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Entwarnung für den Weihnachtsstern

Seit Jahren schon wird am Institut für Biochemische Pflanzenpathologie der GSF erforscht, wie Zimmerpflanzen durch Herausfiltern von Schadstoffen die Raumluft verbessern. Doch kann das dekorative Grün unter Umständen auch schaden, wenn es nämlich giftige Substanzen enthält. So haben die meisten Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae), zu denen beispielsweise Weihnachtsstern und Christusdorn gehören, in ihrem Milchsaft hautreizende Diterpenester. Seit Anfang der 70er Jahre weiß man, dass diese Substanzen auch starke Tumorpromotoren sind - für sich allein also kein Tumorwachstum auslösen, aber "schlafende“ Krebszellen aktivieren oder mit einem Primärkarzinogen zusammenwirken können.

Entwarnung für Weihnachtsstern und Kroton können Elke Mattes und die an den Untersuchungen beteiligten GSF-Wissenschaftler geben. Die meisten Zuchtformen von Wolfsmilchgewächsen erwiesen sich bei den umfangreichen Tests auf tumorpromovierende Eigenschaften als unbedenklich.
Der Milchsaft des Christusdorns enthält tumorpromovierende Inhaltsstoffe. Bei Pflegemaßnahmen an dieser Zimmerpflanze sollte daher Hautkontakt mit dem weißen Latex vermieden werden.

Da im Gewächshaus der GSF auch viele Zuchtformen von Euphorbien stehen, stellte sich die Frage: Erhöht der Umgang mit diesen Pflanzen das Risiko für Hautkrebs? Die Antwort ist nicht nur für Gärtner interessant, sondern für Pflanzenliebhaber allgemein. Deshalb testeten die Wissenschaftler um Dr. Gerd Vogg insgesamt 22 Arten aus dieser Pflanzenfamilie auf Diterpenester. Untersucht wurden vor allem "Allerweltspflanzen“ aus dem Supermarkt, aber auch zum Beispiel Euphorbia leuconeura, eine seltene, züchterisch unveränderte Verwandte des Christusdorns.

Zunächst mussten Extrakte von Milchsaft und Blättern für die Analyse aufbereitet werden; eine Zeit raubende Prozedur, die obendrein besondere Vorkehrungen nötig machte, da Diterpenester äußerst licht- und temperaturempfindlich sind. Auf der Suche nach einer geeigneteren Methode fand Vogg Hilfe beim Institut für Ökologische Chemie der GSF. Gemeinsam entwickelte man ein rasches, einfaches Verfahren, das die Substanzen innerhalb einer halben Stunde detektiert und identifiziert. Ergebnis: Einige Zimmerpflanzen enthielten Ingenole, Diterpenester mit tumorpromovierenden Eigenschaften, und zwar lokalisiert im Milchsaft der Blätter und des Sprosses. "Je ursprünglicher die Pflanze ist, desto mehr Ingenol steckt drin“, erklärt Vogg. "Weihnachtsstern und Kroton sind frei von Ingenolen und daher unbedenklich. Euphorbia leuconeura dagegen enthält sehr viel. In Christusdornen haben wir ebenfalls Ingenole gefunden, aber in geringer Menge, abhängig von der jeweiligen Sorte.“

Nach der Charakterisierung der Substanzen ging es um ihre tumorpromovierende Potenz. Diese Analyse fand im Rahmen einer weiteren GSF-internen Kooperation statt. Am Institut für Klinische Molekularbiologie und Tumorgenetik ist der EBV-Induktions-Assay etabliert, ein in der Toxikologie häufig eingesetzter Standardtest zum Nachweis von Tumorpromotoren: Zu Lymphozyten, in denen Epstein-Barr-Viren (EBV) "schlafen“, ohne Schaden anzurichten, werden die Testsubstanzen gegeben. Sind diese tumorpromovierend, so beginnt das Virus sofort mit der Synthese von viralen Proteinen, die es für seinen nun induzierten Vermehrungszyklus benötigt. Äußerst elegant detektieren und auch quantifizieren lässt sich die Induktion dieser viralen Gene mit Hilfe eines Reportergensystems, das unter der Kontrolle eines EBV-Genpromoters steht. Die Intensität der Reportergenexpression korreliert eng mit dem tumorpromovierenden Potenzial der Testsubstanzen oder auch der Pflanzenextrakte. Wie zu erwarten, hatten Extrakte aus dem Weihnachtsstern keinen Effekt, während die in den Sorten des Christusdorns enthaltenen Ingenole eine Reaktion hervorriefen. Doch ist das kein Grund, diese hübsche Pflanze aus dem Blumenfenster zu verdammen, beschwichtigt Vogg: "Man sollte allerdings darauf achten, dass kein Milchsaft auf die Haut gelangt. Denn für Tumorpromotoren ist es schwierig, einen Schwellenwert der Wirksamkeit zu bestimmen.“

Obwohl "nur“ ein kleines Nebenprojekt der Zimmerpflanzenforschung, ist das "Wolfsmilch-Projekt“ doch ein schöner Erfolg für alle Beteiligten, wie Vogg resümiert: "Zum einen könnten Pflanzenzüchter mit unserer Testmethode Neuzüchtungen gezielt auf Giftigkeit selektieren. So könnten harmlosere Sorten gezüchtet werden, was einen Schutz für (Hobby-) Gärtner bedeutet. Zum anderen ist es ein gelungenes Beispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Umwelt- und dem Gesundheitsbereich der GSF.“

Sibylle Kettembeil


Literaturhinweise:
G. Vogg, E. Mattes, J. Rothenburger, N. Hertkorn, S. Achatz, H. Jr. Sandermann: Tumor promoting diterpenes from Euphorbia leuconeura L. Phytochemistry 51, 2 (1999) pp. 289-95

G. Vogg, S. Achatz, A. Kettrup, H. Jr. Sandermann: Fast, sensitive and selective liquid chromatographic-tandem mass spectrometric determination of tumor promoting diterpene esters. J. Chromatography A 855 (1999) pp. 563-573

G. Vogg, E. Mattes, A. Polack, H. Jr. Sandermann: Tumor promoters in commercial indoor-plant cultivars of the Euphorbiaceae. Environmental Health Perspectives 107, 9 (1999) pp. 753-756



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Letzte Änderung: 20. November 1999