekundung und Erinnerung an die Opfer der Weltkriege sehen, empfinden die anderen es als beschämend, wenn die Trauerfeierlichkeit ausgerechnet vor einem Denkmal stattfindet, das von den Tätern aufgestellt wurde und deren Kriegsbereitschaft verdeutlicht.
Auch in unserer Klasse gab es, wie die ersten Reaktionen auf das Denkmal gezeigt haben, unterschiedliche Meinungen zu dem Denkmal. Aber wie auch immer die Ansichten auseinandergingen, das Denkmal behielt immer an Wert, denn ohne das Denkmal hätten wir uns wahrscheinlich nie so viele Gedanken gemacht. Damals wurde das Denkmal aufgestellt, einerseits um den Bürgern Mut und Hoffnung zu machen, andererseits, um den politischen Willen Hitlers zu demonstrieren. Die jungen Männer sollten sich damals wahrscheinlich ein Beispiel nehmen und ebenso furchtlos und entschlossen in den Krieg ziehen. Heute erinnert es uns an die falschen Ideale, die man den Jugendlichen vermitteln wollte und für die so viele Menschen gestorben sind.
 
 

An diesem Beitrag haben mitgearbeitet: Aylin, Hüseyin, Thomas, David, Saalar, Selma, Mücahit, Nuray, André, Jasmin, Dennis, Jens (alle 9d), Catharina, Mona, Christa, Dennis, Ilker, Christian, Faried, Udo, Angelo, Sebastian (alle 9e), Yasemin, Andrea, Martin, Daniel, Stefan und Robert (alle 9f)